In der Service-public-Debatte verharrt die Schweizer Politik im letzten Jahrhundert. So werden etwa Schliessungen von Poststellen mit Standesinitiativen bekämpft. Die Postfiliale im Quartier gilt in der lokalen Politik als identitätsstiftend und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt als unabdingbar.

Im Namen des Service public

Bargeldeinzahlungen am Postschalter sollen auch im Jahr 2019 noch zur Grundversorgung gehören, obwohl der bargeldlose Zahlungsverkehr und E-Banking längst im realen Alltag angekommen sind. Im Namen des Service public wird ein breites mediales Angebot erstellt, das von den stündlichen, professionell aufgemachten Radionachrichten über das boulvardeske «Glanz & Gloria» mit servilen TV-Reportagen über die einheimische Cervelat-Prominenz bis zum «Guetnachtgschichtli» reicht. Mittlerweile liegt das Durchschnittsalter des SRF 1-Konsumenten bei 60,8 Jahren, die für Kinder produzierten Märlistunden des «Guetnachtgschichtli» weisen einen stolzen Zuschauer-Altersdurschnitt von 40,4 Jahren aus.

Durchschnittsalter des «Guetnachtgschichtli»-Zuschauers: 40,4 Jahre. (Ludovic Toinel, unsplash)

Offensichtlich begeistern sich jüngere Generationen mehr für Netflix-Serien und hören ihre Musik anstelle auf SRF Virus lieber via die wachsende Zahl von Streaming-Angeboten. Es ist augenscheinlich: Der Graben zwischen dem zunehmend am digitalen Angebot ausgerichteten Kundenverhalten von Herr und Frau Schweizer und dem politisch definierten Versorgungsauftrag an die Adresse der diversen Service-public-Anbieter öffnet sich zunehmend.

Facebook als Briefträger

Doch der technologische Wandel macht weder vor dem Postschalter noch dem Briefträger halt. Das Volumen der versandten Briefe sinkt jährlich bis zu 5 Prozent, die digitalisierte Kommunikation mit E-Mail, Twitter oder Whatsapp schreitet dagegen unaufhaltsam voran. Infolge der E-Substitution sind heute die Konkurrenten der Schweizerischen Post globale Konzerne wie Google oder Facebook.  Dennoch hält die einheimische Politik an einem umfassenden Grundversorgungsauftrag fest. Regionalpolitische Interessen werden höher gewichtet als betriebliche Notwendigkeiten. Die Folge: Die Schweiz leistet sich im Postsektor eine Grundversorgung, die bis zu 400 Millionen Franken pro Jahr kostet. Seit Jahren schreibt die Post beim Poststellennetz Verluste, alleine 94 Millionen im 2018.

Statt aber den Grundversorgungsauftrag an die realen Marktentwicklungen und das gelebte Kundenverhalten anzupassen, werden nach wie vor Vorstösse und Initiativen lanciert, die einen Erhalt oder gar einen Ausbau postulieren. Das Nachsehen haben die Verantwortlichen der staatlichen oder staatsnahen Betriebe, die eine im internationalen Vergleich oft einzigartige «Service-public-Luxusversorgung» verantworten müssen, die immer kostspieliger und betrieblich unrentabler wird. Die Frage ist, ob dafür nicht am Schluss der Steuerzahler die Zeche zahlen muss. Die Risiken trägt er schon heute mit.

Dieser Beitrag ist am 4.4.2019 in der «Handelszeitung» erschienen.