Die wirtschaftspolitische Antwort auf die Coronakrise beruhte in der Schweiz bisher auf den drei Pfeilern der Kurzarbeit, EO für Selbständigerwerbende und Liquiditätskredite mit staatlichen Bürgschaften. Diese bewährten Instrumente trugen zu einer Stabilisierung des Wirtschaftssystems bei. Fehlallokationen waren auch hier nicht ausgeschlossen – gegen 40% der Covid-19-Überbrückungskredite wurden in der ersten Phase auf Vorrat abgeholt.
Neben den Massnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft schnürten Bund und Kantone zahlreiche weitere Hilfspakete, davon profitierten der Kulturverein im Laienbereich genauso wie der Profisport oder der regionale Personenverkehr. Die Kosten sind enorm, sie betragen weit über 30 Milliarden Franken. Der Abbau der innert Jahresfrist angehäuften Corona-Schulden dürfte zum Generationenprojekt werden.
Doch die Begehrlichkeiten zum Bezug von öffentlichen Mitteln scheinen ungebrochen: Eine staatliche Unterstützung auf Einzelfall-Betriebsebene muss her: das Härtefallprogramm. À-fonds-perdu-Beiträge können gesprochen werden, ohne die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells explizit zu prüfen. Bewusst geht die Politik das Risiko ein, dass diese Steuergelder dann definitiv «perdu» sind.
Eine Milliarde Franken steht – Stand heute – für Härtefälle bereit. Der Vorlage passierte das Parlament in der Wintersession ohne grosse Opposition. Im stolzen KMU-Land Schweiz fordert der Schweizerische Gewerbeverband eine Umsatz-Untergrenze von 30’000 Franken pro Betrieb, um die Härtefallregelung in Anspruch nehmen zu können. Wie ein solches Geschäftsmodell bereits vor der Krise nachhaltig sein konnte, erschliesst sich allerdings nicht per se.
Diese finanziellen Begehrlichkeiten laufen auf die Logik «des Einfrierens» der Wirtschaftstätigkeit hinaus. Der Strukturwandel und die dynamische Anpassung an die Krise werden damit deutlich erschwert. Der Tourismusverband postuliert einen Erlass der Notkredit-Rückzahlungen bis 500’000 Franken, die Kulturlobby begehrt eine Entschädigung nicht nur infolge der Veranstaltungsverbote, sondern auch wegen fehlender Buchungen von Privatpersonen, die Bar & Club-Kommission sieht sämtliche Nachtbar-Betriebe als Härtefälle, weil die bisherige Unterstützung nicht ausreiche.
Auf die Spitze treiben es die Interessenvertreter der Hotellerie und Gastronomie, die im Schlepptau der Gewerkschaften eine Lohnausfallentschädigung bei Kurzarbeit zu 100 Prozent fordern. Damit wird den individuell eingesparten Kosten aufgrund des reduzierten Arbeitspensums nicht Rechnung getragen.
Statt immer mehr milliardenschwere Hilfen sind gezielte Lockerungen für die betroffenen Branchen zu beschliessen. Erleichterung statt Erschwerung der Geschäftstätigkeit müsste das Motto der Stunde lauten, um den Konsum in Covid-Zeiten möglichst ungehindert zu erlauben. Eine Optimierung der Rahmenbedingungen wie etwa die Zulassung von Heizpilzen für die Gastronomie oder die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten würden ihren Teil dazu beitragen, den bedrängten Betrieben zu helfen. Im Gottesdienst der Staatsgläubigen ist aber davon wenig bis nichts zu hören.
Dieser Beitrag ist am 3.12.2020 in der «Handelszeitung» unter dem Titel «Gezielte Lockerungen» erschienen.