Ein glückliches Land, das sich die Zeit nimmt, die genaue Zahl der Kaninchen zu ermitteln (2018 waren es gemäss Agristat genau 1998) oder die Anzahl der Hektaren zu zählen, auf denen Aprikosenbäume als Dauerkulturen gedeihen (2018: 739 ha). Bei vielen anderen, volkswirtschaftlich relevanteren Daten, z.B. im Bereich der Aussenwirtschaft, tappt man dafür im Dunklen.

Dieses Missverhältnis ist der hohen Dichte der schweizerischen Agrarregulierung geschuldet: Geschätzte 4000 Seiten Gesetze und Verordnungen (Dümmler und Roten 2018) legen im Detail fest, was wie zu tun ist und welche öffentlichen Gelder dafür ausgeschüttet werden. Dafür werden von einem eifrigen Heer an Beamten Formulare entworfen und von den Landwirten (meist) gehorsam bis auf das letzte Kaninchen und den letzten Aprikosenbaum ausgefüllt. Die Eingaben werden dann wiederum von anderen Beamten gewissenhaft kontrolliert. Die «Agrarbürokratie» lebt: Auf Bundesebene betragen die Ausgaben dafür 52 Mio. Fr., hinzu addieren sich der Vollzug und die Kontrolle durch die Agroscope ebenfalls 52 Mio. Fr. (2017; BLW 2018). Auf kantonaler und kommunaler Ebene beträgt der ausgewiesene Personalaufwand 150 Mio. Fr. (2017; EFV 2019). Insgesamt kann der Verwaltungsaufwand der Agrarpolitik mit über 250 Mio. Fr. beziffert werden.

Die Analyse der Kantonszahlen zeigt, dass die Beamtendichte sehr unterschiedlich ist (Dümmler und Bonato 2020). Am grosszügigsten zeigt sich der Kanton Genf: Er setzt mit 8,3% einer Vollzeitstelle in der Verwaltung mehr als viermal so viele Personalressourcen pro landwirtschaftlichem Betrieb ein wie im Schweizer Median (2,0%). Kantone wie St. Gallen (0,5%) oder Luzern (0,8%) verdeutlichen, dass auch eine weitaus niedrigere Anzahl Stellenprozente in der Verwaltung ausreicht, um die Landwirtschaftspolitik umzusetzen. Der Spitzenreiter St. Gallen benötigt rund zehnmal weniger Personal bei der Betreuung und Kontrolle der Betriebe als der zweitletzte Kanton Wallis (vgl. Abbildung).

Die grossen Unterschiede zwischen den Kantonen lassen Sparpotenzial erkennen. Es ist zu überprüfen, ob insbesondere die Kantone Genf, Wallis, Zürich, Tessin, Graubünden, Waadt, Neuenburg, Solothurn, und Schaffhausen tatsächlich so viele Agrarbeamte benötigen wie hier anhand des Personalaufwands errechnet. Die Abläufe und internen Vorgaben der Verwaltung sollten kritisch überprüft werden. Denn es besteht die Gefahr, dass mehr Beamte den bereits beträchtlichen Administrationsaufwand der Landwirte in den betroffenen Kantonen zusätzlich erhöhen. Die Bürokratie sucht und findet nach dem britischen Soziologen Parkinson ihre Beschäftigung.

Anstatt die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe mit Tausenden von Seiten auszubremsen, sollten die Bauern administrativ entlastet werden. Dies erhöht den Freiraum und stärkt letztlich das Unternehmertum. Eine produktive und wertschöpfungsstarke Agrarwirtschaft ist an mehreren Orten in der Schweiz möglich. Eine administrative Entlastung der Landwirtschaft würde auch den Abbau der überdimensionierten Agrarbürokratie in einzelnen Kantonen zulassen. Es ist nicht einsichtig, weshalb einzelne Kantone – bezogen auf die Anzahl Höfe – ein Mehrfaches an Beamten einsetzen müssen, um die eidgenössische Agrarpolitik zu vollziehen, während andere mit minimalen Ressourcen auskommen. Der Verwaltungsaufwand über alle staatlichen Ebenen ist mittelfristig substanziell im zweistelligen Prozentbereich zu reduzieren; keine andere Branche der Schweizer Volkswirtschaft sieht sich einem derart umfangreichen Beamtenheer ausgesetzt.

Weiterführende Informationen: «Kantonale Agrarpolitik auf dem Prüfstand»