Spielen die Kosten der externen Kinderbetreuung kaum eine Rolle für das Erwerbsverhalten der Eltern, insbesondere der Mütter? Dies soll eine Masterarbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz aufgedeckt haben. Laut Medien würde sie damit der herrschenden Meinung von Politik und Wissenschaft widersprechen. Auch könnten die brachliegenden Arbeitsressourcen von gut qualifizierten, erwerbslosen Müttern durch tiefere Krippentarife und weitere finanzielle Anreize nicht mobilisiert werden.

Alles starker Tabak – und nüchtern betrachtet, gar etwas reisserisch. Zahlreiche Analysen habe bereits gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Krippentarifen und Arbeitsangebot nicht so eindeutig ist, wie von manchen behauptet – und zwar gerade weil die Eltern auf finanzielle Anreize reagieren, die falsch gesetzt sind. Dazu drei Beispiele:

  • Regulierung: Höhere Subventionen sind meistens mit staatlichen Auflagen für Krippen verbunden. Die zusätzlichen Mittel werden nicht nur zur Ausdehnung des Krippenangebots eingesetzt, sondern zu «Qualitätsverbesserungen» – was oft höheren Löhnen für das Personal gleichkommt.
  • Mitnahmeeffekte: Mütter, die bereits das Angebot einer Kita oder eines Hortes nutzen, erhalten dank einer höheren Subvention indirekt eine Lohnerhöhung, die sie dazu bringen kann, ihr Arbeitspensum zu reduzieren. Dieser Effekt ist bei tieferen Löhnen ausgeprägter.
  • Verdrängung der informellen Betreuung: Stärker subventionierte Krippen können die Attraktivität der nichtinstitutionellen Betreuung reduzieren, sprich durch Grosseltern, Geschwister oder Bekannte. Tiefere Krippentarife gehen also nicht notwendigerweise mit einer Erhöhung der Arbeitspensen einher, sondern auch mit dem Ersatz einer Betreuungsform durch eine andere.
Unregelmässige Unterrichtsstunden in Kindergarten und Volksschulen verursachen einen grossen familiären Koordinationsaufwand. (Foto Avenir Suisse)

Unregelmässige Unterrichtsstunden in Kindergarten und Volksschulen verursachen einen grossen familiären Koordinationsaufwand. (Foto Avenir Suisse)

Damit geht aber nur ein Teil der potenziellen Beschäftigungseffekte verloren. Zahlreiche empirische Untersuchungen, welche sich nicht nur mit Umfragen begnügen, sondern handfestes Verhalten der Eltern beobachteten, bestätigen einen zwar geringen, jedoch positiven Arbeitsangebotseffekt. Subventionen sind effektiver, wenn das bestehende Versorgungsniveau vergleichsweise tief ist, etwa ausserhalb der Grosszentren. Eine Schätzung von Avenir Suisse legt nahe, dass eine Reduktion der effektiven Betreuungspreise von 10% das Arbeitsangebot der Mütter mit Kleinkindern in der Schweiz um 2% erhöhen könnte. Dies entspricht einer Zunahme im Umfang von 3300 Vollzeitstellen – nicht enorm, aber spürbar. Eine sanfte Deregulierung des Betreuungsmarktes oder die Einführung von Betreuungsgutscheine könnte auch dazu beitragen.

Einiges spricht zudem dafür, dass die Beschäftigungseffekte der schulergänzenden Betreuung grösser sind. Denn Tagesstrukturen, also etwa Mittagstische und Betreuungsmöglichkeiten nach der Schule, sind dünner gesät als Krippenplätze. Unregelmässige Unterrichtsstunden in Kindergarten und Volksschulen verursachen einen grossen familiären Koordinationsaufwand. Vor kurzem fand eine ökonometrische Analyse der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit dem Beratungsbüro Infras entsprechend starke Effekte der schulergänzenden Betreuung auf den Beschäftigungsgrad von Müttern. Doch die Schlagzeilen von damals scheinen bereits vergessen zu sein.

Dieser Beitrag ist am 6. September 2016 im Politblog des Newsnet erschienen.