Das Eindreschen auf die Schweizer Unternehmenswelt scheint zum neuen Volkssport von Politik und Medien zu werden – auch ausserhalb des links-urbanen Mainstreams. Nach der notrechtlich organisierten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und den damit einhergehenden milliardenschweren Garantieleistungen der öffentlichen Hand für die UBS (die aus ordnungspolitischer Sicht durchaus fragwürdig sind), bilden neuerdings aktuelle Verlautbarungen zum Missbrauch von Covid-Geldern durch die Unternehmen Anlass zur Kritik.

Gefahr von makroökonomischen Kettenreaktionen

Zur Erinnerung: Total tätigte der Bund in den Jahren 2020 bis 2022 Covid-19-Ausgaben im Umfang von 32,8 Mrd. Franken. Die grössten Ausgabenposten betrafen die Kurzarbeitsentschädigung in der Höhe von 15,7 Mrd. Franken, gefolgt von Härtefällen (5,1 Mrd. Fr.) sowie Covid-Erwerbsersatz (4,3 Mrd. Fr.). Zudem gewährte der Bund zu Beginn der Pandemie Überbrückungskredite im Umfang von 16,9 Mrd. Franken. Dieses Massnahmenbündel ist auch von wirtschaftsliberaler Seite unterstützt worden. Es galt, in einer Ausnahmesituation wie der Pandemie die Gefahr von makroökonomischen Kettenreaktionen zu vermeiden.

Obwohl die Pandemie weite Teile der Schweizer Wirtschaft gegroundet hat, hielt sich der Missbrauch von Covid-Hilfen in engen Grenzen. Im Bild geparkte Schweizer Jets auf dem Flughafen Dübendorf. (Niklas Prescher, Shutterstock)

15 Monate nach Aufhebung der besonderen Lage durch den Bundesrat und nach der erneuten Annahme des Covid-Gesetzes durch die Stimmbevölkerung vor wenigen Wochen verlagert sich der Fokus der Aufmerksamkeit auf den vermeintlichen Missbrauch von Covid-Geldern durch die Unternehmenswelt. Von weitverbreitetem Hintergehen ist die Rede, von faulen Krediten in Milliardenhöhe und Ueli Maurers «vergiftetem Erbe» – demnach sei ein grosser Teil der milliardenschweren Covid-Hilfen «unrechtmässig bezogen» worden. Dass die Idee zum raschen und unbürokratischen Bezug von Covid-Krediten vom damaligen CEO der Credit Suisse stammte, vervollständigt das kolportierte Bild des generell raffgierigen Unternehmensmanagements.

Das Bild weitverbreiteten Missbrauchs: Chabis

Die selbst von seriösen Medien verbreiteten Zahlen geben aber ein stark verzerrtes und unvollständiges, wenn nicht gar falsches Bild wieder. Absolute Zahlen werden zum Nennwert genommen, die Relationen konsequent ausgeblendet. Die Konsequenz: In der öffentlichen Perzeption ergibt sich ein Bild des weitverbreiteten Missbrauchs von Steuergeldern durch die Unternehmensverantwortlichen. Das ist – mit Verlaub – Chabis.

Denn setzt man die absoluten Zahlen in den Kontext der ausbezahlten Volumina, ergibt sich ein komplett anderes Bild: Bei rund 138’000 gewährten Überbrückungskrediten wurde bisher 3007 Mal Strafanzeige wegen Missbrauchsverdacht erstattet. Das betrifft 2% aller Fälle.

Kurzarbeit abgerechnet haben insgesamt 185’000 Betriebsabteilungen. Identifiziert wurden bisher 2225 potenzielle Missbrauchsfälle. Das entspricht maximal 1,2%. Gemessen an den ausbezahlten Geldern liegt der Missbrauchsanteil mit 0,6% noch tiefer: Den Kosten der Kurzarbeit von fast 16 Mrd. Fr. stehen Rückforderungen von 103,8 Mio. Fr. gegenüber.

Vorurteile werden zu Fakten

Beim Corona-Erwerbsersatz erfolgten bis Ende April 2022 469’835 Mal Auszahlungen. Gemeldet wurden 540 Verdachtsfälle, nach Abklärungen kam es ein paar Dutzend Mal zu Korrekturen oder Rückerstattungsgesuchen. Damit kommt man auf eine Missbrauchsquote von gerade mal einem Tausendstel.

Selbstverständlich ist der Missbrauch von Covid-Geldern konsequent zu ahnden. Doch wenn heute suggeriert wird, in der Covid-Pandemie hätten haufenweise Schweizer Firmen zu Unrecht staatliche Gelder bezogen, nimmt man fahrlässig (oder willentlich?) in Kauf, dass die Reputation der Schweizer Unternehmenslandschaft zusätzliche Kratzer erleidet. Bereits bestehende Vorurteile werden so zu neuen Fakten, und Vox populi fordert noch  strengere Regulierungen für die Unternehmenswelt. Dabei wird ausgeklammert, dass sich die Schweizer Wirtschaft im internationalen Vergleich in der Pandemiekrise deutlich resilienter erwies. Und man sieht zugleich darüber hinweg, wo die Wertschöpfung hierzulande generiert wird.

Die vorlaute Kritik an den Schweizer Unternehmen trägt zur Erosion des hiesigen Unternehmensstandorts bei. Das geschürte Misstrauen könnte sich eines Tages als politischer und ökonomischer Bumerang erweisen.