Der Personalbestand des Bundes hat die Grenze von 40’000 Ange­stellten überschritten, haben die CH Media kürzlich festgestellt (Paywall). Das Stellenwachstum sei ein langfristiger Trend, der sich in gewissen Ämtern während der Coronapandemie noch beschleunigt habe, schreiben die Zeitungen des Medienverbundes. Eine Wende sei nicht absehbar: «Im ersten Halbjahr 2021 legte die Verwaltung um netto 206 Stellen zu, und für nächstes Jahr sind gemäss Voranschlag 425 zusätzliche Stellen geplant – in der Bundesverwaltung, den Gerichten und den Parlamentsdiensten.» Chefredaktor Patrik Müller hat Peter Grünenfelder zu dieser Entwicklung befragt:

Patrik Müller: Die Bevölkerung nimmt zu, doch die Beamtenstellen beim Bund steigen überproportional. Ist das ein Naturgesetz?

Peter Grünenfelder: Es ist vielmehr ein klares Zeichen des fehlenden Führungsanspruchs der Politik gegenüber der Verwaltung. Ein Naturgesetz ist, dass eine wachsende Zahl an Verwaltungsstellen zu mehr Bürokratie und Regulierung führt, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz schmälert. Dazu kommt die staatliche Kostenkrankheit: Alles, was der Staat berührt, wird automatisch teurer.

Die Verwaltung verteidigt sich: Nicht sie blähe sich auf, sondern das Parlament auferlege ihr immer mehr Aufgaben. 

Glauben Sie ernsthaft, dass fast 40’000 Bundesangestellte sich ausschliesslich mit der Beantwortung parlamentarischer Vorstösse beschäftigen? Natürlich lösen parlamentarische Beschlüsse teilweise personellen Mehraufwand aus. Doch der Meccano ist meist so, dass eine Verwaltungsstelle ein offensichtliches oder vermeintliches Problem in ihrem Verantwortungsbereich identifiziert, zu deren Problemlösung mehr Ressourcen beantragt werden. Auf eine Re-Priorisierung der Aufgaben der Stellenprofile wird bewusst verzichtet, vielmehr werden auf den bestehenden Personaletat weitere Stellen «aufgepfropft».

Die Coronapandemie hat den Staat wichtiger gemacht. Gehen Sie davon aus, dass ein Teil dieser in den letzten zwei Jahren geschaffenen Stellen wieder abgebaut wird?

Wenn im federführenden BAG sich nur ein ganz tiefer zweistelliger Prozentsatz der Angestellten mit der eigentlichen Pandemiebekämpfung beschäftigt und der Grossteil der Amtstätigkeit sonst seinen gewohnten Gang geht, dann ist die Art und Weise der Krisenorganisation kritisch zu durchleuchten. Das wirksamste Mittel gegen Covid-19 war bekanntermassen die rasche Entwicklung von Vakzinen – einem beispiellosen Kraftakt des privaten Unternehmertums und der Forschung. Letztlich geht der ungebremste Ausbau der Verwaltungsstellen zu Lasten der wirtschaftlichen Weiterentwicklung.

Peter Grünenfelder. (Avenir Suisse)

Geht das Stellenwachstum einher mit besseren Dienstleistungen der Verwaltung?

In der Regel führen die Digitalisierungsprojekte der Verwaltung nicht zu einem konsequenten Rückbau von Verwaltungsstellen. Oft werden die digitalen und analogen Prozesse parallel zueinander weitergeführt.

Im Jahr 2015 hatte das Parlament einen Stellenplafond von 35’000 Vollzeitstellen beschlossen, den es später wieder aufhob. Ende 2020 hatte der Bund 37’689 Vollzeitstellen. Braucht es eine neue Obergrenze?

Es braucht ein deutlicheres Zeichen des Parlaments, dass es das überbordende Verwaltungswachstum nicht mehr toleriert. Ein Stellenplafond sollte wieder eingeführt werden. Kommt der Bundesrat diesem Auftrag nicht nach, ist ein schärferes Instrument wie ein Einstellungsstopp ins Auge zu fassen.

Ist es denkbar, dass die Verwaltung mit weniger Stellen dieselben Aufgaben erfüllen könnte?

Mehr heisst eben nicht automatisch besser, sondern vor allem mehr Bürokratie. Daher ist es zwingend notwendig, die Verwaltung wieder zurückzubauen. Das heisst aber, den Willen aufzubringen, Prozesse und Abläufe zu überprüfen und auf gewisse Verwaltungsaktivitäten ganz zu verzichten. Es gibt Verwaltungsstellen, die weder Bevölkerung noch Unternehmen dienen, sondern einem Perpetuum mobile gleich sich vorab um die eigenen innerbetriebliche Verwaltungsachse drehen. Es geht nicht an, dass das Bevölkerungswachstums vom Stellenwachstum in der Verwaltung bei weitem übertroffen wird.

Wie beurteilen Sie die Stellenentwicklung bei Kantons- und Gemeindeverwaltungen?

Die fehlende Finanzdisziplin ist besonders offensichtlich in den rot-grün dominierten Städten. In der Stadt Zürich etwa budgetiert die Regierung in den nächsten Jahren trotz Defiziten Tausende neuer Stellen; damit werden auch Stellen geschaffen, die dem eigenen Wählersegment zugutekommen sollen. Das ist eine moderne Form von Nepotismus. Es bereitet mir als Liberalem Sorge, dass der öffentliche Sektor sich ausgerechnet in der Schweizer Wirtschaftsmetropole zum grössten Arbeitgeber mausert.

Wasserköpfe gibt es auch in privaten Konzernen. 

Das ist korrekt. Nur sind Unternehmen, die sich am Markt ausrichten, gezwungen, in regelmässigen Abständen ihre Kostenstrukturen und Abläufe zu überprüfen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dazu gehören auch Reorganisationen. Der öffentliche Sektor darf davon nicht ausgenommen werden.

Dieses Interview ist am 9. 11. 21 in den CH Media erschienen (Paywall).