Die Suva feiert 2018 hundert Jahre Bestehen und kann stolz auf ihre Entwicklung zurückblicken. Sie verfügt über einen starken Brand und ihre führende Rolle in der Prävention ist unbestritten. Auch das Prämienvolumen hat stetig zugenommen, bei rückläufiger Anzahl Schadenfälle.

Manche sehen dahinter das Ergebnis einer hohen Professionalisierung. Gemäss einer Studie des HSG-Professors Franz Jaeger von 2004 arbeitet die Suva kosteneffizient. Für jeden Franken Prämien flossen 95 Rappen in Form von Leistungen an die Versicherten zurück, das sei mehr als bei Krankenkassen (84 Rappen) oder bei Privatversicherern (79 Rappen). Allerdings muss die Suva weniger Eigenkapital als die Privatversicherer halten und dieses auch nicht verzinsen. Bei gleichen Eigenkapitalvorgaben lägen gemäss Angaben der Suva selber die Prämien 20 bis 40% höher.

Andere sehen die Monopolsituation kritischer. Die Suva ist nämlich bei weitem der grösste Schweizer Sozialversicherungsfonds. 2017 wies sie ein Anlagevermögen von 51 Mrd. Fr. aus, 5 Mrd. Fr mehr als der AHV-Fonds. Der Deckungsgrad betrug stolze 143%, verglichen mit 114% im Durchschnitt bei Pensionskassen. Infolge dessen wird die Suva 2019 ihre Prämien reduzieren.

Soll der Einfluss der Suva in den Himmel wachsen? Baustelle des Prime Tower in Zürich 2009. (Wikimedia Commons)

Dabei stellt sich die Frage, ob dies in einem wettbewerblichen Umfeld schneller passiert wäre. Zwar wurde 1984 nach einer Gesetzesrevision die Unfallversicherung für alle Betriebe obligatorisch erklärt. Bei der verarbeitenden Industrie sowie beim Bund und seinen Betrieben geniesst die Suva aber nach wie vor ein Monopol. Bei den restlichen Betrieben stehen seit drei Jahrzehnten ca. 30 Krankenkassen und Privatversicherer im Wettbewerb. Der Beweis wurde damit erbracht, dass der Unfallversicherungsmarkt im Dienstleistungssektor funktioniert. Es wäre Zeit, über das Suva-Monopol nachzudenken und eine Öffnung ausgewählter Wirtschaftssektoren für den Wettbewerb anzustreben.

Der Ruf nach einer Verschiebung der Monopolgrenze kam allerdings kürzlich nicht von Privatversichern, sondern von Gewerkschaften. In seinem Newsletter von Juni 2018 verlangt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB): «Die Suva muss heraus aus der strategischen Falle!». Gemeint ist das Verbot, ausserhalb der schrumpfenden verarbeitenden Industrie tätig zu sein. Aufgrund des stärker wachsenden Dienstleistungssektors ist nämlich der Anteil der Erwerbstätigen im zweiten Wirtschaftssektor gesunken. Gemäss SGB sank er von 40% 1984 auf nur etwas mehr als 20% heute. Die Bedeutung der Suva, die paritätisch von den Sozialpartnern geführt wird, nimmt somit laufend ab.

Die Gewerkschaften möchten deshalb neue Wirtschaftsbereiche wie den Gesundheitssektor, alle Verwaltungen (nicht nur diejenigen des Bundes) oder den kompletten Gross- und Detailhandel dem Monopol der Suva unterstellen. Betriebswirtschaftlich würde es zwar aus Sicht der Suva durchaus Sinn ergeben, neben einem schrumpfenden Markt nach neuen Geschäftsfeldern zu suchen. Genauso wollte die Post zurückgehende Erträge im Briefverkehr durch Leistungen im Bus-Transport in Frankreich kompensieren.

Es wäre jedoch ordnungspolitisch nicht sinnvoll, neue Wirtschaftsektoren per Gesetz der Suva zuzuordnen. Nur weil die Gewerkschaften um Einflussverluste bangen, besteht noch kein Anlass, per Dekret bestehende Akteure aus einem funktionierenden Markt zu drängen. Solche Ausbaustrategien wären kaum das passende Jubiläumgeschenk, das unsere freie Marktwirtschaft nötig hat.

Dieser Beitrag ist am 1. September 2018 in der Zeitschrift «Schweizer Versicherung» erschienen.