An einer Frühstücksveranstaltung in Zürich betonte der US-amerikanische Finanzwissenschafter Laurence Kotlikoff die Dringlichkeit fundamentaler Steuerreformen. Neben einschneidenden Reformen der Altersvorsorge, die im Wesentlichen der Individualvorsorge eine grössere Rolle geben, sieht Kotlikoff in seinem «Purple Tax Plan» für die USA einen Übergang zu einer erweiterten Konsumbesteuerung vor.
Laurence Kotlikoff bekennt gerne Farbe, und zwar die Farbe violett. «Purple Tax Plan» heisst sein Vorschlag für eine fundamentale Reform des US-amerikanischen Steuersystems, den er am letzten Montag auf Einladung von Avenir Suisse und dem «Council on Economic Policies» in Zürich präsentierte.
Eine andere Steuerbasis als das Einkommen
Gemäss Kotlikoff, Ökonomieprofessor an der Boston University – laut dem britischen Magazin «The Economist» einer der weltweit 25 einflussreichsten Ökonomen der Welt –, stellt der violette Steuerplan einen Kompromiss zwischen den «roten» und «blauen» Idealen dar. (In den USA werden diese Farben traditionell mit der republikanischen und der demokratischen Partei assoziiert). Und hier endet seine Kompromissbereitschaft auch schon wieder – der «Purple Plan» ist nämlich alles andere als moderat.
Unzimperlich geht Kotlikoff mit dem gegenwärtigen Steuersystem um. Dieses sei nicht nur unnötig kompliziert, widersprüchlich und intransparent; es würde auch die Anreize zum Arbeiten und Sparen massiv verzerren und die Steuermittel ineffizient umverteilen. Der Hauptgrund liege in der Wahl der Steuerbasis – dem Einkommen –, die er für denkbar ungünstig hält. Einkommen zu besteuern, heisse auch, die Erträge aus Ersparnissen (wiederholt) zu belasten. Damit werden sofortiger Konsum und Verschuldung bevorzugt und ein Leben auf Pump steuerlich subventioniert.
Eine höhere Sparquote wünscht sich Kotlikoff nicht zuletzt, weil die Sozialversicherungssysteme bereits allzu grosszügige Versprechen eingegangen sind, die sie in der Zukunft nicht einhalten werden können. Auf sage und schreibe 210 Bio. $ schätzt er die implizite Gesamtverschuldung der USA – das Zwölffache des Bruttoinlandprodukts. Nur ein Bruchteil davon (13 Bio. $) wird als Staatschulden explizit ausgewiesen. Die restlichen knapp 200 Bio. $ bilden sich aus nicht-bilanzierten, versprochenen Leistungen, in erster Linie aus den zu erwartenden Mehrkosten der Alterspflege. Für Kotlikoff kommt diese Verschuldung einem eigentlichen Krieg gegen die künftigen Generationen gleich.
Neben einschneidenden Reformen der Altersvorsorge, die im Wesentlichen der Individualvorsorge eine grössere Rolle geben, sieht Kotlikoffs Plan einen Übergang zu einer erweiterten Konsumbesteuerung mit folgenden Schwerpunkten vor:
- Die Einführung einer Umsatz- oder Mehrwertsteuer von 15% auf Bundesebene. Gegenwärtig wird die «sales tax» nur auf Gliedstaatenebene erhoben. Diese neue Gütersteuer würde im Gegenzug die Bundeseinkommenssteuer ersetzen. In gewöhnlicher US-amerikanischer Manier wäre sie auf dem weltweiten Konsum von US-Bürgern fällig.
- Die Erhöhung und gleichzeitige Deplafonierung der Sozialversicherungsbeiträge. Im Unterschied zur Schweiz sind in den USA Löhne nur bis 118‘500 $ sozialversicherungspflichtig; wer mehr verdient, zahlt gleich hohe Lohnbeiträge. Zur Bewahrung der Steuerprogression würde diese Deckelung wegfallen.
- Der Ersatz der Unternehmensgewinnsteuer durch eine moderate Erbschaftssteuer.
Nur bedingt in der Schweiz anwendbar
Wie ist Kotlikoffs Plan aus Schweizer Sicht zu beurteilen? Die hiesige Ausgangssituation ist nicht gänzlich vergleichbar. Zwar ist auch in der Schweiz eine grössere Lücke in der Altersvorsorge auszumachen. Eine Studie der UBS schätzte sie unlängst auf 160% des BIP. Im internationalen Vergleich erscheint sie jedoch als verkraftbar – wenn auch nicht ohne Reformen.
Aber auch unser Steuersystem bevorzugt übermässig das Einkommen als Steuerbasis. Damit wird, wie von Kotlikoff kritisiert, das sofortige Konsumieren und Verschulden gegenüber dem Sparen begünstigt. Statt der vollständigen – und freilich politisch undenkbaren – Aufgabe der Einkommensbesteuerung bestünde eine mildere Reform darin, «lediglich» eine höhere Konsumorientierung des Steuersystems einzufordern. Ein erster Schritt könnte die Abschaffung der Zinsabzugsfähigkeit der Schulden (im Wesentlichen der Hypothekarschulden) bei gleichzeitiger Steuerbefreiung des Zinseinkommens sein. Weitere Vorstösse in diese Richtung hat Avenir Suisse an anderer Stelle gemacht. Die groben Linien des «Purple Tax Plan» sind also für die Schweiz von Interesse. Wohl aber mit einer anderen Farbe.