Die grossen Schweizer Städte führen weitgehend einen vorbildlichen Finanzhaushalt – von chronischen Defiziten beispielsweise keine Spur. Die Pensionsansprüche der städtischen Angestellten aus der beruflichen Vorsorge sind in dieser Bilanz aber nicht berücksichtigt. Hier tun sich in einigen Städten grosse Löcher auf!

Der Deckungsgrad einer Pensionskasse zeigt an, welcher Anteil der Verpflichtungen (künftige Rentenzahlungen) mit Vermögenswerten gedeckt ist. Nur mit einem Deckungsgrad von mindestens 100% sind die Verpflichtungen prinzipiell erfüllbar. Schon ab einem Deckungsgrad von unter 90% spricht man von einer erheblichen Unterdeckung. Deutlich niedrigere Deckungsgrade kommen in der Privatwirtschaft kaum vor, da dort die Pensionskassen schon vorher zu Sanierungsmassnahmen gezwungen sind.

Da die Pensionskassen öffentlicher Verwaltungen nicht per se Konkurs gehen können (sie sind durch den Staat, bzw. den Steuerzahler gesichert), sind hier zum Teil noch deutlich niedrigere Deckungsgrade zu beobachten. In solchen Fällen ist damit zu rechnen, dass die Sanierungsmassnahmen nicht nur zulasten der städtischen Arbeitnehmer und künftigen Rentner, sondern auch zulasten der Steuerzahler im Allgemeinen gehen; denn bei drastischer Unterdeckung wird früher oder später eine Ausfinanzierung der Pensionskasse über allgemeine Steuergelder unvermeidlich. Das ist weder generationengerecht, noch entspricht es dem Kapitaldeckungsprinzip der Pensionskassen.

Das Städtemonitoring

Im Städtemonitoring von Oktober 2018 wurde entsprechend die Deckungsgrade der Pensionskassen der zehn grössten Städte verglichen, damals basierend auf den Geschäftsberichten des Jahres 2016. Die vorliegende Untersuchung stützt neu auf den Geschäftsberichten des Jahres 2018 ab.

Die städtischen Pensionskassen verwenden unterschiedliche technische Zinssätze zur Diskontierung (Barwertberechnung) ihrer künftigen Rentenzahlungsverpflichtungen (aus denen sich wiederum die Deckungsgrade ergeben). Um die Vergleichbarkeit der offiziell ausgewiesenen Deckungsgrade zu gewährleisten, wurden sie gemäss dem von der Schweizerischen Kammer der Pensionskassenexperten (SKPE) jährlich festgelegten Referenzzinssatz (seit dem 30.9.2017 liegt dieser bei 2%) harmonisiert.1


Ranking

Kapitalbedarf bei tech. Zins von 2%
Vorsorge-vermögen
(Mio. Fr.)
Aktive
Rentner
Total
Versichert
Quotient
Deckungsgrad
(Art. 44 BVV2)
Technischer Zins
Deckungsgrad bei tech. Zins 2%
absolut
(Mio. Fr.)
pro Versicherte (Fr.)
pro aktive Versicherte (Fr.)
Luzern
1'487
3'537
2'164

5'701

1.63

107.7%

2.00%

107.7%

Zürich
16'647
33'991

18'965

52'956

1.79

110.9%

2.50%

105.2%

St. Gallen
1'429
3'766

1'930

5'696

1.95

101.4%

2.00%

101.4%

Biel
900
3'953

2'024

5'977

1.95

100.6%

2.50%

95.4%

43

7'201

10'888

Lugano
717
2'747

1'521

4'268

1.81

92.8%

2.00%

92.8%

56

13'032

20'248

Basel
12'341
23'265

15'839

39'104

1.47

97.6%

3.00%

87.8%

1'708

43'689

73'433

Winterthur
1'912
5'113

3'032

8'145

1.69

89.1%

2.25%

86.8%

291

35'749

56'949

Bern
2'265
5'751

4'016

9'767

1.43

91.0%

2.75%

84.1%

429

43'890

74'539

Genf
4'388
7'989

4'829

12'818

1.65

89.3%

3.00%

80.4%

1'069

83'414

133'833

Lausanne
2'274
7'400

4'425

11'825

1.67

67.7%

2.50%

64.2%

1'267

107'115

171'166

Total
44'360
97'512

58'745

156'257

1.66

98.8%

2.62%

92.7%

4'863

31'120

49'868

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Jahresberichte (2018) der städtischen Pensionskassen

Ergebnisse

Die Unterschiede in den Deckungsgraden der städtischen Pensionskassen sind enorm. Luzern, Zürich und St. Gallen sind als einzige mit einem Deckungsgrad über 100% nachhaltig aufgestellt. Biel und Lugano weisen eine deutliche Unterdeckung auf, vier weitere Städte (Basel, Winterthur, Bern, Genf2) mit Deckungsgraden zwischen 80 und 88% sogar eine erhebliche.

1948 war die Welt noch in Ordnung – wenn auch ohne Pensionskasse. Heute weist Lausannes städtische Pensionskasse von den zehn grössten Schweizer Städten den tiefsten Deckungsgrad auf. (ETH Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Mit einem harmonisierten Deckungsgrad von bloss 64% liegt die Pensionskasse der Stadt Lausanne gar in extremer Unterdeckung. Der Kapitalbedarf beläuft sich derzeit auf 1,27 Mrd. Fr., was pro Versicherten einem Loch von 107’000 Fr. und pro Aktiven sogar 171’000 Fr. entspricht. Allerdings: Erst vor wenigen Jahren war das Loch noch deutlich grösser und der Deckungsgrad niedriger (der Startpunkt lag bei unter 40%!). Die Stadt hat mit dem Bund vor einigen Jahren einen langfristigen Ausfinanzierungsplan festgelegt. Bis 2050 wird eine Teildeckung von 80% bis ins Jahr 2050 angestrebt. Dieses Ziel soll mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen erreicht werden. Um die Rentenversprechen zu erfüllen, ist bei dieser Teildeckung aber ein Zuschuss aus allgemeinen Steuergeldern nötig, was nicht dem Charakter des Kapitaldeckungsverfahrens der zweiten Säule entspricht.3

Gegenüber der Auswertung aus dem Städtemonitoring, die sich auf das Geschäftsjahr 2016 bezieht, hat sich die Lage der städtischen Pensionskassen etwas verbessert. 2017 war ein sehr gutes Börsenjahr, wovon die Pensionskassen profierten. 2018 war dann eher schlecht, aber unter dem Strich blieb gegenüber 2016 trotzdem fast überall eine spürbare Erhöhung der Vermögenswerte. In Genf und Lausanne greifen zudem die Refinanzierungspläne – auch wenn noch ein langer Weg zurückzulegen ist. Die grössten Fortschritte erzielten daneben Biel, das den harmonisierten Deckungsgrad innert zwei Jahren von 87,3% auf 95,4% erhöhten konnte, und Lugano (von 85,6% auf 92,8%). Der Deckungsgrad der PK Bern sank dagegen von 87,3% auf 84,1% und erzielte damit die schlechteste Performance der untersuchten zehn Städte.

Lugano und Biel haben ihren bisher überhöhten technischen Zinssatz, der ein zu optimistisches Bild der Lage zeichnete, in Richtung des Referenzzinssatzes gesenkt. Das ist zu begrüssen. Inzwischen rechnen sich bloss noch Basel, Genf und Bern die Verbindlichkeiten ihrer Pensionskassen mit einem signifikant erhöhten technischen Zinssatz schön.

Der aggregierte Kapitalisierungsbedarf jener sieben städtischen Kassen, die sich in Unterdeckung befinden, beläuft sich auf 4,9 Mrd. Franken. Das entspricht fast dem Jahresbudget des gesamten Kantons Aargau, es sind aber immerhin 800 Mio. weniger als noch Ende 2016.

Die Sanierung städtischer Pensionskassen mit Steuergeldern
Die PK der Stadt Luzern hatte vor nicht allzu langer Zeit mit einer deutlichen Unterdeckung zu kämpfen: Anfang 2009 fiel der Deckungsgrad unter 85%, was einem Fehlbetrag von 170 Mio. Fr. entsprach. Im September 2009 beschloss das Stadtparlament Sanierungsmassnahmen: Die Stadtkasse schoss während fünf Jahren jährlich 10 Mio. Fr. ein – gesamthaft also 50 Mio. Fr. –, die Pensionierten erhielten während der Sanierung 1% weniger Teuerungszulage als das aktive Personal, und die Verzinsung der Altersguthaben der Arbeitnehmer erfolgte 1 Prozentpunkt unter dem BVG-Mindestzinssatz. Die Massnahmen zeigten Wirkung: Schon Ende 2013 wurde wieder die volle Deckung der Rentenansprüche erreicht, Ende 2018 lag der Deckungsgrad gar bei 108%.
Was Luzern schon hinter sich hat, steht Winterthur noch bevor. 2018 arbeitete der Stadtrat einen Sanierungsplan für die städtische Pensionskasse ist aus. Er beinhaltet (neben der Senkung des Umwandlungssatzes und weiteren Massnahmen) einen Zuschuss von 144 Mio. Fr. aus Steuermitteln. Das Stadtparlament wies die Sanierungsvorlage aber Ende März 2019 zurück. Eine knappe Mehrheit stimmte dagegen, Steuergelder zur Sanierung einzusetzen. Stattdessen soll ein Anschluss an die kantonale Pensionskasse in Betracht gezogen werden.
1An sich gilt die Faustregel: Pro Prozentpunkt, um den der von der Pensionskasse angewendete technische Zinssatz den harmonisierten Zinssatz überschreitet, muss der Deckungsgrad um 10 Prozentpunkte nach unten korrigiert werden. Für die hier vorkommenden, sehr niedrigen Deckungsgrade ist diese Faustregel aber zu ungenau. Darum wird eine genauere Faustregel angewendet: Pro Prozentpunkt, um den der von der Pensionskasse angewendete technische Zinssatz den harmonisierten Zinssatz überschreitet, muss der Barwert der Verbindlichkeiten um den Faktor 10/9 erhöht werden (was den Deckungsgrad um Faktor 10/9 senkt).
2Die Pensionskasse der Stadt Genf ist interkommunal. Sie umfasst auch die übrigen Gemeinden des Kantons Genf. Konsolidiert ist zudem die Pensionskasse der Services Industriels de Genève (SIG).
3Ebenfalls im System der Teildeckung befinden sich einige der wichtigsten Arbeitgeber, die der PK des Kantons Basel angeschlossen sind.