Der Bundesrat hat eine Reihe von Massnahmen für Langzeitarbeitslose von über sechzig Jahren vorgeschlagen. Einige davon sind begrüssenswert, so etwa die gezielten Weiterbildungen und eine bessere Betreuung durch die regionalen Arbeitsvermittlungszentren. Hingegen könnte die Einführung einer vom Bund finanzierten Überbrückungsrente bis zur Erreichung des Rücktrittsalters langfristig die Lage der Senioren auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern.

Eine falsche Diagnose

Es mag banal klingen, aber nicht alle älteren Arbeitnehmer sind gleich: Es gibt solche, die arbeiten, und andere, die keine Arbeit mehr haben. Von den Erstgenannten gibt es immer mehr. Von 2011 bis 2018 hat ihre Anzahl um mehr als 230‘000 Personen zugenommen, davon sind mehr als ein Viertel über 65 Jahre alt.

Schwieriger wird es für diejenigen Arbeitnehmer, die ihre Arbeit im fortgeschrittenen Alter verlieren. Obwohl das Risiko, den Job zu verlieren, bei den über 55-Jährigen geringer ist als beim Rest der aktiven Bevölkerung, stellen sie doppelt so viele Langzeitarbeitslose wie die jungen Arbeitskräfte. Hingegen besteht für Menschen ab 55 ein viel geringeres Risiko, entlassen und ausgesteuert zu werden (0,74%) als für ihre Kollegen unter 35 Jahren (0,93%).

Trotzdem schlägt die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) Alarm: Zwischen 2011 und 2017 ist die Quote der Sozialhilfebeziehenden Senioren von 2,2 auf 2,9% gestiegen. Damit bleibt sie jedoch immer noch deutlich unter dem Schweizerischen Durchschnitt (3,3%).

Seit 2011 ist gleichzeitig die Anzahl neuer Sozialhilfeempfänger von 55 Jahren und mehr relativ konstant geblieben. Es kann also keine vermehrte Ablehnung der Senioren durch den Arbeitsmarkt festgestellt werden. Aber wie lässt sich dann ihr höherer Anteil an Sozialhilfeempfängern erklären? Einerseits handelt es sich um Rentner, die beim ersten Bezug unter 50 waren, inzwischen älter geworden sind und somit statistisch in einer anderen Altersklasse erfasst werden. Zum anderen steigt die Bezugsdauer von Sozialhilfe ganz allgemein, aber insbesondere bei den Senioren.

Schwerwiegende Nebeneffekte

Wie diese Zahlen zeigen, nehmen die meisten Arbeitgeber ihre soziale Verantwortung wahr und erhalten die Arbeitsplätze ihrer älteren Mitarbeiter. Bei einer Umstrukturierung hingegen ist für einen Teamleiter die Versuchung gross, sich eher von einem älteren, kurz vor der Pensionierung stehenden Mitarbeiter zu trennen, als von einer Mutter, die für den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen muss. Die vorgeschlagene Überbrückungsrente würde dieser Versuchung noch Vorschub leisten. Die arbeitenden Senioren hätten das Nachsehen.

Aber wieso ruft dann die Idee einer Überbrückungsrente fast einhellige Begeisterung hervor?

Die Skos sieht in dieser Massnahme eine finanzielle Entlastung für die in vielen Kantonen unter Druck geratene Sozialhilfe. Es entstünde zudem ein Präzedenzfall zur Regelung der Sozialhilfe auf Bundes- anstatt auf Gemeindeebene, wo die Ausgaben leichter ersichtlich, die öffentliche Meinung viel lautstarker und das Lobbying schwieriger zu bewerkstelligen – da dezentralisiert – ist.

Für die Kantone und ihre Gemeinden ist die Idee, die Senioren vom Bund anstatt von der Sozialhilfe finanzieren zu lassen, verführerisch. Nur heisst es nicht umsonst: Wer zahlt, befielt. Eine derartige Zentralisierung der Kompetenzen würde die Position der Kantone schwächen und sie zunehmend zu reinen Ausführungsorganen degradieren. Auch der Arbeitgeberverband scheint der neuen Überbrückungsrente wohlgesinnt. Von Steuergeldern und nicht von Arbeitgeberbeiträgen finanziert, kostet sie nichts. Kurzfristig könnte man sogar ältere Arbeitnehmer leichter entlassen, da sich der Staat ja um sie kümmern würde.

Langfristig entspräche dies jedoch einer erleichterten vorzeitigen Pensionierung ab Alter 58, was in die entgegengesetzte Richtung zur aus demografischer Sicht notwendigen Entwicklung liefe. Zudem würde sich die Anzahl der Arbeitslosen im Seniorenalter erhöhen, was die Gewerkschaften und die Politik mit der Forderung nach einer verstärkten Arbeitsmarktregulierung auf den Plan riefe.

Hilfe anstatt Almosen

Arbeitslose Senioren befinden sich in einer schwierigen Lage. Dem muss gebührend Rechnung getragen werden. Es ist sehr wichtig, dass sie für den Arbeitsmarkt attraktiv bleiben, indem sie regelmässig neue Aufgaben übernehmen oder Weiterbildungen besuchen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind in dieser Hinsicht gleichermassen gefordert.

Ältere Arbeitslose müssen zusätzliche Leistungen beanspruchen können, wie das die Arbeitslosenversicherung bereits vorsieht. Auch die vorgeschlagenen Ausbildungs- und Begleitmassnahmen sind begrüssenswert. Eine Überbrückungsrente hingegen ist eine falsche gute Idee. Sie würde die Frage der Arbeitslosen auf eine reine Geldsache reduzieren und deren Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlimmern. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.

Dieser Beitrag ist in der Zeitschrift «Schweizer Personalvorsorge», Ausgabe 7/19, erschienen.