Zunehmend verhärtet und ohne Bereitschaft zum gut eidgenössischen Kompromiss findet hierzulande die Auseinandersetzung über die Anpassung der flankierenden Massnahmen statt. Dank den Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung eröffnet, wäre eine Flexibilisierung der starren und bürokratischen Achttageregel angezeigt, was den betrieblichen Bedürfnissen bei der Entsendung von Arbeitnehmenden besser entsprechen würde.

Doch in Zeiten der gewerkschaftlichen Gesprächsverweigerung geht unter, dass auch in der Arbeitsgesetzgebung ein gravierender Anachronismus besteht, der mit den heutigen Arbeitswelten immer weniger in Einklang zu bringen ist. In digitalisierten Dienstleistungsbranchen ist die Tätigkeit in Projektteams Alltag, unterjährige Schwankungen in der Arbeitsbelastung der Normalzustand. Um die individuellen Bedürfnisse von Freizeit, Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, äussern immer mehr Arbeitnehmende den Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten.

Eltern als Gesetzesbrecher

Stattdessen verkommt zum Beispiel der in einem Startup werktätige Vater zum Gesetzesbrecher, wenn er um 16 Uhr die Kinder aus der Kindertagesstätte holt und – nachdem sie im Bett sind – um 21 Uhr nochmals die E-mails checkt und am nächsten Tag um 8 Uhr wieder an der Arbeit ist. Oder der erwerbstätigen Mutter untersagt das geltende Gesetz einen Tag mit ihren Kindern zu verbringen und ihre Vollzeitstelle mit längeren Tagesarbeitszeiten auf vier Wochentage zu konzentrieren.

Kein Wunder, datiert doch das Arbeitsgesetz aus dem Jahr 1964, der Vorentwurf geht sogar auf 1950 zurück. Diese gesetzliche Ausgangslage wurde jedoch mittlerweile von der Realität mehrfach überholt. Das klassische Industriezeitalter gehört der Vergangenheit an, klare Einsatzpläne und Bürozeiten sind immer weniger gefragt, dafür mehr Autonomie, flexiblere Arbeitszeitgestaltung und Raum für Innovationen.

Das Arbeitsgesetz von 1964 ist nicht mehr mit den Realitäten von heute vereinbar. So sind etwa Eltern kleiner Kinder auf flexible Arbeitszeitmodelle angewiesen. (Fotolia)

Um den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachzukommen, drängt sich eine Reform des Arbeitsgesetzes auf. Anstelle starrer wöchentlicher Höchstarbeitszeiten sollen neu Jahreshöchstarbeitszeiten gelten. Auch für die Sonntagsarbeit soll keine Bewilligung erforderlich sein, wenn der Arbeitnehmer diese nach freiem Ermessen erbringt und zum Beispiel einen sonnigen Mittwoch gegen einen verregneten Sonntag tauschen will. Eine Arbeitsgesetzgebung, mit der die neuen Arbeitswelten realistisch abgebildet werden könnten, wird von den Gewerkschaften vehement bekämpft.

Gewerkschaften im Abseits

Es verwundert daher nicht, dass immer weniger Widerhall findet, wer ein Bild vergangener Arbeitswelten in die Gegenwart konservieren will und die digitale Zeitenwende negiert. Entgegen aller medial inszenierten Bedeutung der Gewerkschaften: Tatsache ist, dass die Zahl der gewerkschaftlich Organisierten im Verhältnis zur Anzahl Arbeitnehmender kontinuierlich abnimmt.  Das legitimiert sie deshalb umso weniger, auf dem status quo ante zu beharren.

Dieser Beitrag ist am 11. Oktober 2018 in der «Handelszeitung» erschienen.