Die Schweiz hat aus der Globalisierung grossen Nutzen gezogen. Ein Indiz dafür ist die Tatsache, dass sich die Schweiz über all die Jahre in der Spitzengruppe des BIP-pro–Kopf-Einkommens in US-Dollar halten konnte. Ein hohes Einkommen setzt eine entsprechend hohe Wertschöpfung voraus, wobei sich besonders multinationale Unternehmen durch einen hohen Umsatz pro Arbeitskraft auszeichnen.

Mit der Globalisierung haben in der Schweiz aber auch Führungs- und Entlöhnungsmodelle sowie andere Verhaltensweisen Einzug gehalten, die in weiten Teilen von Politik und Bevölkerung auf Skepsis bis Unverständnis stossen. Hierfür sei der «Shareholder-Value» als Reizwort des modernen Kapitalismus angeführt, der vor allem mit den Multis in Zusammenhang gebracht wird. Verstanden als Unternehmensziel im Sinne einer langfristigen, kontinuierlichen Steigerung des Unternehmenswerts ist er eigentlich der einzig sinnvolle betriebswirtschaftliche Ansatz. Gemäss Coase (1937) bildet ein Unternehmen ein Netz von Verträgen zwischen all seinen Stakeholdern , wobei die Kapitalgeber nach Entschädigung aller Akteure (Arbeitnehmer, Kreditgeber, Lieferanten etc.) das Restrisiko tragen und deshalb im Vergleich zu allen übrigen Stakeholdern in einer besonderen Situation sind. Ein Unternehmen kann letztlich nur Wert schaffen, wenn es mehr verdient, als das eigene Kapital kostet.

Leider ist der Shareholder-Value-Ansatz durch die einseitige Beurteilung der Qualität des Managements einzig anhand der kurzfristigen Aktienkursentwicklung in Misskredit gebracht worden. «Shareholder-Value» steht fälschlicherweise für viele als Ausdruck eines kurzfristigen, rein monetären Denkens, für provozierend hohen Managereinkommen und einen prasserischen Lebensstil. Dies hat einzelne Multinationale Unternehmen aus der Industrie und dem Finanzsektor zu einer willkommenen Zielscheibe der öffentlichen Kritik gemacht. Nur allzu häufig haben leider die Unternehmen selbst Vorwand für solche Angriffe geliefert, vor allem mit komplizierten und unverständlichen Vergütungs- und Bonussystemen, mit zum Teil perversen Anreizen. Dies hat einer Politisierung der Wirtschaft und besonders des Wirtschaftsrechts Vorschub geleistet, Die Initiative über die «Abzockerei» ist der bisher sichtbarste Ausdruck dieser Entwicklung. Die Vergütungsproblematik ist nur ein – allerdings besonders emotionales – Thema der sogenannten «Corporate Governance», die nicht nur in der Schweiz, sondern auch in vielen anderen Staaten intensiv debattiert wird.

In der Regel messen sich multinationale Unternehmen  im Rahmen von globalen Vergleichsindizes, so auch hinsichtlich der Entlöhnung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung. Diese bewegt sich deshalb in der Regel im Rahmen vergleichbarer Unternehmen in der Weltliga etwa des Finanzsektors oder der Pharmabranche. Eine Kombination aus einem Fixlohn in bar und einem Bonus in langfristig gesperrten Aktien wäre eine Möglichkeit, ein besseres Gleichgewicht zwischen Gewinnchancen und Verlustrisiken herzustellen und die Interessen von Aktionären und Managern wieder besser in Einklang zu bringen. Das fände sicher mehr Verständnis, als die bisherige Politik.

Von einem gesellschaftlichen Umfeld, das immer stärker durch Neid und Missgunst geprägt ist, kann nicht viel Verständnis erwartet werden. Für viele ist nicht einsichtig, warum Multinationale nicht nach einem schweizerischen Wertesystem gesteuert werden können. Die Vorstellung, ein multinationales Unternehmen sei eine Schicksalsgemeinschaft wie ein schweizerisches KMU, ist weltfremd. Kritikanfällig ist auch die Steuerpolitik gegenüber Multinationalen, z. B. wenn der grösste Rohstoffkonzern der Welt trotz Milliardengewinnen angeblich keine Unternehmenssteuern zahlt. Es steht jedoch jedem international tätigen Unternehmen frei, seine Konzernsteuerquote im Rahmen der jeweiligen nationalen Steuerordnungen zu optimieren. Wer das ändern will, muss in erster Linie bei der Steuerpolitik eines Landes ansetzen und nicht bei den Unternehmen. Dessen ungeachtet gibt es in einem direktdemokratischen Land ein Grundverständnis von Fairness, verantwortungsbewusster Führung und solidem Unternehmertum, das nicht einfach in den Wind geschlagen werden kann. Allerdings hat auch das «öffentliche Gut» Fairness seinen Preis, wenn dieses in ein allzu dirigistisches rechtliches Korsett mündet.

Die Schweiz muss entscheiden, ob sie weiterhin Unternehmen beherbergen will, die in der Weltliga mitspielen. Dann muss sie auch bereit sein, die entsprechenden globalen Spielregeln, etwa sehr hohe Saläre für das Management, zu akzeptieren, auch wenn dies den schweizerischen Befindlichkeiten zuwider laufen mag. Unser Land kann die Multinationalen auch durch immer neue Regulierungen und Drangsalierungen vertreiben. Dann muss die Schweiz aber auch gewillt sein, die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbussen zu tragen. Fakt ist, dass zurzeit drei von vier SMI-Unternehmen durch ausländische CEO geführt werden und diese Unternehmen mehrheitlich im Besitz von ausländischen Aktionären sind. Dies könnte Anlass sein, sich über die sich ausbreitende Provinzialität und Nabelschau Gedanken zu machen. Es fragt sich, ob der Wohlstand gehalten werden kann, wenn in Politik und Bevölkerung die Meinung Überhand gewinnt, der globale Wettbewerb ginge die Schweiz nichts an. Eine isolationistische Haltung kann für die Schweiz keine Option sein. Unser Land ist auch in Bezug auf das Wirtschaftsrecht keine legislative Insel.

Mehr zu diesem Thema entnehmen Sie dem Diskussionspapier « Multis: Zerrbild und Wirklichkeit. Der vielfältige Beitrag globaler Unternehmen zum Schweizer Wohlstand».