Ein Steuersegen ergiesst sich dank der Manager von Glencore über die Gemeinde Rüschlikon und den Kanton Zürich. Und nicht nur diese hochwillkommene Bescherung zeigt: Innert kurzer Zeit ist der Rohstoffhandel für die Schweiz zu einer wichtigen Quelle des Wohlstands herangewachsen. Aufgrund der Kritik, auf die das geheimnisvolle Geschäft stösst, könnte sich die Branche aber auch zum Reputationsrisiko für das Land entwickeln. An der Herbsttagung im Basler «Ackermannshof» setzte sich Avenir Suisse deshalb mit dem Rohstoffgeschäft auseinander. Staatssekretär Michael Ambühl erklärte, welche Lehren sich aus den Diskussionen um den Finanzplatz für jene um die Rohstoffbranche ziehen lassen. Und drei Experten erläuterten die Chancen, die Probleme und vor allem auch die kaum bekannte Praxis des Rohstoffhandels.

Weshalb Händler nützlich sind

Philippe Chalmin

«Die Rohstoffhändler machen einen nützlichen Job», betonte Professor Philippe Chalmin von der Universität Paris-Dauphine, der die Branche seit Jahrzehnten begleitet. Denn: «Wir leben immer noch im grössten Rohstoffschock, den es je gab.» Während in den 1970er-Jahren mit ihren Erdölkrisen nur die Versorgung mit Rohstoffen instabil war, sei jetzt die ganze Welt so instabil wie noch nie. Deshalb schüfen die Rohstoffhändler Nutzen: «Eine unsichere Welt braucht Leute, die mit Risiken umgehen können.» Dabei komme es nicht darauf an, ob die Händler physische Güter liefern oder Finanzprodukte handeln: «Reis wird nur physisch gehandelt – der Markt ist aber viel instabiler als jener für Weizen, wo es reine Finanztransaktionen gibt.»

Die Rohstoffhändler gehen nicht nur mit den Risiken um, sondern bringen auch die immer noch wachsende Nachfrage mit dem weiterhin knappen Angebot zusammen. Trotz aller Krisen wächst die Weltwirtschaft stetig mit jährlich 3% bis 3,5% – «das ist ganz aussergewöhnlich», meinte Chalmin. Für das Wachstum braucht es Rohstoffe, so haben die Chinesen seit 2000 ihren Import an Eisenerzen verdreizehnfacht. Der Nachschub aber fehlt, weil der Bergbau bis in die 1990er-Jahre darniederlag und das Hochfahren von Minen bis zu zwanzig Jahre dauert. Deshalb sagte Chalmin dem Rohstoffgeschäft ein goldenes Zeitalter voraus – «und damit der Schweiz mit dem inzwischen grössten Cluster».

Unfairen Handel gibt es nicht

Guillermo Valles

Als Binnenland ohne Hafen sei die Schweiz ein aussergewöhnlicher Handelsplatz für Rohstoffe, bemerkte Guillermo Valles von der United Nations Conference on Trade and Development Unctad in Genf: Das Land müsse verantwortungsvoll mit dieser Rolle und ihren Risiken umgehen. Die Rohstoffbranche handle vorwiegend «mit den Schwächsten der Ärmsten», stellte der Handelsdiplomat fest: Viele Länder in Schwarzafrika hängen zu 80% bis 100% von ihren Rohstoffexporten und damit von der Preisentwicklung auf diesen Märkten ab. Ausserdem leiden sie unter dem «resource curse», also dem Fluch, dass sich wegen der sprudelnden Einnahmen aus dem Bergbau die übrige Wirtschaft nicht entwickelt.

«Wir müssen diese Machtasymmetrien sehen», mahnte Valles. Aber er stimmte auch Professor Chalmin zu, der eine Unterscheidung von fairem und unfairem Handel ablehnte und betonte: «Die Menschen verhungern nicht wegen fehlender Nahrungsmittel, sondern wegen schlechter Regierungen.» Um ihre Verantwortung zu übernehmen, müssten die reichen Länder ihre Entwicklungshilfe auf Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft ausrichten und dürften ihre eigenen Bauern nicht mehr von den Weltmärkten abschotten, also den Entwicklungsländern Exportchancen verwehren.

Vor einer glänzenden Zukunft

Wie die «schillernde, geheimnisvolle Branche» tatsächlich arbeitet, erklärte Daniel Jaeggi von Mercuria Energy Trading in Genf, einem der fünf grössten unabhängigen Energiehändler. «Wir arbeiten nur mit unserem intellektuellen Kapital», nannte er als wichtigsten Grund, weshalb die Rohstoffhändler die Verschwiegenheit pflegen und ihre Aktien zumeist nicht im Publikum streuen: «Wir haben auf keiner unserer Ideen das Copyright – wenn wir der Welt sagen, wie wir unseren Profit machen, kopiert man uns über Nacht.» Der Zwang zur Geheimhaltung bedeute aber nicht, dass beim Handeln keine Regeln und keine Transparenz herrschten, betonte Jaeggi. Er zeigte eine Liste von nicht weniger als 25 Behörden, denen seine Firma weltweit Rechenschaft schuldet: «Wo immer wir Geschäfte machen, gelten globale Regeln für uns.» Letztlich komme es aber auf die Corporate Social Responsibility an: «Wir verpflichten uns auf die höchsten legalen und moralischen Standards» – das beweist Jaeggi, indem er Interessierten aus Politik und Wirtschaft sein Geschäft vorstellt.

Daniel Jaeggi

Neu sei der Rohstoffhandel für die Schweiz nicht, betonte der Unternehmer. 1919 wurde die Groupe André in Lausanne gegründet; in den 1950er-Jahren kamen nach dem Sturz des ägyptischen Königs Faruk die Baumwollhändler, und in den 1990er-Jahren folgten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Erdölhändler: «Es dauerte Jahre, um den Weltklasse-Cluster in Genf, Zug und Lugano aufzubauen – solche Entwicklungen geschehen nicht über Nacht.» Das Geschäft sei nachhaltig, sagte Jaeggi: Von den täglich geförderten 2 Millionen Barrel Öl beispielsweise werden zwei Drittel nicht von den Förderfirmen verarbeitet, also auf dem Weltmarkt gehandelt. Daraus schloss auch Jaeggi: «Wir stehen vor einer glänzenden Zukunft.»

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