Die Krise hat auch den Wohnungsmarkt erreicht – nicht etwa mit sinkenden Mieten oder schwindenden Renditen. Die Sache liegt anders: Kritiker sehen in den hohen Gewinnen der Immobilienbesitzer eine Gefährdung des sozialen Gleichgewichts oder gar die unrechtmässige Umverteilung von Vermögen.

Wie wir in einem früheren Beitrag festgestellt haben, ist es, entgegen der weitverbreiteten Meinung, empirisch nicht nachzuweisen, dass sich die Lage der Schweizer Mieter in der langen Frist verschlechtert hat.  Ein weiterer Mythos (ökonomischer Art) rund um den Wohnungsmarkt lautet folgendermassen: Anlagesuchendes Kapital (aus überhöhten Gewinnen) drängt auf den Immobilienmarkt, vornehmlich an den zentralen und begehrten Lagen in den Städten. Die Investoren kaufen Liegenschaften, um – oft nach einer umfassenden Sanierung – sogleich die Mieten zu erhöhen. Daraus wird gefolgert, dass nicht die starke Nachfrage, sondern der Anlagedruck und das Renditestreben für steigende Mieten (und Preise) verantwortlich sind. Demnach sind private Investitionen (darunter die Pensionskassen) gegen die Interessen der Mieter gerichtet.  

Mieter sollten Kapitalzufluss begrüssen

Die Realität sieht anders aus: Richtig ist, dass Anlagedruck zu steigenden Preisen und – spiegelbildlich – zu sinkenden Renditen führt. Aber ein einzelner Investor vermag in aller Regel keinen Einfluss auf das herrschende Mietpreisniveau zu nehmen. Dazu bräuchte er nämlich Marktmacht, die auf dem fragmentierten Wohnungsmarkt mit tausenden von Vermietern nicht auszumachen ist. Auf einem funktionierenden Markt sind Vermieter genauso wie Mieter Preisnehmer und nicht Preissetzer. Längerfristig sollte der Kapitalzufluss zu einem Ausbau des Angebots führen und damit zu sinkenden Mieten. Dass dies in den Städten kaum geschieht, ist nicht einem Marktversagen zuzuschreiben, sondern rigiden Zonenordnungen, die Verdichtung in gebauten Quartieren nicht vorsehen. Dem Mythos liegt also eine Verwechslung des Immobilien- mit dem Mietwohnungsmarkt zugrunde.

Regulierungsarbitrage führt zu Übersanierung

Dazu kommt ein weiterer Punkt. In den Städten werden die Mieten nicht primär auf einem Markt bestimmt, sondern von den Regeln des Mietrechts. Diese basieren auf (historischen) Kosten und schliessen die Nachfrageseite bei der Mietpreisgestaltung weitgehend aus. Viele Liegenschaften werden darum weit unter dem Marktniveau vermietet. Was liegt da näher, als sie mittels Sanierung rentabler zu machen? Dies ist der einzige Weg, eine Immobilie zurück an den Markt zu bringen, denn das renovierte Haus kann wie ein neues Objekt zu Marktkonditionen vermieten werden.

Zwar mag es niemand offen sagen, aber man hat mit den starren Vorgaben des Mietrechts leben gelernt, indem man die Sanierungszyklen beschleunigte und teuer ausbaut. Letztendlich ist dies eine Form von Regulierungsarbitrage. Und wieder gilt: Nicht Marktversagen, sondern die Anpassung an die bestehende Regulierung (die Kostenmiete), führt zu unerwünschten Ergebnissen, nämlich einem übermässigen Verlust von altem und relativ günstigen Wohnraum. All dies spricht im Übrigen nicht für eine Abschaffung des Mietrechts, sondern für dessen Verbesserung. Nicht hilfreich wäre hingegen eine weitere Regulierungswelle, die – analog den Verhältnissen in der Stadt Genf – Sanierungen begrenzt oder gar verbietet. Dies würde den Wohnungsbau einschränken, was weder im Interesse der Mieter noch der Eigentümer sein kann.

Dieser Text erschien (mit geringfügig anderem Aufbau) in der Zeitschrift «Komplex» (Ausgabe 5/2012) von Halter Unternehmungen.