Die Bedeutung des industriellen Sektors ist für den gesamten Wirtschaftsstandort Schweiz nicht mehr die gleiche wie in den 1970er Jahren. Wirft man aber einen Blick auf die letzten 25 Jahre, ergibt sich ein stabiles und positives Bild. Die Zahl der Beschäftigten ist bei rund 730 000 gleichgeblieben, während die Wertschöpfung deutlich stieg. Im gleichen Zeitraum konnten die Exporte verdoppelt werden.

Es zeigt sich eine Tendenz zur Spezialisierung auf eine kleine Gruppe von Industriesektoren mit hoher Wertschöpfung: Von zehn 2019 durch die Industrie erwirtschafteten Franken stammten vier aus zwei Branchen: der Pharmaindustrie sowie der Uhren- und Elektronikindustrie – doppelt so viel wie 1997.

Starke regionale und sektorielle Unterschiede

Eine neue Studie von Avenir Suisse zur Schweizer Industrie analysiert die grossen regionalen und branchenspezifischen Unterschiede, die sich hinter den Durchschnittswerten verbergen. So ist etwa die Zahl der Stellen im sekundären Sektor in den Kantonen Jura und Neuenburg sowohl absolut wie auch im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigung gestiegen. Entgegen dem europäischen und nationalen Trend hat sich der Jurabogen sogar re-industrialisiert, wobei das Wachstum im zweiten Sektor jenes im Dienst­leistungssektor übersteigt (+25% Beschäftigung 2005–2018 für NE, +27% für JU). Die Pharma-, die Uhren- und die Lebensmittelindustrien haben stellen- und wertmässig in der ganzen Schweiz zugelegt.

Von diesem Wachstum profitierten vor allem Grenzkantone. Hingegen musste die Papier- und Druck­industrie Einbussen hinnehmen, besonders im Kanton Zürich (–5000 Arbeitsplätze in 13 Jahren, was einem Viertel des gesamtschweizerischen Rückgangs entspricht).

Positiver Strukturwandel

Der Kanton Basel-Stadt zeigt exemplarisch, dass der Strukturwandel mitunter eine sehr positive Dynamik aufweist. In etwas mehr als einem Jahrzehnt sind zwar in der chemischen Industrie 2500 Arbeitsplätze verschwunden, zugleich aber 5000 neue in der Pharmaindustrie entstanden.

Statt eines Anstiegs der Arbeitslosigkeit hat eine Umschichtung der Stellen stattgefunden. Die öffentlich oft befürchtete Auslagerung der «Werkbank» Schweiz ins Ausland hat sich nicht bewahrheitet. Die in­dustrielle Wertschöpfung ist immer stärker von Dienstleistungen wie der Produktwartung oder dem Angebot von digitalen Lösungen geprägt. Im Nachgang zur Covid-19-Krise werden sich diese Tendenzen höchstwahrscheinlich weiter verstärken und beschleunigen.

Wie weiter?

Diese Erfolge verzeichnete die Schweizer Industrie ohne dirigistische Industriepolitik, wie sie manche Nachbarländer kennen. Es wäre deshalb verfehlt, den technologischen Fortschritt der inter­nationalisierten Wirtschaft mit teuren und ineffizienten staatlichen Eingriffen aufhalten zu wollen. Gute Rahmenbedingungen für alle Branchen, der Fokus auf die Produktivität, offene und stabile Handels­beziehungen mit der EU und weiteren Handelspartnern und der Zugang zu gut qualifizierten Arbeits­kräften sind der beste Garant für den Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen.

Dabei hilft die einseitige Aufhebung der Zölle auf Industriegüter, die vom Nationalrat dieser Tage beschlossen wurde. Zusätzlich braucht die Schweiz aber auch eine Vereinfachung der Zuwanderung von Fachkräften aus dem aussereuropäischen Ausland sowie effizientere, digitale Beziehungen zwischen Staat und Wirtschaft. Demgegenüber ist einer staatlichen Industriepolitik eine klare Absage zu erteilen.