Die OECD-Mindestteuer kommt. 15 Prozent soll künftig der Gewinnsteuersatz betragen, und zwar für grosse Unternehmen mit weltweiten Umsätzen von über 750 Millionen Euro. 18 Kantone müssen bei ihren Steuerregimes Anpassungen nach oben vornehmen, weil ihr Gewinnsteuersatz heute unter 15 Prozent liegt.
Lässt dieser Entscheid der OECD in den Finanzdirektionen der Hochsteuerkantone von Zürich und Bern die Champagnerkorken knallen, weil damit dem aus ihrer Sicht oft lauthals beklagten innerschweizerischen Steuerwettbewerb endlich ein Riegel geschoben wird?
Das Gegenteil ist der Fall: In gutschweizerischer Manier erfolgt der Umsetzungsvorschlag des Bundesrates unter Wahrung des föderalistischen Wettbewerbsprinzips. Werden Kantone aufgrund der internationalen Vereinbarung ihre Gewinnsteuersätze nun nach oben anpassen müssen, fliessen diese steuerlichen Mehreinnahmen direkt in die eigenen Kassen. Sie gewinnen damit Handlungsspielraum für Einkommensteuersenkungen.
Die Folge: Ausserhalb der Unternehmenssteuern wird der Standortwettbewerb maximiert. Damit hat der globale Entscheid der OECD direkte Auswirkungen auf die kantonale Politikgestaltung. Die grossen Kantone mit ihren überdotierten Verwaltungen werden sich in Zukunft also noch mehr anstrengen müssen, um als Standort attraktiv zu bleiben.
Ein Zurücklehnen in den kantonalen Rathäusern ist definitiv nicht angezeigt. Wenn die Firmen nicht mehr mit tiefen Unternehmenssteuern angelockt werden können, liegt es in der Hand der 26 Kantonsregierungen und -parlamente, wettbewerbliche Massnahmen einzuleiten. Anstelle teurer staatlicher Fördermassnahmen sind kantonale Fitnessprogramme angesagt: Das beinhaltet etwa die konsequente Senkung der Steuerprogression für Gutverdienende, ein Stopp des Stellenwachstums im öffentlichen Sektor, Deregulierungen – und damit auch Vereinfachung bürokratischer Bewilligungsprozedere –, die Umstellung von analogen auf digitale Verwaltungsprozesse und die Privatisierung von kantonalen Betrieben.
Doch auch der Bund kommt um ein eigenes Fitnessprogramm nicht herum. Neben der Sicherstellung des Zugangs zu ausländischen Märkten und der raschen Klärung der europapolitischen Fragen sind insbesondere die einengenden Vorschriften der Arbeitsgesetzgebung zu flexibilisieren und die Drittstaaten-Kontingente deutlich zu erhöhen.
Es entbehrt nicht einer gewissen zeithistorischen Ironie: Nachdem der Föderalismus im Zuge der Pandemiebekämpfung durch zentral gefällte Beschlüsse aus «Bundesbern» erheblich unter Druck kam, kann ausgerechnet der internationale OECD-Entscheid dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den Kantonen wieder gestärkt wird.
Dieser Beitrag ist am 20.01.2022 in der «Handelszeitung» erschienen.