Die gute Nachricht vorneweg: Das Gröbste scheint überstanden zu sein. Wir haben unser Leben, wie wir es vor Corona kannten, ein Stück weit zurück. Doch lassen wir die letzten Monate Revue passieren merken wir: Über 500 Tage Corona-Pandemie haben ihre Spuren hinterlassen. Mit Einschränkungen zu leben, ist für niemanden einfach. Die Psychologie lehrt uns aber, dass wir abhängig vom Alter eine unterschiedliche subjektive Zeitwahrnehmung haben. Je jünger der Mensch, desto langsamer vergeht die Zeit. Ein verlorenes Jugendjahr wiegt also «mehr» als ein verlorenes Erwachsenenjahr.
Verschobene Jugendjahre
Die Jugend gilt als Verliererin der Covid-19-Krise. Schon vor Corona war deren Ausgangslage nicht die Beste. Der demografische Wandel, die finanziellen Engpässe unserer Sozialwerke, klimatische Herausforderungen und jetzt auch noch eine globale Pandemie führen zu einem wachsenden Schuldenberg. Künftige Generationen müssen die heute geschaffenen Schulden abtragen.
Die Jungen waren aber nicht nur wegen der Schuldenlast überproportional von der Covid-19-Krise betroffen. Sie mussten im Verhältnis zu ihrer normalen Lebensführung die stärksten Einschränkungen auf sich nehmen. Jedes Lehrangebot im überobligatorischen Bereich – ob Berufsbildung oder Studium – fand nur noch im Fernunterricht statt. Studenten- beziehungsweise Ferienjobs gingen verloren. Die adäquate Ausbildung im Betrieb konnte, je nach Branche, nicht mehr im vollen Umfang gewährleistet werden. Teilweise haben Studenten die Hälfte ihres Studiums zu Hause verbracht. Inhaltlich dürften die Semester machbar gewesen sein. Viel schlimmer wiegt die verpasste Chance, neue Menschen kennengelernt zu haben, ein Netzwerk aufzubauen oder Freunde fürs Leben zu finden.
Die Unbeschwertheit der Jugend zeigt sich darin, einen starken Freiheitsdrang zu verspüren, Pläne zu schmieden, sich mit Gleichaltrigen zu treffen und gemeinsam die Welt – oder zumindest Europa – zu entdecken. Durch die verordneten Freiheitsbeschränkungen und die damit einhergehende zunehmende Isolation verwundert es nicht, dass Jugendliche vermehrt von Depressionen betroffen sind. Die Häufigkeit schwerer depressiver Symptome lag im Herbst 2020 bei den 14 bis 24 Jährigen bei 29%.
Resilient in die Zukunft
Doch jede Medaille hat zwei Seiten. In den letzten Monaten lernten die Jugendlichen mit schwierigen Situationen umzugehen, sprich resilient zu werden. In vielen Bereichen wurde die Selbständigkeit gefördert, und oftmals war Kreativität im Lösen von neuen Problemen gefragt. Angesicht der Tatsache, dass das Virus für Jugendliche eine geringere Gefahr darstellt, haben diese eine hohe Solidarität an den Tag gelegt. Im Namen der Generationengerechtigkeit ist es jetzt nur fair, wenn generationenübergreifend alles dafür getan wird, die Schuldenlast der Jungen zu verringern.
Heute, nach einer langen Zeit des Ausharrens, können junge Menschen wieder träumen – von der Freiheit, von der Unbeschwertheit, vom Leben. Doch das nächste Mal dürfen wir nicht vergessen, die Anliegen der Jugend früher und gezielter zu berücksichtigen.
In der Sommerreihe «Corona in Zahlen» beleuchten die jüngeren Forscherinnen und Forscher von Avenir Suisse die Folgen der Pandemie für unterschiedlichste Bereiche unserer Gesellschaft: die Staatsausgaben, den Aussenhandel, Verkehrsfragen, die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, die Gleichstellung – und vieles mehr.