Simon Dalhäuser: Herr Dümmler, Wasserkraftwerkbetreiber klagen seit Längerem über die schwierige wirtschaftliche Lage der Wasserkraft. Wie schlimm steht es aus Ihrer Sicht um die Wasserkraft?

Patrick Dümmler: Studien belegen, dass es der Wasserkraft nicht so schlecht geht, wie teilweise behauptet wird. Zudem haben sich die Strompreise in jüngster Zeit etwas erholt, was sich zusätzlich positiv auf die Wirtschaftlichkeit der Wasserkraft auswirkt. Dank des neuen Energiegesetzes profitieren die Energieversorgungsunternehmen, kurz EVU, für die Jahre 2018 bis 2022 zudem von der sogenannten Marktprämie. Mit dieser Prämie stehen für die Wasserkraftwerke jährlich rund 110 Millionen Franken bereit. Die Wasserkraftwerkbetreiberklagen also bis zu einem gewissen Grad auf Vorrat, um so Einfluss auf den politischen Gesetzgebungsprozess nehmen zu können. Die Wasserkraft geniesst einen grossen Rückhalt in der Politik – dies wissen die EVU auszunutzen. Entsprechend befürchte ich weitere Abgaben zugunsten der Wasserkraft – die vor allem die gefangenen Stromkunden bezahlen müssen.

Contra-Staumauer im Tessiner Verzascatal. (Wikimedia Commons)

Weshalb geniesst die Wasserkraft in der Politik so viel Goodwill?

Einerseits sicherlich aufgrund der geografischen Gegebenheiten. So sind die Bergkantone wichtige Wasserkraft-Standorte – und diese Kantone beherrschen die politische Klaviatur exzellent. Sie spielen etwa bei der Subventionierung der Landwirtschaft, aber auch beim Finanzausgleich eine entscheidende Rolle. Andererseits geniesst die Wasserkraft in der Schweiz eine lange Tradition. Auch ist die Schweiz – zu Recht – stolz auf die Wasserkraft als Meisterleistung der alpinen Ingenieurskunst.

Während die Wasserkraft auf der einen Seite subventioniert wird, wird die Wettbewerbsfähigkeit der Wasserkraft auf der anderen Seite durch hohe Wasserzinsen belastet. Wie sinnvoll ist das?

Gar nicht. Die Wasserzinsen dienen insbesondere den Gebirgskantonen und sind eine regionale Komponente. Diese Vermischung von Regional- und Energiepolitik ist mehr als fragwürdig. Für die Trennung dieser Bereiche schlägt Avenir Suisse eine Überführung der Wasserzinsen in den Finanzausgleich zwischen den Kantonen vor. Wir haben diesen Vorschlag auch bereits mit den Gebirgskantonen diskutiert. Diese betrachten die Wasserzinsen jedoch als Leistung, die sie vergütet haben wollen, wohingegen der Finanzausgleich als Subvention verstanden wird und entsprechend eher negativ belastet ist. Unser Vorschlag ist bei den Gebirgskantonen ergo nicht auf viel Gegenliebe gestossen. Dennoch erachte ich eine Reform als unumgänglich.

Der einflussreiche Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, der VSE, forderte zugunsten der EVU eine Flexibilisierung der Wasserzinsen, ist mit dieser Forderung jedoch den Gebirgskantonen unterlegen. Wie geht es in der Debatte um die Wasserzinsen weiter?

Es ist zumindest denkbar, dass sich die EVU und die Gebirgskantone zu einer sogenannten unheiligen Allianz zusammenschliessen. So könnten sich diese Akteure beispielsweise darauf einigen, dass an den hohen Wasserzinsen festgehalten wird, diese jedoch direkt die gefangenen Stromkunden – also die privaten Haushalte sowie Teile des Gewerbes – bezahlen müssen. Die Gebirgskantone kämen so zu ihren Einnahmen durch die Wasserzinsen, und die EVU wären von den Abgaben befreit. Entsprechende Ideen wurden bereits einmal diskutiert. Ein solcher Handel ginge ausschliesslich zulasten der gefangenen Kunden, die nicht über die nötige politische Macht verfügen.

Dieses Interview von Simon Dalhäuser mit Patrick Dümmler ist in der Schweizerischen Gewerbezeitung «Standpunkt der Wirtschaft» vom 9. 11.2018 erschienen.