«Naiv» ist ein Adjektiv, das Politiker gerne anwenden. So auch diese Woche, als es im Ständerrat darum ging, über die Einführung von neuen behördlichen Kontrollen für Direktinvestitionen aus dem Ausland zu bestimmen. Mehrmals wurde der Freihandel im Investitionsbereich als «naiv» taxiert.

Die Abneigung vieler Ökonomen gegen Investitionskontrollen ist aber alles andere als naiv. Investitionskontrollen vermögen weder die nationale Sicherheit zu erhöhen, noch würden sie den Schweizer Unternehmen und ihren Mitarbeitenden einen Vorteil verschaffen. Neu solle also die Bundesverwaltung und nicht mehr der Verwaltungsrat des betroffenen Unternehmens beurteilen, ob ausländisches Kapital willkommen geheissen wird. Die Konsequenzen sind offensichtlich. Eine staatliche Kontrollbürokratie würde die Investitionstätigkeit in unserem Land drosseln und somit den Investitionsstandort Schweiz – immerhin der sechst grösste der OECD – schwächen. Kurzum: Investitionskontrollen haben ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Mehr Bürokratie bringt keine Sicherheit

Als Instrument der nationalen Sicherheit sind sie völlig ungeeignet. Aus den blossen Besitzverhältnissen lässt sich kein unmittelbares Sicherheitsrisiko ableiten – und folglich auch keine effektive Abwehrstrategie. Vielmehr eröffnen Investitionskontrollen ein neues Feld für amtliche Willkür. Denn ob eine Investition die nationale Sicherheit tangiert oder nicht, liegt dann neu weitgehend im Ermessen der Kontrollbehörde. Klare, transparente Kriterien lassen sich da kaum definieren. Wenn der US-Präsident es will, lassen sich auch Schweineställe im Midwest als kritische Infrastruktur einstufen, und ihre Übernahme durch chinesische Investoren als Risiko für die nationalen Sicherheit darlegen.

In der Schweizer Politik verbreitet sich eine irrationale Angst vor ausländischen Investitionen. Terrakotta-Armee im Mausoleum des chinesischen Kaisers Qín Shǐhuángdì (210 v. Chr.). (Aaron Greenwood, unsplash)

Die Gefährdung der Infrastruktur ist auch ohne die Übernahme der betreffenden Unternehmen möglich, und zwar zu wesentlich günstigeren Konditionen. Als letztes Jahr Hacker in die amerikanische Stromversorgung eindrangen, verschafften sie sich den Zugang durch die schlecht gesicherten Computernetzwerke von einheimischen Zulieferfirmen. Auch leuchtet es nicht ein, inwiefern das ausländische Eigentum an Immobilien, Landwirtschaftsbetrieben oder gar an Schlüsselinfrastrukturen wie einem Flughafen die nationalen Sicherheitsinteressen gefährden können. Letztendlich unterstehen sämtliche Unternehmen in einem Land den gleichen Gesetzen, ungeachtet der Nationalität ihrer Eigentümer.

Schliesslich sind –mit Ausnahme der systemrelevanten Grossbanken – fast sämtliche kritischen Bestandteile unserer Infrastruktur (Energieversorger, Transportunternehmen, elektronische Medien) bereits heute in staatlicher oder staatsnaher Hand. Dennoch bewirtschaften die Befürworter von Investitionskontrollen weiterhin den Mythos der «schrankenlosen» Schweiz. Kritisch sind diese staatlich beherrschten Monopole vor allem für die Schweizer Konsumenten.

Auch nicht im Interesse der Volkswirtschaft

Noch weniger taugen Investitionskontrollen für den Schutz des «nationalen Interesses», beispielsweise zum Erhalt der Beschäftigung oder zur Stützung der Wirtschaft. Ganz im Gegenteil. Die grössten Wachstumsimpulse lieferten in den letzten Jahrzehnten ausgerechnet jene Branchen (Pharma, Grosshandel, Maschinen), die von der grössten Offenheit gegenüber ausländischen Investitionen geprägt waren. Letztere waren der Motor des Strukturwandels. Ausserdem ist der Erhalt von Arbeitsplätzen nicht hinreichend, um die Ablehnung einer geplanten Übernahme zu gerechtfertigten, denn diese Arbeitsplätze müssen auch ein nachhaltig hohes Produktivitätsniveau aufweisen. Nur so können auch gute Löhne bezahlt werden.

Aus dieser Sicht erscheinen Investitionskontrollen – egal in welcher Variante sie in der Schweiz zur Anwendung kämen – bloss als eine weitere Facette einer Politik, die auf eine möglichst lange Verzögerung des Strukturwandels abzielt. Eben, als Facette einer naiven Wirtschaftspolitik.