Gross war die Verunsicherung, als erste Erkenntnisse zu Omikron vor knapp zwei Monaten zeigten, dass die neue Variante des Corona-Virus die Immunabwehr besser umgehen konnte. Welche Auswirkungen würde dies auf die Anzahl schwerer Fälle haben? Wie gut würden die vorhandenen Impfstoffe dagegen ankommen?

Booster schützt vorwiegend Ältere

Aus heutiger Sicht lässt sich sagen, dass sich die Impfung für die Gruppe der besonders gefährdeten Personen* auch im Umfeld der Omikron-Variante als besonders nützlich erwiesen hat. So zeigen Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG), dass unter den Über-60-Jährigen «geboosterte» und zweifach geimpfte Personen wesentlich weniger Spitaleintritte zu verzeichnen waren als unter den Ungeimpften. Weiter ergaben sich auch deutlich weniger Impfdurchbrüche bei Personen mit Auffrischimpfungen als bei jenen ohne.

Betrachtet man die Zahlen für den Januar 2022, lassen sich etwa für die Gruppe der 80-Jährigen und älteren folgende konkrete Unterschiede bei den Spitaleinweisungen feststellen (vgl. Abbildung 1): Unter den dreifach Geimpften traten gegenüber den doppelt Geimpften rund 70% weniger Impfdurchbrüche auf. Gegenüber den Ungeimpften machte der Rückgang sogar über 95% aus. Für die Altersgruppen der 60-69-Jährigen und der 70-79-Jährigen ist ein vergleichbarer Zusatzeffekt des Boosters erkennbar.

Je jünger die Bevölkerung, umso eher ist bei der Interpretation aufgrund tiefer Fallzahlen Vorsicht geboten. Sollten sich die vernachlässigbaren Unterschiede zwischen zwei- und dreifach Geimpften bei den jüngeren Altersgruppen jedoch bestätigen, würde dies das «2G+-Regime», also den indirekten Zwang zum Booster für die gesamte erwachsene Bevölkerung, im Nachhinein in Frage stellen.

Effektive Booster-Kampagnen in SH, BS und AG

Bewahrheitet hat sich indes die Notwendigkeit einer von zahlreichen Experten geforderten Booster-Kampagne für die besonders gefährdeten Personengruppen. Wie haben die Kantone, denen die Organisation und Durchführung der Auffrischimpfung oblag, dabei abgeschnitten?

Spitzenreiter beim Aufbau der Impfkapazitäten war der Kanton Basel-Stadt, wo die Hälfte der Über-65-Jährigen innerhalb von drei Wochen Zugang zur dritten Impfdosis erhielt (vgl. Abbildung 2). Eine Woche länger benötigten die Kantone AG, GL, LU, NW, SG, SH, TG und ZG, um 50% der Ältesten zu einer dritten Impfdosis zu verhelfen. Deutlich länger, nämlich sechs bis sieben Wochen, dauerte der neuerliche Aufbau der Impforganisation in AI, AR, JU, OW und SZ.

Neben schnell aufgebauten Kapazitäten sollten sich die kantonalen Booster-Kampagnen aber vor allem durch hohe Impfgeschwindigkeiten auszeichnen. Insgesamt gelang es acht Kantonen (AG, BE, BL, BS, SH, SO, TI und ZH), bis Ende Januar 2022 mehr als drei Vierteln der Über-65-Jährigen eine Auffrischimpfung zu verabreichen. Besonders schnell agierte Schaffhausen. Als einzigem Kanton gelang es Schaffhausen bereits vor dem Jahreswechsel, mehr als 70% der über 65-Jährigen zu «boostern». Um drei Viertel ein drittes Mal zu impfen, benötigte man am Rheinfall insgesamt nur neun Wochen. Heute kratzt der Kanton als einziger an der 80%-Marke. Von einer effektiven Booster-Kampagne darf auch im Aargau und in Basel-Stadt gesprochen werden, wo drei Viertel der Über-65-Jährigen innerhalb von zehn Wochen eine dritte Impfdosis erhielten.

Rolle der Impfbereitschaft

Im interkantonalen Vergleich verfügen AI, AR, JU, OW und SZ über wesentlich weniger geboosterte Personen. Der Anteil der Altersgruppe über 65 mit dritter Impfdosis verharrt um 65% und damit beinahe zehn Prozentpunkte unter dem landesweiten Schnitt. Dieses Resultat ist ein Spiegelbild der ersten Impfkampagne im Frühling und Sommer 2021 und darf als Indiz für eine tiefere Impfbereitschaft unter den Ältesten in diesen Kantonen gewertet werden.

Ob diese Erklärung auch im Umkehrschluss für die Kantone mit schnelleren Booster-Kampagnen herangezogen werden kann, ist zu hinterfragen. Auffallend ist jedenfalls, dass ausser Basel-Stadt alle Kantone, die Ende Januar mehr als 75% der ältesten Bevölkerungsgruppe geimpft hatten, bereits im Sommer zu denjenigen gehörten, die ein hohes Impftempo aufrechterhalten konnten (vgl. Kapitel 4 im jüngsten Kantonsmonitoring «Die Pandemie als föderale Lernkurve»). Angesichts der beträchtlichen Unterschiede zwischen AG, BE, BL, BS, SH, SO, TI und ZH deutet diese Beobachtung eher darauf hin, dass die Differenzen nicht allein auf die Impfbereitschaft zurückzuführen sind. Vielmehr gelingt es diesen Kantonen besser, das Impfpotenzial in den besonders relevanten Bevölkerungsgruppen auszuschöpfen.

Mit Blick auf die erwartete Ankündigung, wie der Bundesrat in den nächsten Wochen den Krisenmodus verlassen will, scheint die Schweiz demnach auch dank erfolgreichen kantonalen Booster-Kampagnen – etwa in AG, BE, BL, BS, SH, SO, TI und ZH – recht gut gerüstet. Zweifellos wurde die Entkoppelung der Fallzahlen und Hospitalisierungen auch durch die milderen Verläufe der Omikron-Variante begünstigt – ein Umstand, der noch vor kurzer Zeit kaum vorstellbar schien.

*Besonders gefährdete Personen

Zur Gruppe der besonders gefährdeten Personen zählen im Rahmen der Schweizer Impfstrategie Menschen ab 65 Jahren und Erwachsene mit einer chronischen Erkrankung, die im Fall einer Corona-Infektion die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs stark erhöht (z.B. Diabetes, chronische Atemwegserkrankungen). Da schätzungsweise zwei Drittel der Personen mit einer chronischen Vorerkrankung älter als 60 Jahre sind, wird mit dem Fokus auf Über-60-Jährige ein wesentlicher Teil der Risikopersonen miteinbezogen (vgl. Kapitel 4 im jüngsten Kantonsmonitoring «Die Pandemie als föderale Lernkurve»).