Das Geschäftsmodell von Banken birgt erhebliche Liquiditätsrisiken. Geraten Banken in einen Liquiditätsengpass, weil die Kreditoren ihr Vertrauen in ein Institut verlieren, kann es zu einem Bankensturm («Bank run») kommen. Doch nicht jeder Mangel an liquiden Mitteln ist existenzbedrohend. In der Folge erläutern wir, wie Banken ihren Liquiditätsbedarf decken und wann sie dabei auf staatliche Hilfe zählen können.

Schweizerische Nationalbank SNB

Schweizerische Nationalbank (SNB). (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

SNB hilft bei kurzfristigem Liquiditätsbedarf

Wie alle Unternehmen müssen Banken fällige Verbindlichkeiten bedienen können. Eine Bank kann dabei auf unterschiedliche Liquiditätskanäle zurückzugreifen. Bei den eigenen flüssigen Mitteln handelt es sich nicht nur um Bargeld, sondern auch um andere Vermögenswerte wie Zentralbankreserven oder Staatsanleihen, die sich schnell und mit minimalem Wertverlust in Zahlungsmittel umwandeln lassen. Aus regulatorischen Gründen ist eine Bank im Übrigen verpflichtet, über einen Puffer an eigenen flüssigen Mitteln für den Geschäftsalltag zu verfügen. Ein weiterer Weg, ihren Liquiditätsbedarf am Markt zu decken, besteht durch Kreditlinien bei anderen Banken.

Wenn erwartbare Zahlungen ausbleiben oder die Liquidität auf dem Markt nicht unmittelbar beschaffbar ist, kann sich die Liquiditätssituation kurzzeitig verschärfen. Dies beeinträchtigt in der Regel den Zahlungsverkehr einer Bank. In solchen Fällen wendet sie sich an die Schweizerische Nationalbank (SNB), die zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen Kredite gewährt. Diese Liquidität steht längstens bis zum nächsten Werktag zur Verfügung. Zu diesem Zweck hinterlegt die Bank bei der SNB hochwertige Vermögenswerte in Form von repofähigen Effekten. Das sind Anleihen, die gewisse Bonitäts- und Liquiditätskriterien erfüllen.

Liquiditätsbeschaffung am Markt hat Grenzen

Wird eine Bank vom Umfang ihrer fälligen Zahlungsverpflichtungen überrascht, reichen die gängigen Liquiditätskanäle möglicherweise nicht aus. Die Bank benötigt zusätzliche Liquidität. Eine Möglichkeit ist der Verkauf von Aktiven wie Krediten oder Unternehmensanleihen. Da dies meist unter Zeitdruck geschieht, muss die Bank diese Vermögenswerte in der Regel unter Wert verkaufen. Daraus resultiert ein Verlust, der das Eigenkapital schmälert.

Reisst der Einlagenabfluss nicht ab, kann es zu einem Bank-Run kommen: Hierbei zieht ein Grossteil der Kunden ihre Einlagen gleichzeitig ab, oder die Bank ist nicht mehr in der Lage, ihre kurzfristigen Schulden zu refinanzieren. Die Finanzierung des stark steigenden Liquiditätsbedarfs am Markt wird immer schwieriger. Für die betroffene Bank erschwert dabei der hohe Zeitdruck und die selbsterfüllende Dynamik hinter einem Bank-Run die Liquiditätsbeschaffung zusätzlich. Die zunehmende Verflechtung der Banken und verbesserte Vernetzung der Kunden aufgrund der Digitalisierung haben diese Dynamiken zudem verstärkt.

Schwierige Abgrenzung von Illiquidität und Insolvenz

Kann der Bank-Run nicht gestoppt werden und bricht die Liquiditätsbeschaffung am Markt zusammen, wird eine Bank zahlungsunfähig. In der Schweiz können einzig solvente und systemrelevante Banken darauf hoffen, diesem Schicksal zu entkommen. Für sie fungiert die SNB als «Kreditgeber der letzten Instanz» («Lender of Last Resort»). Die liquiditätssuchende Bank hinterlegt bei der SNB ausreichend Sicherheiten, zum Beispiel in Form von Hypotheken, und erhält im Gegenzug Kredite und damit frische Liquidität.

Reicht das alles nicht aus, um den Abfluss von Kundengeldern zu stoppen, wird gegen die Bank früher oder später ein Konkurs- oder Sanierungsverfahren eröffnet. Ist keine Sanierung möglich und die Bank illiquide und insolvent, werden im Konkursverfahren die verbliebenen (meist illiquiden und qualitativ minderwertigen) Aktiven liquidiert. Mit dem Erlös werden die Verbindlichkeiten so weit wie möglich bedient. Die Aktionäre kommen hierbei als letzte an die Reihe.

Im schlimmsten Fall führen Liquiditätsprobleme durch den Verkauf von Aktiven unter Wert zu einer Solvenzkrise. Das Gegenteil ist aber auch möglich: Solvenzprobleme können Liquiditätskrisen auslösen. In diesem Fall ziehen Kunden wegen einer zu hohen Verschuldung der Bank ihre Einlagen ab. Der Auslöser für die Krise ist jedoch in der Praxis nicht immer eindeutig zu erkennen. Die Unterscheidung von Solvenz- und Liquiditätsproblemen ist sodann nur in der Theorie trivial. Dieses Wissen wäre aber ordnungspolitisch höchst relevant, da die Zentralbank und der Staat bei Liquiditätskrisen, die durch Solvenzprobleme getrieben werden, nicht eingreifen sollten. Wenn eine Bank schlecht wirtschaftet, muss sie abgewickelt oder privat saniert werden können, weil eine staatliche Vollkaskoversicherung zu gefährlichen Fehlanreizen führen kann.

Dieser Blog ist ein Exkurz zur Blogserie «Weshalb werden Banken eigentlich reguliert?» (1/2) und «Das digitalisierte Bankwesen in der Regulierungsspirale» (2/2).