Meistens geht es nur um junge Männer. Ist das in einer Zeit, in der so viel über Geschlechtergerechtigkeit gesprochen wird, noch zu rechtfertigen?

In der Schweiz wird heutzutage nur jeder vierte Jugendliche, meist männlich, für den Militärdienst aufgeboten. Dies aufgrund der Tatsache, dass Ausländer und Frauen nicht der Wehrpflicht unterstellt sind. Immerhin erlaubt das heutige Modell den Frauen, freiwillig in der Armee zu dienen – im Jahr 2017 waren es ganze 1152, was aber nur 0,7% des Armeebestandes entspricht.

Obwohl es Frauen gäbe, die bereit wären, sich im Rahmen eines institutionalisierten Dienstes an der Gesellschaft zu engagieren, wird ihnen der Zugang zum heutigen Zivildienst erschwert: Er steht nur Personen offen, die zuvor für diensttauglich erklärt wurden. Um in den Zivildienst aufgenommen zu werden, muss sich eine Frau also zunächst freiwillig zum Militärdienst melden, um danach den Tatbeweis zu erbringen, dass letzterer nicht mit ihrem Gewissen vereinbar ist – ein gewissermassen schizophrenes Vorgehen. Diese höheren Zugangsbarrieren der Frauen für den (von Männern dominierten) Zivildienst sind absurd in einer Zeit, in der die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau obsolet geworden sein sollte.

Ein Bürgerdienst für Frauen und Männer, wie von Avenir Suisse skizziert, würde die gesellschaftliche Entwicklung endlich auch im Milizsystem abbilden und zu mehr Gerechtigkeit beitragen. Zudem könnten die Einsatzeinrichtungen (wie die Armee) von einer erhöhten Geschlechterdurchmischung profitieren.

Anerkennung für die Frauen

Es ist nicht so, dass sich Frauen nicht für die Gesellschaft engagieren – ganz im Gegenteil! Sie leisten heute bereits viel für die Gesellschaft. Laut BFS erledigen die Frauen immer noch einen Grossteil der unbezahlten Arbeit wie Hilfeleistungen für Bekannte und Verwandte. 2016 waren es im Durchschnitt 30,1 Stunden pro Woche gegenüber 19,5 Stunden bei den Männern. Diese Art von Arbeit ist vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung besonders nutzbringend und wird nicht zuletzt deshalb unterschätzt, weil sie unentgeltlich erfolgt und kaum institutionalisiert ist.

Eine grössere Durchmischung wäre nicht nur für die Armee, sondern auch für Einsatzeinrichtungen wie die Feuerwehr von Vorteil. (pd)

Die Einführung eines Bürgerdienstes würde diese Arbeit an der Gesellschaft sichtbarer machen, indem letztere – zumindest teilweise  – in einem institutionellen Rahmen stattfände. Diese Anerkennung würde im Endeffekt zu einer gelebteren Gleichstellung beitragen.

Vertane Chancen ergreifen

Angeknüpft an die Institutionalisierung der Arbeit ist ein Engagement im Rahmen eines Bürgerdienstes sinnstiftend, da jeder und jede seinen Beitrag am Gemeinschaftsprojekt leistet. Im Sinne eines partizipatorischen öffentlichen Gutes: je mehr Menschen sich daran beteiligen, desto grösser wird der Mehrwert für die Gesellschaft. Zudem erfolgt der individuelle Nutzen aus der kollektiven Partizipation.

Ebenso würde der Bürgerdienst den Frauen ermöglichen, ihre Position in der Gesellschaft zu stärken, indem sie horizonterweiternde Erfahrungen machen, ein breiter abgestütztes Netzwerk aufbauen und Führungsverantwortung übernehmen. Dies kann auf dem Arbeitsmarkt von Vorteil sein. Wieso sollten diese Möglichkeiten mehr als der Hälfte der Bevölkerung – mehrheitlich Frauen – verwehrt bleiben?

Mehrwert der Durchmischung

Verschiedene Studien belegen: Geschlechterdiversität im Unternehmen führt zu wirtschaftlichem Erfolg. Durchmischung bringt unterschiedliche Perspektiven, Vorgeschichten, Erfahrungen mit, die unabdingbar sind für eine gute Entscheidungsfindung. Gemischte Teams und Gremien weisen eine höhere Flexibilität im Denken auf, sind kompromissfähiger und verbessern die Leistungsfähigkeit einer Organisation. Welches Unternehmen könnte es sich heue erlauben, ohne Frauen zu wirtschaften?

Eine grössere Durchmischung wäre auch für die Armee und andere Einsatzeinrichtungen von Vorteil. Ein Bürgerdienst würde den Rekrutierungspool erheblich vergrössern. Somit gewänne die spezifische Qualifikation des Personals an Bedeutung, und die am besten Qualifizierten und Motivierten könnten in den richtigen Funktionen eingesetzt werden – unabhängig von Alter und Geschlecht.

Alles in allem würden die Armee und andere Einsatzeinrichtungen dank komplementären Kompetenzen gestärkt; die Frauen profitierten von horizonterweiternden Erfahrungen, und ein Bürgerdienst würde nicht zuletzt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen.

Um Gleichstellung zu leben, müsste eine Gleichbehandlung der Geschlechter die Norm sein. Nur wenn Menschen gleich behandelt werden, ist eine Begegnung auf Augenhöhe möglich. Deshalb ist es einerseits wichtig, Mechanismen zu schaffen, die zur gleichwertigen Anerkennung der von Frauen geleisteten Arbeit führen; anderseits sollten Frauen Signale setzten, die zeigen, dass sie bereit sind, dieselben gesellschaftlichen Verpflichtungen anzunehmen wie die Männer.

Dieser Beitrag ist Teil der Publikationsreihe «Miliz heute».