Die Kantonalbanken sind mit der Wirtschaftsgeschichte der Schweiz eng verbunden. Sie nahmen insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wichtige Funktion im damals noch wenig entwickelten helvetischen Finanzsystem wahr und schlossen etwa regionale Kreditlücken für Handwerk und Landwirtschaft. Inzwischen verfügt die Schweiz jedoch über ein hoch entwickeltes, primär von privaten Instituten geprägtes Finanzsystem: So sind in der Schweiz heute rund 240 Banken mit über 2700 Geschäftsstellen tätig.

Dies hat jedoch nicht zu einem Rückzug der Kantonalbanken aus dem Finanzsektor geführt. Im Gegenteil, aufgrund der durch die Digitalisierung geschaffenen Möglichkeiten fischen die Kantonalbanken zusehends auch in ausserkantonalem Wasser und expandieren teilweise aus dem traditionellen Hypothekargeschäft in neue Geschäftszweige wie dem Private Banking. Dies wirft ordnungspolitische Fragen auf, ist aber auch insofern problematisch, als dass viele Kantonalbanken noch immer von Relikten der Vergangenheit wie Staatsgarantien und Steuerbefreiungen profitieren.

Staatsgarantien bergen erhebliche Risiken für den Steuerzahler

Heute sind in der Schweiz 24 Kantonalbanken tätig, von denen aktuell noch 21 über eine Staatsgarantie verfügen; einzig die Kantone Bern, Genf und Waadt gewähren ihren Kantonalbanken seit einigen Jahren keine Staatsgarantie mehr. Kommt es bei einer Kantonalbank mit Staatsgarantie zum Konkurs, muss der entsprechende Kanton für alle nach der Verwertung der Aktiven noch offenen Schulden geradestehen. Die Staatsgarantie stellt für die meisten Kantone somit die grösste Eventualverbindlichkeit dar, können sich doch Haftungsverpflichtungen ergeben, die sich im Extremfall auf ein Mehrfaches ihrer jährlichen Ausgaben belaufen (vgl. Abbildung 1). Zur Illustration: Würde die Appenzeller Kantonalbank z.B. eine Einbusse von 20% auf ihren Vermögenswerten erleiden, müsste der Kanton theoretisch beinahe 5 Jahre auf jegliche Ausgaben verzichten, um seiner Haftungsverpflichtung nachzukommen.

Risiken für die Finanzindustrie bestehen heute gemäss dem Finma-Risikomonitor 2021 etwa aufgrund des Tiefzinsumfelds, von Cyberangriffen oder auch des erschwerten grenzüberschreitenden Marktzugangs. Gleichzeitig wird in jüngerer Zeit wieder vermehrt auf mögliche Korrekturen am Immobilien- und Hypothekarmarkt hingewiesen.

Was eine grössere Immobilienkrise für die traditionell stark im Hypothekargeschäft engagierten Kantonalbanken bedeuten kann, mussten in den 1990er Jahren verschiedene Kantone schmerzhaft erfahren: Die Berner Kantonalbank (BEKB) etwa musste damals faule Kredite im Umfang von 6,5 Mrd. Fr. in eine Auffanggesellschaft – eine sogenannte «Bad Bank» – ausgliedern. Deren Tätigkeit endete 2002 mit einem Gesamtverlust von 2,6 Mrd. Fr., wobei der Kanton rund 1,5 Mrd. Fr. über die Staatsgarantie decken musste. Als Folge dieses Debakels wurde die Staatsgarantie für die BEKB im Kanton Bern abgeschafft.

Auch in den Kantonen Genf und Waadt wurde die Staatsgarantie aufgehoben, nachdem die entsprechenden Kantonalbanken staatliche Hilfe in Anspruch nehmen mussten. Nicht gerettet werden konnten hingegen die Solothurner und Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank, weil dies die finanziellen Möglichkeiten der entsprechenden Eignerkantone schlicht überfordert hätte. Erstere musste an den damaligen Schweizerischen Bankverein veräussert werden, zweitere übernahm die Schweizerische Bankgesellschaft.

Staatsgarantien verzerren den Wettbewerb

Neben den Haftungsrisiken der Kantone, die letztlich vom Steuerzahler zu tragen sind, haben aber Staatsgarantien auch das Potenzial, den Wettbewerb zu verzerren. So kann das Wissen darum, den Staat im Notfall als Retter im Rücken zu haben, – bewusst oder unbewusst – die Risikoneigung im Alltagsgeschäft erhöhen. Zudem stellt eine Staatsgarantie einen geldwerten Vorteil auf dem Kapitalmarkt dar, was sich etwa in den Ratings von Agenturen wie Standard & Poor’s (S&P) spiegelt.

Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) wurde beispielsweise 2021 von S&P mit einem «AAA»-Rating ausgezeichnet. Dieses Rating berücksichtigt jedoch unter anderem die bestehende Staatsgarantie. Das sogenannte «Stand-alone Rating» – also das Rating ohne Berücksichtigung der Staatsgarantie – wird hingegen um drei Stufen tiefer mit «aa-» eingeschätzt. In diesem Sinn kann eine Staatsgarantie eine (indirekte) staatliche Subvention darstellen, die den Wettbewerb verzerrt. Nur falls für die Staatsgarantie eine risikogerechte Abgeltung verlangt wird (ähnlich einer Versicherungsprämie), sind keine wettbewerbsverzerrenden Effekte zu befürchten.

Solche Überlegungen scheinen jedoch nur in den Kantonen Glarus und Zürich eine Rolle bei der Abgeltung für die Staatsgarantie zu spielen. In den meisten anderen Kantonen wird die Abgeltung schlicht als Prozentsatz der erforderlichen Eigenmittel bestimmt, einige wenige Kantone kennen auch Modelle, in denen die anfallende Entschädigung vom Jahresgewinn abhängig gemacht wird. Gemeinsam ist diesen Abgeltungsmodellen, dass der klare Bezug zu den mit einer Staatsgarantie einhergehenden Vorteilen und den von den Kantonen getragenen Risiken fehlt. In den meisten Kantonen werden die Abgeltungen schlicht als willkommener finanzieller «Zustupf» zu den Kantonsfinanzen gesehen. Und noch immer gibt es mit dem Tessin auch einen Kanton, der von seiner Kantonalbank überhaupt keine Abgeltungen für die Staatsgarantie verlangt.

Anachronistische Steuerprivilegien für Kantonalbanken

Wettbewerbsverzerrungen bewirken aber nicht nur Staatsgarantien, sondern auch Steuerprivilegien, von denen viele Kantonalbanken noch heute profitieren. So sind aktuell 15 der 24 Kantonalbanken als öffentlich-rechtliche Anstalt konstituiert und somit von der direkten Bundessteuer ausgenommen. Ob Kantons- und Gemeindesteuern fällig werden, bestimmt dagegen nicht die Rechtsform, sondern das kantonale Recht. Insgesamt sind zwölf Kantonalbanken vollständig und weitere vier teilweise steuerbefreit. Nur acht Kantonalbanken zahlen regulär Steuern auf allen Ebenen und spielen somit nach denselben steuerlichen Regeln wir ihre privatwirtschaftliche Konkurrenz (vgl. Abbildung 2). Dass solche Steuerprivilegien zu Wettbewerbsvorteilen führen, ist unbestritten und wurde 2014 auch vom Bundesrat festgehalten: «In der Steuerbefreiung der betreffenden Kantonalbanken kann ein gewisser Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Banken erblickt werden».

Privilegien lassen sich nicht rechtfertigen

Oftmals wird zur Rechtfertigung der Privilegien der Kantonalbanken darauf hingewiesen, dass diese im Gegenzug einen Leistungsauftrag zu erfüllen hätten. Die Leistungsaufträge der einzelnen Kantonalbanken unterscheiden sich jedoch stark in Umfang und Detaillierungsgrad. Auffallend oft beschränken sie sich auf interpretationsbedürftige Formulierungen wie «Die Bank fördert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Kantons und befriedigt die Finanzbedürfnisse der Bevölkerung». Ein klarer monetärer Wert der aufgrund solcher Leistungsaufträge erbrachten (Mehr-) Leistungen lässt sich auf jeden Fall nicht ermitteln. Davon, dass der Wert der den Kantonalbanken gewährten Privilegien gerade die durch die Leistungsaufträge verursachten Mehrkosten aufwiegt, kann nicht ausgegangen werden.

Anzustreben wäre deshalb eine möglichst wettbewerbsneutrale Lösung. Der «sauberste» Weg zur Erreichung dieses Ziels würde darin bestehen, einerseits jegliche Privilegien für die Kantonalbanken abzuschaffen, eine Forderung, die auch regelmässig von der  OECD und der EU erhoben wird. Andererseits sollten diejenigen Finanzdienstleistungen, die der Staat der Bevölkerung gerne zur Verfügung stellen würde, jedoch nicht oder nicht in der gewünschten Qualität vom Markt bereitgestellt werden, identifiziert und in einem Leistungsauftrag schriftlich festgehalten werden. Um einen möglichst sparsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln sicherzustellen, wäre der Leistungsauftrag sodann auszuschreiben und an jene Institutionen zu vergeben, die ihn am kostengünstigsten erbringen können.

Mehr zum Thema findet sich in den folgenden Avenir-Suisse-Publikationen: «Das Märchen vom Tafelsilber» und «Die Schweiz – das Land der Subventionen».

Sommerserie: Vergessene Reformen – Reformen zum Vergessen

In unserer diesjährigen Sommerserie erinnern wir an überfällige Reformen, die im politischen Prozess hängengeblieben sind – vergessene Reformen. Wir zeigen auf, wo und warum Avenir Suisse Erneuerungsbedarf ermittelt hat. Anderseits schwirren in der öffentlichen Diskussion auch immer wieder Vorschläge herum, die bisher zurecht nicht umgesetzt wurden. Wir erklären, weshalb es sich dabei um Ideen handelt, die möglichst schnell zu vergessen sind.