Digitalisierung und ihr unerschöpfliches Geschäftspotenzial sind in aller Munde. Während in der öffentlichen Diskussion primär Chancen für Neuunternehmer und Bedrohungen für bestehende Anbieter hervorgehoben werden, rückt die Organisation der Altersvorsorge in den Hintergrund.

Mit der Digitalisierung entstehen neue Arbeitsverhältnisse. Die Grenzen zwischen Selbständigkeit und Anstellungsverhältnis verschwimmen. Beispiel: Sind Uber-Fahrer Einzelunternehmer oder Angestellte? Die Unterscheidung ist für die Festlegung der Lohnbeiträge in der AHV bzw. für die Unterstellungspflicht in der beruflichen Vorsorge massgebend. Zurzeit scheinen die Gerichte die These des Anstellungsverhältnisses zu unterstützen. Doch mit zunehmender Digitalisierung stellt sich die Frage des Anstellungsverhältnisses immer wieder, weil weiterhin neue Berufe entstehen. Es braucht neue Konzepte, wie man die Altersvorsorge effektiv und unbürokratisch sichern kann – unabhängig vom Anstellungsverhältnis oder durch die Einführung eines neuen Status, des «selbständigen Angestellten».

Velokurier

Ist dieser Velokurier selbständig, angestellt oder «selbständig angestellt»? (Fotolia)

Wachsende Bedeutung des Mandatsverhältnisses

Mit der Digitalisierung und dem Wunsch nach mehr Flexibilität wächst auch die Bedeutung der Arbeit im Mandatsverhältnis. Immer mehr Leute sind Teilzeit angestellt, zum Teil bei mehreren Arbeitgebern, und arbeiten womöglich daneben noch als Freelancer – als Berater, Projektmitarbeiter oder eben Uber-Fahrer. Solche Teilzeitjobs werden in der beruflichen Vorsorge bestraft, weil nur der Lohn oberhalb des Koordinationsabzugs der BVG-Pflicht unterstellt ist – unabhängig vom Beschäftigungsgrad. Wer Teilzeit arbeitet oder ein volles Pensum auf mehrere Arbeitgeber verteilt, kumuliert weniger Sparkapital in der zweiten Säule. Die finanzielle Sicherheit im Alter wird damit tangiert. Der Koordinationsabzug ist ein Relikt aus früherer Zeit, das heute nicht mehr angewendet würde.

Mit der Digitalisierung ist auch die bisher eher paternalistische Organisation der beruflichen Vorsorge, in der ein Patron für die (Vollzeit-) Mitarbeiter von der Lehre bis zur Pensionierung sorgt, zu überdenken. Bei der Gründung einer Fintech-Gesellschaft fragt sich wohl kein Unternehmer, wie er in vierzig Jahren seine Mitarbeiter in die Pension begleiten will. Auch die jungen Mitarbeitenden wünschen kaum, so lange im Unternehmen zu bleiben. Wer soll zudem den Lead für die Vorsorge übernehmen, wenn Mitarbeiter gleichzeitig für mehrere Gesellschaften arbeiten?

Berufliche Vorsorge an Mitarbeitende anbinden

In diesem Kontext drängt sich eine Anbindung der beruflichen Vorsorge an den Mitarbeiter selbst statt an die Arbeitsstelle auf. Konkret bedeutet das die Einführung der freien Pensionskassenwahl. Die Sozialpartner definieren nach wie vor den Umfang der BVG-Beiträge – etwa, ob sich diese nur am BVG-Minimum orientieren oder darüber hinausgehen. Für die Verwaltung der Vorsorgegelder hingegen wählt der Mitarbeiter selbst seinen Anbieter.

Die wachsende Bedeutung neuer Organisationsformen und Arbeitsverhältnisse ruft nach neuen Konzepten. Unabhängig vom Abstimmungsergebnis zur Altersreform 2020 am 24. September braucht es Vorsorgemodelle, die vermehrt den Versicherten als Person und weniger sein Anstellungsverhältnis oder den Arbeitgeber in den Mittelpunkt setzen.

Dieser Text ist im Sonderbund «Vorsorge» der «Finanz und Wirtschaft» vom September 2017 erschienen.