Nach der notrechtlichen Übernahme der Credit Suisse durch die UBS erlebt eine alte Idee wieder Hochkonjunktur: das Trennbankensystem. In der Schweiz hat sich die Grüne Partei neuerlich dafür ausgesprochen, und in Italien forciert die Partei von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die Aufteilung von Geschäfts- und Investmentbanken. In beiden Fällen erhofft man sich von der Trennung ein resilienteres Finanzsystem – doch ist das so?

Schwierige regulatorische Abgrenzungen

Zunächst ist festzuhalten, dass ein Trennbankensystem keine klar definierte Sache ist (vgl. Box). Es besteht ein grosser politischer Ermessenspielraum bei der Ausgestaltung. Das sollte stutzig machen. Wie bereits bei der heutigen Bankenregulierung müssen also auch bei einem Trennbankensystem Risiken definiert, eingegrenzt und reguliert werden – eine Aufgabe, mit welcher der Basler Bankenausschuss mit seinen Regelwerken Basel I bis III seit den 1980er Jahren hadert.

Das eine Trennbankenmodell gibt es nicht

Beim Begriff Trennbanken denken die meisten an das System, das zwischen 1933 und 1999 in den USA Bestand hatte. Als Reaktion auf weitverbreitete Bankenpleiten während der Grossen Depression wurde der Glass-Steagall-Act verabschiedet. In der Folge wurde das US-Bankensystem zweigeteilt. Entweder betrieb eine Bank weitgehend das klassische Geschäft mit Kundeneinlagen und -krediten – nicht mehr als 10% der Gesamteinkünfte durften aus dem Wertpapiergeschäft stammen – oder sie erbrachte Investmentbanking-Dienstleistungen, zeichnete und handelte also Wertpapiere oder Derivate. Um Interessenkonflikte zwischen den beiden Sphären zu unterbinden, waren zudem auch überschneidende Direktorenposten oder gemeinsame Eigentümer untersagt.

Die Aufteilung von Geschäftsaktivitäten im Bankensektor ist auch ohne die beschriebene, strikte eigentumsrechtliche Trennung möglich. Solche funktionale Trennbankenmodelle wurden etwa im Nachgang zur Finanzkrise von 2008 intensiv diskutiert. So schlug eine Expertengruppe der EU-Kommission 2012 vor, mit hohem Risiko behaftete Bank-Aktivitäten ab einem gewissen Grad in eine rechtlich separate Einheit auszugliedern – was ein «hohes Risiko» ist, ist jedoch gänzlich unklar und erinnert unangenehm an die problematischen Risikogewichte der Basler-Bankenregulierung. Um das in Europa seit langem etablierte Universalbanken-Modell nicht antasten zu müssen, sollten die Einheiten zudem unter einem Holdingdach verbleiben dürfen. Am Ende verzichtete die EU-Kommission jedoch ganz darauf, den Vorschlag umzusetzen.

Diesen praktischen Problemen zum Trotz hält die Politik gerne an einem Schwarz-Weiss-Bild fest. Das darf nicht verwundern, denn das Trennbanken-Narrativ hält eine verfängliche politische Botschaft bereit: Die Investmentbank ist «böse», weil sie grosse Risiken eingeht; die Geschäftsbank ist «gut», weil sie kleine Risiken eingeht. Doch selbst wenn eine solche Aufteilung in Geschäfts- und Investmentbanken derart einfach wäre, bleibt die Charakterisierung in Gut und Böse falsch. Das zeigt schon nur der Blick auf die vergangenen Wochen.

So hatten die Turbulenzen im US-Bankensektor im März 2023 im vermeintlich «guten» Geschäftsbanken-Bereich ihren Ursprung, weder die Silicon-Valley- noch die Signature-Bank waren «böse» Investmentbanken. Dessen ungeachtet kam es vor ein paar Wochen zum Zusammenbruch. Auch im vermeintlich langweiligen Geschäftsbanken-Sektor lauern Risiken.

Da Risiken im heutigen Finanzsystem schnell eine systemische Dimension annehmen, musste selbst bei den Geschäftsbanken am Schluss wieder der Rechtsbruch gewählt werden: Entgegen den bestehenden Gesetzen entschieden sich die US-Behörden dafür, alle Sichteinlagen der beiden Banken zu garantieren. Wiederum wurden private Verluste vom Steuerzahler übernommen – wenn auch in diesem Fall nicht Aktionäre, sondern Kreditgeber profitierten.

Was wäre mit einer Trennung gewonnen?

Geschäftsbanken können also wie Investmentbanken ebenfalls systemische Risiken schaffen. Nehmen wir aber einmal an, Geschäftsbanken kämen ohne Risiken. Was wäre dann mit der Trennung gewonnen? So gehen ja selbst in der Logik der Trennbanken-Anhänger die Investmentbanken grosse Risiken ein. Weshalb dann in ihrem System der Steuerzahler plötzlich nicht mehr in der Pflicht stehen soll, leuchtet nicht ein.

Geschäftsbanken können wie Investmentbanken systemische Risiken schaffen. (Jeremy Morris, Unsplash)

Gerade die notrechtliche Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat gezeigt, dass die systemischen Risiken im Nicht-Geschäftsbankenteil Grund für den Staatseingriff waren. Den Schweiz-Teil hätte man, so wird gemeinhin gesagt, relativ einfach abspalten und eigenständig weiterführen können. Die Geschäftsbank wäre also wie in einem Trennbankensystem gar nicht von einer Abwicklung betroffen gewesen – trotzdem mussten Milliardengarantien gesprochen und Notrecht verhängt werden.

Auch die Finanzkrise von 2008 verdeutlicht, dass das Problem die Existenz systemischer Risiken ist, und nicht, wo im System diese Risiken geschaffen werden. So war Lehman Brothers eine reine (und nur mittelgrosse) Investmentbank ohne Einlagengeschäft. Trotzdem hat ihr Kollaps das System an den Rand des Zusammenbruchs geführt – und selbst Versicherungskonzerne wie AIG mussten plötzlich staatlich gestützt werden.

Regulierung mit dem Etikett funktioniert nicht

An der Idee des Trennbankensystems lässt sich hervorragend illustrieren, weshalb eine Regulierung mit einem institutionellen Etikett nicht funktionieren kann. So orientiert sich eine solche Regulierung viel zu stark an den Begriffen «Bank», «Investmentbank» oder «Versicherungskonzern». Das mag für gewisse Vorschriften Sinn ergeben. Wenn es um die Kontrolle systemischer Risiken geht, ist dieser Ansatz aber verfehlt. Diese lassen sich nicht institutionell eingrenzen – der US-Ökonom Gary Gorton hat hierzu den passenden Begriff des «Boundary Problem of Financial Regulation» geprägt.

Interessanterweise ist diese Lektion schon über hundert Jahre alt. So stand am Anfang der Finanzkrise von 1907 – jener Krise, die zur Gründung des Federal Reserve geführt hat – nicht eine Bank, sondern die Knickerbocker Trust Company. Von einer Treuhand- zu einer Finanzgesellschaft mutiert, war sie kaum reguliert, betrieb aber eine hochriskante Fristentransformation und schaffte damit systemische Risiken. Das Etikett täuschte also über die eigentlichen Risiken hinweg: Hinter einer «Trust Company» stand eine Schattenbank.

Das «Boundary Problem of Financial Regulation» hat sich in der jüngeren Vergangenheit massiv verschärft. Das digitale Finanzsystem im 21. Jahrhundert ist über vielschichtige Finanzprodukte und -institutionen vernetzt. War früher einfach das Etikett von einzelnen Firmen irreführend, können heute im Zusammenspiel von Tausenden von Bilanzen systemische Risiken eingegangen werden. Deshalb sind politische Versuche, einzelne Finanzinstitute mit Etiketten zu versehen und entsprechend zu regulieren, zum Scheitern verurteilt. Um das Problem systemischer Risiken im digitalen Zeitalter zu lösen, braucht es neue Ansätze die aufgewärmte Idee eines Trennbankensystems hilft hier nicht weiter.