Gesundheit bewegt Bürgerinnen und Bürger, und damit die Politik. Allein auf Bundesebene werden jährlich über 500 zum Teil widersprüchliche parlamentarische Geschäfte eingereicht. Unser Gesundheitswesen ist allerdings eine Blackbox. Zwar können die Ausgaben exakt beziffert werden: 86,344 Mrd. Fr. im Jahr 2021. Der Wert dieser Leistungen für die Patienten und die Gesellschaft ist jedoch unbekannt. Ohne einen Paradigmenwechsel, der den Patienten und nicht die Leistungserbringer in den Mittelpunkt stellt, läuft die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens ins Leere.

Im Interesse der Patienten und des ganzen Systems

Qualität liegt nicht nur im Interesse der Patienten, sondern sie schont auch die Finanzen und die Personalressourcen. Sie beschleunigt die Heilung, minimiert Komplikationen, vermeidet Übermedikation und reduziert die Anzahl überflüssiger Therapien. Eine Ressourcenoptimierung ist unausweichlich in einem System, das solidarisch und kollektiv finanziert ist. Qualität entlang des ganzen Patientenbehandlungspfads anzustreben, ist auch für Leistungserbringer ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, um die Gunst des immer knapper werdenden Personals zu gewinnen.

Qualität muss sich finanziell auszahlen

Nötig ist eine Diskussion darüber, welchen «Value» das Gesundheitswesen pro investiertem Franken aus Patientensicht schafft (Value-based healthcare). Dies lässt sich nicht in einem System umsetzen, das in «Silos» organisiert und von Regionalpolitik geprägt ist. Um die Behandlung entlang des gesamten Patientenpfades zu verbessern, braucht es Finanzierungsmechanismen, die eine Aufteilung der «Qualitätsdividende» unter denjenigen ermöglichen, die in die Verbesserung der Behandlung investieren.

Dafür muss erstens die rechtliche Grundlage geschaffen werden, um Spitaltarife durch qualitative Komponenten zu ergänzen. Im ambulanten Bereich ermöglichen zweitens alternative Versicherungsmodelle eine Honorierung der Koordinationsarbeit und helfen dabei unnötige Spitaleintritte zu vermeiden. 2021 hatten sich 76% der Versicherten einem solchen Modell angeschlossen, gegenüber nur 8% zwanzig Jahre davor. Eine einheitliche Finanzierung für ambulante und stationäre Leistungen (Efas) würde drittens die Aufteilung der Qualitätsdividenden erlauben. Heute ist für die Krankenversicherer die Vermeidung von Spitalaufenthalten uninteressant, weil ambulante Behandlungen voll zu ihren Lasten verrechnet werden, während die Kosten stationärer Leistungen zu 55% die Kantone übernehmen.

Von der Basis her entwickeln statt von oben dekretieren

Ein patientenzentriertes, mehrwertbasiertes Gesundheitssystem kann nicht top-down per Dekret angeordnet werden, sondern muss von denjenigen entwickelt werden, die es praktizieren. In diesem Sinne hebt die Studie von Diego Taboada und Jérôme Cosandey wegweisende Pilotprojekte hervor. Diese zeichnen sich durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern, Versicherern und Kantonen aus – eine Art kulturelle Revolution im sonst rigiden Gesundheitswesen. Doch obwohl der Schweizer Markt vor solch innovativen Initiativen sprudelt, versucht die Bundesverwaltung, den Wettbewerb mit der Schaffung von staatlich verordneten, einheitlich organisierten neuen Anbietern einzuschränken. Dieser Bundesvorschlag ist abzulehnen.

Zur Belebung des Qualitätswettbewerbs zählt Transparenz, damit Patienten und zuweisende Ärzte faktenbasiert die passenden Spezialisten wählen können. Um die Akzeptanz von Transparenz bei den Leistungserbringern zu fördern, empfiehlt sich eine zweistufige Einführung: In einem ersten Schritt braucht es Zugang zu den Qualitätsdaten unter dem Schutz der Anonymität. In dieser Phase sollte jeder Leistungserbringer nur seine Daten im Vergleich zu denjenigen der Konkurrenz sehen, ohne die Mitbewerber namentlich identifizieren zu können. In einer zweiten Etappe werden die Qualitätsmessungen für Patienten, Leistungserbringer und Krankenversicherer zugänglich gemacht. Der Staat sollte den zeitlichen Rahmen für die Einführung eines solchen Benchmarkings festlegen.

Roadmap zu einem wertorientierten Gesundheitssystem

Die neue Publikation weist in drei Schritten den Weg hin zu einem wertorientierten Gesundheitssystem: 1) Definition und Messung von Ergebnisindikatoren, 2) finanzielle Mechanismen zur Vergütung des Mehrwerts für die Patienten sowie 3) Transparenz über die Qualität und die Kosten der Versorgung.

Es ist entscheidend, die gemeinsame Vision eines mehrwertbasierten Gesundheitssystems unter Leistungserbringern, medizinischen Fachgesellschaften, Patientenverbänden und Versicherern zu entwickeln. Damit werden Fehlanreize reduziert, die Interessen der Stakeholder auf das gemeinsame Ziel gerichtet und mit einer dezentralen Organisation die Flexibilität und die Resilienz des Schweizer Gesundheitswesens gefördert.