Befürworter der Begrenzungsinitiative sehen wegen der Personenfreizügigkeit den Wohlstand gefährdet: Sie führe zu höheren Sozialkosten und steigender Kriminalität. Mit einer eigens erstellten Studie ausländischer (sic!) Ökonomen wird in den letzten Wochen vor der Volksabstimmung der Versuch unternommen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der PFZ gemeinhin überschätzt werden. Um zu dieser Aussage zu gelangen, zimmert man sich u.a. methodisch fragwürdige Vergleichsperioden zurecht.

Die Auffassung der Initianten steht diametral zur Haltung des Bundesrats, der grossen Mehrheit des Parlaments und der Wirtschaftsverbände. Gemäss Bundesrat stellt die Initiative die stabilen Beziehungen der Schweiz zu ihrer wichtigsten Partnerin, der EU in Frage. Damit würden Arbeitsplätze und Wohlstand aufs Spiel gesetzt – und das angesichts von Covid-19 in einer Zeit grosser wirtschaftlicher Unsicherheiten.

Tatsächlich ist die wirtschaftspolitische Experimentierlust der Anhänger der Begrenzungsinitiative im Zuge der Corona-Pandemie gross. Die derzeitigen wirtschaftlichen Verwerfungen sind ausserordentlich. Laut Staatssekretariat für Wirtschaft waren Ende Juli 2020 rund 150’000 Arbeitslose bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Arbeitslosigkeit um 53 Prozent.

Gewichtige exportorientierte Branchen wie die Uhren- und Maschinenindustrie vermelden nach wie vor steigende Arbeitslosigkeit. Unklar ist, wie viele Personen aus der Kurzarbeit definitiv an ihre angestammte Tätigkeit zurückfinden werden. Im Mai waren immer noch rund 890’000 Personen davon betroffen. Für 2020 wird der stärkste Rückgang des BIP seit Jahrzehnten erwartet. Im pessimistischen Prognoseszenario rechnen Ökonomen mit einer länger andauernden Rezession.

Die Kündigung der Personenfreizügigkeit ist ein gefährlicher Hochseilakt mit ungewissem Ausgang. (Loic Leray, Unsplash)

Die Begrenzungsinitiative ist damit ein wirtschaftspolitisches Hochrisikospiel. Eine verstärkte Administrierung der Arbeitsmigration neu durch die Bundesbehörden mit einem zentralen Kontingentsregime anstelle der arbeitsmarktgetriebenen Freizügigkeit wäre aus liberaler Sicht eine äusserst trübe Perspektive.

Unser Land, dessen überdurchschnittlicher Wohlstand vom Export bestimmt wird, ist auf offene Märkte angewiesen. Der Zugang zum EU-Binnenmarkt ist für die Schweiz gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten essenziell. Analysiert man die Datenlage, ergibt ein Verzicht auf die PFZ aus Sicht des Arbeitsmarkts, der Sozialversicherungen und der Sicherheit keinen Sinn. Das gesamtwirtschaftliche Einkommen wie auch das BIP pro Kopf konnten seit der Einführung der Freizügigkeitsregel gesteigert werden. Die Zuwanderung durch die Personenfreizügigkeit wirkt überwiegend komplementär und dämpft den chronischen Fachkräftemangel auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. In der Summe zeigt sich eine positive Bilanz der PFZ für das Schweizer Sozialversicherungssystem, vorab in der Altersvorsorge.

Und übrigens: Seit Inkrafttreten der PFZ ist die Schweiz sicherer geworden: Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung ist gemäss der letzten Umfrage auf einem ausserordentlich hohen Niveau.

Dieser Beitrag ist am 20.8.2020 in der «Handelszeitung» erschienen.