Privatisierungen dienen der Begrenzung finanzieller Risiken für die Steuerzahler, der Vermeidung von Interessenskonflikten, die mit der Mehrfachrolle des Staates als Eigentümer, Kunde und Regulator von Staatsunternehmen einhergeht, und nicht zuletzt auch der Verhinderung von Marktverzerrungen zuungunsten privater Anbieter (vgl. «Privatisierungen sind kein Selbstzweck»).

Um unerwünschten Effekten von staatlicher Tätigkeit vorzubeugen, ist eine Bereinigung der Beteiligungsportfolios des Bundes und der Kantone überfällig. In einem ersten Schritt sollte das Augenmerk auf Staatsunternehmen gelegt werden, die in wettbewerblich organisierten Märkten tätig sind: Privatisierungen in durch private Leistungserbringung gekennzeichneten Märkten können ohne grosse Begleitmassnahmen vorgenommen werden, da kein Marktversagen besteht, das (allenfalls) als Begründung für ein staatliches Engagement herangezogen werden könnte. Zu nennen ist etwa die Finanzbranche, aber auch die Telekom- oder IT-Branche, in denen der Staat typischerweise in direkter Konkurrenz zu privaten Anbietern steht.

Ein angenehmer Nebeneffekt der Veräusserung von Staatsunternehmen wäre, dass dabei Privatisierungserträge für das Gemeinwesen anfallen. Ende 2015 besass der Bund zum Beispiel noch einen Anteil von 51% der Swisscom-Aktien, was ihm bei einem Verkauf einen Privatisierungserlös von gut 13,3 Mrd. Fr. beschert hätte. Auch der Verkauf der Kantonalbanken würde in vielen Fällen Milliardenbeträge in die Kantonskassen spülen (vgl. Abbildung). So war die Zürcher Kantonalbank (ZKB) Ende 2015 rund 13 Mrd. Fr. wert, während die Marktkapitalisierung der Banque Cantonale du Jura (BCJ) 184 Mio. Fr. betrug.

Im Durchschnitt belief sich die Kapitalisierung der Kantonalbanken auf gut 2 Mrd. Fr. und summierte sich insgesamt auf einen geschätzten Wert von beinahe 50 Mrd. Fr. Durch Privatisierungen könnten also erhebliche Beträge in die Staatskasse fliessen. Gerade deshalb ist es wichtig, schon vorab festzulegen, was mit den anfallenden Geld geschehen soll. Grundsätzlich kommen vier Verwendungszwecke in Frage:

  1. Zweckbindung für konkrete Projekte: Von einer Zweckbindung von Privatisierungserlösen für einzelne Projekte ist abzuraten, denn das politische Gerangel um die Verwendung wäre programmiert. Zu gross wäre die Gefahr von unproduktiven Verteilungskämpfen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, politischem Lobbying für Partikularinteressen und letztlich faulen Kompromissen. Wird das Geld etwa zur Finanzierung von Infrastruktur- oder Forschungsprojekten verwendet – ein Bereich, in dem in der Schweiz kein offensichtlicher Investitionsnotstand besteht –, drohen Mitnahme- und Verdrängungseffekte. Werden Privatisierungserlöse hingegen dazu eingesetzt, Finanzierungslücken in den Sozialwerken (z.B. in der AHV) oder dem Gesundheitswesen zu decken, würde dies höchstwahrscheinlich einfach zu einer Verschleppung dringender Reformen führen.
  2. Schuldenabbau: Attraktiv erscheint – zumindest auf den ersten Blick – eine Zweckbindung von Privatisierungserlösen für den Schuldenabbau. So betrugen die Schulden des Bundes Ende 2014 rund 108 Mrd. Fr. Nur schon durch eine Veräusserung der Swisscom-Beteiligung könnte der Bund seine Schulden folglich um 12,8% senken. Ein Schuldenabbau drängt sich in der Schweiz aber nicht auf. Auf Bundesebene sowie auch in vielen Kantonen konnte nicht zuletzt dank den eingeführten Schuldenbremsen der Staatshaushalt einigermassen im Lot gehalten werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in der Schweiz kein Spar- und Reformdruck besteht. Es drohen namentlich bei den Sozialwerken Finanzierungslücken im Umfang von Hunderten von Milliarden Franken.
  3. Äufnung von Staatsfonds: Staatsfonds, wie sie heute weltweit in rund zwanzig Ländern existieren, weisen gegenüber direkten Finanzbeteiligungen gewisse Vorteile auf. So können beispielsweise mittels einer diversifizierten Anlagestrategie Klumpenrisiken in den staatlichen Beteiligungsportfolios eliminiert werden. Dadurch dürfte letztlich auch der Ertragsstrom verstetigt werden, hängen die Ausschüttungen zuhanden des Staatshaushalts doch nicht mehr von der Performance einer einzelnen Unternehmung ab. Nicht anders als bei einer direkten Zweckbindung von Privatisierungserlösen stellt sich aber auch bei einer Staatsfondslösung die Frage nach dem Verwendungszweck der erwirtschafteten Gelder – auch in diesem Fall ist davon auszugehen, dass Verteilungskämpfe ausbrächen und das politische Lobbying Blüten triebe. Staatsfonds sollten also höchstens als (mittelfristige) Übergangslösungen betrachtet werden, die eine geordnete Abwicklung von staatlichen Unternehmen und Beteiligungen erlauben.
  1. Steuersenkungen und «Volksaktien»: Die beste Lösung, um unliebsame Verteilungskämpfe und Interessenskonflikte zu vermeiden, wäre aber, Privatisierungserlöse direkt an die Bevölkerung auszuschütten. Geklärt werden müsste vorab, wer genau in den Genuss einer Ausschüttung kommen soll. Denkbar wäre, die Gesamtheit aller Steuerzahlenden oder die ständige Wohnbevölkerung zu berücksichtigen. Im Falle der Veräusserung von nicht kotierten Staatsunternehmen wären Privatisierungserlöse der Einfachheit halber über Steuergutschriften an die Bevölkerung weiterzugeben. Betrifft eine Privatisierung hingegen ein kotiertes Unternehmen, könnte den Bezugsberechtigten die Wahl gelassen werden, ob sie ihren Privatisierungserlös in Form einer Steuergutschrift oder von Aktien beziehen wollen.

Was es bedeuten würde, Privatisierungserlöse direkt an die Bevölkerung zu verteilen, kann anhand der folgenden zwei Beispiele verdeutlicht werden. Wären die Kantonalbanken Ende 2015 zu den oben geschätzten Werten verkauft worden (vgl. Abbildung), hätte etwa jedem Bündner Haushalt ein einmaliger Steuerabzug in der Höhe von 19’000 Fr. pro Person zugestanden. Auch die Einwohner von Appenzell Innerrhoden, Basel-Stadt und Schaffhausen hätten je von einer Steuerersparnis von über 10’000 Fr. profitiert. Auf nur rund 1000 Fr. hätten sich hingegen die Steuergutschriften für die Berner und Genfer belaufen. Im Falle einer Veräusserung der Swisscom Ende 2015 wäre die Schweizer Wohnbevölkerung entweder in den Genuss einer Steuergutschrift von 1600 Fr. oder von drei Swisscom-Aktien pro Person gekommen.

Weitergehende Informationen zum Thema finden Sie im avenir debatte «Das Märchen vom Tafelsilber».