Leidenschaftlich wird über die Revision des Jagdgesetzes (JSG) gestritten, das Ende September zur Abstimmung kommt. Sowohl Befürworter wie Gegner nehmen für sich in Anspruch, den Artenschutz zu verbessern. Die Wahl, welchen Argumenten mehr Vertrauen geschenkt werden darf, ist für die Abstimmenden schwierig. Ein Beleg dafür ist die neueste Umfrage: Im Vergleich zu den anderen vier Vorlagen, die zeitgleich zur Abstimmung gelangen, weist das Jagdgesetz den höchsten Anteil an Unentschlossenen auf (SRG SSR 2020). Unabhängig davon, ob die angestrebte Revision gut oder schlecht für Fauna und Flora der Schweiz ist, lohnt der Blick auf einige wirtschaftliche Auswirkungen des neuen Regelwerkes.
Die Vorlage wird per saldo voraussichtlich zu Mehrkosten führen, denn bestehende Abgeltungen werden ausgebaut, neue kommen hinzu. So kann beispielsweise der Bund zusätzlich zu den bisherigen 2,5 Mio. Fr. pro Jahr für die Aufsicht in den Schutzgebieten neu weitere 2 Mio. Fr. für Schutzmassnahmen gewähren. Auch der Personalbedarf steigt aufgrund der angestrebten Gesetzesrevision, so sollen 20 bis 25 neue Wildhüterstellen geschaffen werden (Jagd Schweiz 2020).
Vordergründig eine Stärkung der Selbstverantwortung ist das Argument, dass in Zukunft nur noch Schäden vergütet werden sollen, wenn zuvor die zumutbaren Herdenschutz- oder Präventionsmassnahmen ergriffen wurden. Denn tatsächlich sieht die revidierte Verordnung unter anderem vor, dass sich das Bundesamt für Umwelt (Bafu 2020) mit bis zu 80% an den Kosten für die Verhütung von Schäden durch Grossraubtiere beteiligt. So soll der Bund mit Unterstützungsbeiträgen beispielsweise die Verhütung von Wildschäden bei Erschliessungswegen für Landwirtschaftsbetriebe fördern.
Mit bis zu 50% der Kosten gefördert wird u.a. die sogenannte «Schaf- und Ziegenalpplanung» und die «Planung der Verhütung von Konflikten mit Braunbären». Betreffend Herdenschutz soll die Anlaufstelle in die bestehende landwirtschaftliche Beratung integriert werden. Die entsprechenden Institutionen dürften ob der neuen bundesrätlichen Aufgaben erfreut sein; der mit Steuermitteln alimentierte, bereits üppige Subventionstopf für die Agrarwirtschaft dürfte noch grösser werden. Dies bei einer abnehmenden Zahl an Höfen und in der Landwirtschaft Beschäftigten. Es ist bezeichnend, dass der Schweizer Bauernverband eine der drei leitenden Organisationen der Pro-Kampagne ist (Jagd Schweiz 2020).
Kommt es trotz all den Staatsausgaben für Beratungen und Planungen doch zu Schäden, beteiligt sich der Steuerzahler via Bund mit 80% an den Kosten. Dies erinnert an eine Rundum-Versicherung mit geringem Selbstbehalt, mit dem Unterschied, dass man als Versicherter die Prämien nicht selbst zu bezahlen hat, sondern auf die Allgemeinheit abwälzen kann.
Nicht nur die Anspruchshaltung auf staatliche Gelder wird mit dem neuen Gesetz steigen, auch die planwirtschaftlichen Vorgaben. So sollen Landwirte «offizielle» (sic!) Herdenschutzhunde im direkten Leistungsauftrag des Bafu züchten, dabei aber explizit keine gewerbliche Zucht betreiben, «weil das Bafu gemäss seiner Vollzugshilfe zum Herdenschutz die jährliche Zuchtmöglichkeit auf einen Wurf pro Jahr und Zuchtbetrieb einschränkt und auch die Verkaufspreise der Hunde bei der Abgabe im «Nationalen Programm zum Herdenschutz» festlegt» (Bafu 2020).
Wie in der Agrarpolitik seit Jahrzehnten üblich, gibt der Staat nicht nur vor, was die Ziele sind, sondern detailliert auch aus, wie diese Ziele erreicht werden sollen – hinuntergebrochen bis auf die Zucht von Herdenschutzhunden, der minimalen Höhe von elektrischen Weidenetzen oder die Umzäunung von Bienenhäusern. Die Komplexität und Dichte der agrarpolitischen Regulierung ist bereits heute mit rund 4000 Seiten sehr hoch (Dümmler und Roten 2018), Dutzende neue dürften durch die Revision des Jagdgesetzes dazu kommen: Die Gesetzesänderungen beanspruchen in den Erläuterungen des Bundesrates 8 Seiten, die Verordnung umfasst 24 und der erläuternde Bericht dehnt sich über weitere 69 Seiten aus.
Die administrativen Folgekosten einer solchen Politik sind hoch. Bereits heute beschäftigen sich Tausende von Agrarbeamten beim Bund und in den Kantonen mit der korrekten Umsetzung der Vorgaben. Die Agrarbürokratie kostet die Steuerzahlenden jährlich 250 Mio. Fr. (Dümmler und Bonato 2020). Hinzu addieren sich Verwaltungskosten, die in anderen Abteilungen anfallen, beispielsweise in der Aussenwirtschaft. Getrieben durch die Agrarlobby – einheimische Bauern sollen vor Importen geschützt werden – weist die Schweiz heute unter 141 untersuchten Ländern das weltweit komplexteste Zolltarifsystem auf (WEF 2019).
Beispielhaft kann die Regelung für den Import von gewürztem Fleisch genannt werden, das Parlament forderte 2015 eine Erhöhung der Zolltarife. Nach beinahe fünfjährigen Vergleichsverhandlungen mit den Handelspartnern der Schweiz kann der neue Tarif ab Januar 2021 eingeführt werden (Bundesrat 2020). Bereits 2010 führte die Importregelung von gewürztem Fleisch aufgrund des Detaillierungsgrades auf höchster magistraler Ebene für Irritationen, die sich in einem inzwischen berühmten Lachanfall entluden (SRF Tagesschau 2010).
Das revidierte Jagdgesetz spielt der aktuellen Agrarpolitik in die Hände, die finanzielle Abhängigkeit vom Staat steigt. Ein grundlegender Wandel hin zu mehr unternehmerischer Verantwortung, die Entwicklung eigener Lösungsansätze wird unterdrückt. Eine liberale Agrarpolitik sieht definitiv anders aus.