Eine Verachtfachung der Leistung mit einem Federstrich, das ist nicht ohne. Statt in einer Stunde die Strecke Zürich-Bern zu bewältigen, dürften die SBB nur noch gut 12 Minuten dafür haben. Und die Post müsste einen A-Post-Brief nicht am nächsten Tag, sondern innert weniger Stunden an jeden Ort der Schweiz zustellen. Genau das will die Politik neu im Telekombereich vorschreiben. So wird derzeit in Bundesbern über eine Verachtfachung der Internet-Grundversorgung von 10 auf 80 Megabits pro Sekunde (Mbit/s) debattiert.

Natürlich sind diese Vergleiche nicht ganz ernstgemeint, geht es bei der Datenübermittlung im Gegensatz zum physischen Transport doch um eine sich schnell entwickelnde Technologie. Was heute top ist, ist in fünf Jahren nur noch Mittelmass. Doch die Grundversorgung wurde erst gerade letztes Jahr angepasst. Die pro Anschluss garantierten 10 Mbit/s sind denn auch nicht ohne – im Gegenteil. Die Schweiz steht mit dieser Grundversorgung an der europäischen Spitze.

Dieser Befund mag manchen überraschen, denn in vielen Städten sind weit schnellere Internetangebote auf dem Markt. Worum handelt es sich denn eigentlich bei dieser Grundversorgung?

Grundversorgung ist eine politische Entscheidung

Wie der Bundesrat zum Service public festhält, umfasst dieser «… die Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und -dienstleistungen, welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes zu gleichen Bedingungen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen.» Jedem Bürger, egal wo im Land, soll so die Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben möglich sein.

Bei der Definition der Grundversorgung muss somit besonders der Begriff «gute Qualität» konkretisiert werden. Dafür braucht es eine Übersicht, für welche Internetdienste welche Bandbreiten notwendig sind. Die folgende Abbildung bietet genau das.

Derzeit erlaubt die Grundversorgung das Surfen im Internet, Homeoffice-Anwendungen und sogar das Streaming von Videos in HD-Qualität. Zu beachten ist allerdings, dass der Breitbandbedarf bei einer gleichzeitigen Nutzung steigt. Um diesen zu ermitteln, kann jedoch nicht einfach der maximale Bedarf mit der Anzahl Personen im Haushalt multipliziert werden, da die Nutzung nicht immer gleichzeitig ist. Grundsätzlich sollte damit die Grundversorgung nicht nur Einpersonenhaushalten eine Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben ermöglichen.

Wettbewerbsverzerrungen drohen

Zu breit darf die Grundversorgung nicht definiert werden. Wie das Bundesamt für Kommunikation festgehalten hat, «… zielt die Grundversorgung nicht darauf ab, eine umfassende Bereitstellung der attraktivsten Dienste auf dem Markt sicherzustellen, sondern darauf, eine Reihe von Basisdiensten anzubieten, um eine Ausgrenzung zu verhindern». Das staatlich garantierte Angebot kann nicht nach Belieben ausgebaut werden. Das liegt daran, dass die Politik sich immer für ein Grundversorgungsbündel aus Bandbreite und Preis entscheiden muss – heute sind das mindestens 10 Mbit/s zu maximal 45 Fr. pro Monat.

Der staatlich festgelegte Preis ist der Grund dafür, weshalb die Grundversorgung, wie ihr Name schon impliziert, sich auf ein nationales Minimum beschränken sollte. Wird dieser Grundsatz nicht eingehalten, wird über das Instrument der Grundversorgung der Markt in den Städten und Agglomerationen verzerrt, in denen der Wettbewerb spielt; als Folge könnte sich dann dort das Angebot über die Zeit verschlechtern.

Ein radikales Gedankenexperiment zeigt das Problem auf: Würde die Grundversorgung beispielsweise auf 1 Gbit/s (=1000 Mbit/s) zu 45 Franken pro Monat hochgeschraubt, könnten zwar auf der Alp und im Rustico mit VR-Brillen anspruchsvolle Multiplayer-Spiele zu geringen Kosten gespielt werden. Aber mit der hoheitlichen Festlegung eines solchen Qualitäts-/Preis-Bündels würde der Markt im ganzen Land massiv verzerrt werden. Im Extremfall besteht gar die Gefahr, dass das staatliche Grundversorgungspaket plötzlich schweizweit zum attraktivsten und damit zum einzigen Internetangebot wird – der Wettbewerb also komplett zum Erliegen kommt.

Wo der Markt spielt

Ob der Telekommarkt sich dynamisch zeigt, hängt massgeblich von der Bevölkerungsdichte ab. Je mehr Kunden mit einem Quadratkilometer Netz bedient werden können, auf desto mehr Schultern können die Erstellungs- und Unterhaltskosten des Netzes verteilt werden: Die Anschlusskosten pro Haushalt bestimmen, ob ein Infrastrukturbau lohnend ist oder nicht. Damit ist in der Stadt Erstellung und Betrieb eines Netzes tendenziell lukrativer als auf dem Land.

Das heisst nicht, dass sich in der Stadt automatisch ein funktionierender Wettbewerb einstellt. Die hohen Investitionskosten beim Aufbau eines Datennetzes stellen hohe Markteintrittsbarrieren dar. Damit kann sich je nach dem ein natürliches Monopol einstellen, das durch volkswirtschaftliche Ineffizienzen geprägt ist. In vielen Gebieten der Schweiz ist es trotzdem nicht zu einem solchen Monopol gekommen, was vor allem einem historischen Glücksfall zu verdanken ist (vgl. Box).

Welches Netz darf’s denn sein?

Der Bund hat ab den 1880er Jahren die Erstellung eines nationalen Telefonnetzes vorangetrieben. Ab den 1930er Jahren begannen zusätzlich lokale Organisationen mit dem Bau von Kabelnetzen – zuerst für die Übertragung von Radio-, später auch von TV-Signalen. Damit erhielt die Schweiz gleich zwei Festnetze. Heute haben deshalb rund 80% der Schweizer Haushalte mindestens zwei Anschlüsse im Haus: Einen Telefon- und einen Kabelanschluss. Das erstere Netz wird von Swisscom betrieben, das letztere von UPC-Sunrise und verschiedenen kleineren Kabelnetzbetreibern.

In gewissen Städten wurde vor rund zehn Jahren zudem auf ein Kooperationsmodel beim Glasfaser-Ausbau gesetzt: Diverse Haushalte erhielten in der Folge gleich mehrere Fasern bis in die Wohnung. Das zugrundeliegende Finanzierungsmodell weist aus ordnungspolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht problematische Aspekte auf. Mit dem Mehrfasermodell wurde indessen die historische Eigenheit eines Infrastruktur-Duopols in gewissen Städten in die neue Glasfaserzeit übertragen.

Schliesslich hat der technische Fortschritt dazu geführt, dass der Mobilfunk leistungsfähiger wurde – auf dem neusten Technologiestandard 5G sollen Datenübertragungsraten von bis zu 3 Gbits/s möglich sein. Die Schweizer Telekomfirma Sunrise hat denn auch vor gut zwei Jahren ihre 5G-Angebote als Konkurrenz für langsame Festnetzangebote lanciert. Damit gibt es in vielen Gebieten der Schweiz einen Wettbewerb, sowohl was die Infrastruktur selbst als auch was das Angebot von Internetangeboten auf dieser Infrastruktur betrifft.

Rahmenbedingungen optimal anpassen

Auch wenn eine Bandbreite von 10 Mbits/s derzeit eine Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben ermöglicht, ist schon heute klar, dass das in ein paar Jahren nicht mehr der Fall sein wird. Die Technologie entwickelt sich im digitalen Bereich rasant, und die Nachfrage nach Bandbreite steigt konstant. Damit wird auch künftig der Grundversorgungsauftrag angepasst werden müssen.

Eine Erhöhung der Bandbreiten bedingt allerdings Investitionen in die Infrastruktur. Das kostet. Wie erwähnt, kann der Markt diese Kosten in weniger dicht besiedelten Regionen nicht allozieren – deshalb wird ja überhaupt eine staatliche Grundversorgung gefordert. Gleichzeitig gibt es durchaus Gebiete, in denen diese Investitionen aus einer kommerziellen Überlegung getätigt werden. Diesen Wettbewerb gilt es zu bewahren, denn er ist mit ein Grund dafür, dass die Schweiz im Datenverkehr an der Spitze steht; je nach Quelle weist das Land die vierthöchste oder fünfthöchste Durchschnittsgeschwindigkeit weltweit auf.

Unbedachte Anpassungen der Grundversorgung und Eingriffe in den Telekommarkt bergen die Gefahr, das Schweizer «Telekom-Ökosystem» aus dem Lot zu bringen. Im zweiten Teil dieser Blogserie wird daher aufgezeigt, wie die staatlichen Rahmenbedingungen für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur idealerweise gestaltet werden.