Die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bremsen, bedingt eine grundlegende Transformation des Energiesystems – weg von fossilen Energieträgern hin zu mehr Energieeffizienz und zu erneuerbaren Energien. Dies kommt einer Operation am offenen Herzen unserer Gesellschaft gleich, bildet doch jederzeit verfügbare und bezahlbare Energie ein unverzichtbares Element unseres Lebens.
2018 wurden in der Schweiz 63% der Endenergie durch fossile Energieträger gedeckt (vgl. Abbildung 1), und zwar hauptsächlich für die Bereitstellung von Raumwärme, Warmwasser und für die Mobilität. Damit verbunden waren die Emission von 31,8 Mio. t CO2. Im Rahmen des Paris-Abkommens hat sich die Schweiz verpflichtet, ihre Emissionen im Vergleich zu 1990 bis 2030 zu halbieren, und darüber hinaus hat der Bundesrat für 2050 das Ziel einer klimaneutralen Schweiz formuliert.
In Anbetracht der Tatsache, das die Emissionen aller Treibhausgase in der Schweiz zwischen 1990 und 2018 trotz aller bisher gemachten Anstrengungen bloss um 13,6% gefallen sind, tritt die Notwendigkeit einer massiven Beschleunigung der Transformation in aller Deutlichkeit zu Tage.
Der im Nachgang zu Fukushima beschlossene schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie, die 9% der Endenergie sowie gegen 40% der Elektrizität in der Schweiz abdeckt, akzentuiert die Herausforderungen weiter. Insgesamt benötigen wir in den nächsten 30 Jahren für 72% der heutigen Energieversorgung neue Lösungen. Auf den ersten Blick mag das als unmöglich erscheinen – die Erfahrungen der Vergangenheit geben allerdings Anlass zu Hoffnung: Zwischen 1945 und 1975 stieg der Endenergieverbrauch der Schweiz um 600%. Gleichzeitig ging der Anteil der beiden wichtigsten Energieträger Kohle und Holz, die 1945 noch 70% des Bedarf abgedeckt hatten, um den Faktor zehn zurück. Ermöglicht haben diesen Wandel laufend steigende Importe der fossilen Energieträger Öl und Gas, der Ausbau der einheimischen Wasserkraft und die Inbetriebnahme der Kernkraftwerke Beznau I und II. Während es damals primär um den massiven Ausbau der Energieversorgung ging, steht jetzt ein Umbau an, aber die Grössenordnungen sind durchaus vergleichbar.
Bereits absehbar ist, dass drei Trends die nächsten Jahre massgeblich prägen werden: auf der Produktionsseite sind dies: Der Wegfall von zentralen Stromproduktionsanlagen im In- und Ausland (Kernkraftwerke in der Schweiz und in Deutschland, fossile Kraftwerke im Ausland). Der Produktionsanteil der Kernkraft betrug 2018 in der Schweiz 36%. Ende 2019 wurde mit Mühleberg das erste Kernkraftwerk stillgelegt, das ca. 4% zur gesamten Stromproduktion in der Schweiz beigetragen hat. Wann genau die anderen Werke folgen, steht noch nicht fest.
Konkreter sind die Abbaupläne in Deutschland, wo bis Ende 2022 alle Kernkraftwerke vom Netz genommen werden, was einem Wegfall von 72 GWh pro Jahr bzw. 14% der Gesamterzeugung entspricht. Die Kohlekraft, die aktuell ca. 30 % des deutschen Strombedarfs deckt, soll bis 2038 ebenfalls vom Netz gehen.
Anders gelagert ist die Situation in Frankreich. Der Anteil der Kernenergie an der Stromproduktion beträgt ca. 70%, und der Kraftwerkpark hat eine ähnliche Altersstruktur wie in der Schweiz. Es stellt sich also die Frage, wie viele der Reaktoren durch neue ersetzt werden und welcher Anteil durch erneuerbare Energie geleistet werden kann. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch in Frankreich der Anteil an Bandproduktion zugunsten von fluktuierenden Quellen sinken wird und damit weniger Bandenergie exportiert werden kann.
Der Wegfall von Bandproduktion soll durch den Ausbau von erneuerbaren, dezentralen Produktionsanlagen kompensiert werden. Am weitesten ist diese Entwicklung in Deutschland fortgeschritten, wo Wind- und Sonnenenergie 2019 bereits für 33% der gesamten Stromproduktion verantwortlich waren. In der Schweiz trugen Photovoltaik und Wind 2018 nur gerade 3,2% zur Stromproduktion bei. Damit lässt sich nicht einmal die Produktion von Mühleberg über das ganze Jahr gesehen ersetzen, und im Winterhalbjahr ist der Beitrag nochmals kleiner. Einen gewissen Anteil kann die Wasserkraft leisten, allerdings sind diesem Ausbau aus ökologischen Gründen (Restwassermengen etc.) Grenzen gesetzt. Dass die Geothermie oder gar die Kernfusion in absehbarer Zukunft eine signifikante Rolle bei der Stromproduktion spielen könnte, ist unwahrscheinlich.
Auf der Nachfrageseite wird das Bild durch die Elektrifizierung von Gebäuden und Mobilität dominiert. Wärmepumpen überwiegen heute bereits im Neubaubereich. Insgesamt wurden aber 2018 immer noch 66% der Raumwärme mit fossilen Energieträgern gedeckt. Die im neuen CO2-Gesetz vorgeschlagene Limitierung der CO2-Emissionen auf 20 kg / m2 und Jahr bei einer Heizungserneuerung wird den Eins-zu-eins-Ersatz fossiler Heizungssysteme in den meisten Fällen verunmöglichen. Da Wärmeverbundnetze nicht sehr verbreitet sind und das Potenzial von Holzheizungen ebenfalls limitiert ist, werden mehrheitlich Wärmepumpen zum Zug kommen.
Auch wenn der Anteil der reinen Elektrofahrzeuge noch weniger als 1% bei den Personenwagen ausmacht, nimmt deren Anteil rasch zu. Befeuert wird diese Tendenz durch die weitere Verschärfung der Emissionsvorschriften für Neuzulassungen auf 95 g CO2 / km seit 2020. Alle grossen Automobilhersteller sind bemüht, ihr Angebot mit rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen zu verbreitern. Nicht zu unterschätzen ist die potenzielle Dynamik dieser Entwicklung. Das Auto-Durchschnittsalter in der Schweiz beträgt 9 Jahre, d.h. ca. 10% der Flotte wird pro Jahr erneuert. Sollte sich die Modellauswahl an Elektroautos rasch verbreitern und preislich attraktiv gestaltet werden, könnte der Elektrifizierungsgrad der Flotte in wenigen Jahren stark zunehmen. Damit der Wechsel von einem Energieträger zu einem anderen unter dem Klimaaspekt Sinn ergibt, muss der neue Energieträger zwingend einen sehr hohen Anteil an erneuerbarer Energie enthalten. Denn Elektromobilität mit Strom aus fossilen Quellen hilft nicht gegen den Klimawandel.
Weiterführende Informationen: Nachhaltige Antriebskonzepte