Erneut scheint die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung zu scheitern. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur HEV-Initiative «Sicheres Wohnen im Alter» die Zustimmung versagt. Der HEV-Vorstoss will den Eigentümern im Rentenalter ein Wahlrecht zwischen dem geltenden System und dem Verzicht auf Eigenmiete und Schuldzinsabzug einräumen. Der  Gegenvorschlag möchte  –  von Vergünstigungen für Neueigentümer abgesehen –  auf die Besteuerung des Naturaleinkommens aus dem eigenen Haus ganz verzichten.

Sonderinteressen statt Grundsatzdebatte

Viel mehr als von grundsätzlichen Erwägungen zu einem kohärenten Steuersystem wird die politische Dauerdebatte von allen möglichen gegenläufigen Sonderinteressen am Laufen gehalten:

  • Dem HEV geht es wohl um eine Umverteilung zugunsten der Älteren. Denn die Rentner haben ihre Hypotheken weitgehend abbezahlt und wären somit die Hauptprofiteure der Neuerung – allerdings auch deshalb, weil sie vom geltenden Regime vermutlich stärker belastet werden als die Jüngeren. Gemäss Schätzungen macht der Eigenmietwert im Durchschnitt ca. 10% des steuerbaren Einkommens der Eigentümer aus, und dieser Anteil dürfte bei den Rentnern wegen der tieferen Einkommen höher sein.
  • Auch die Bauwirtschaft ist direkt betroffen. Wenn der Ertrag aus dem Wohneigentum nicht mehr veranlagt würde, stiege die Nachfrage nach diesem Vermögenswert. Dies würde per Saldo den Wohnbau ankurbeln. Das Bauhauptgewerbe würde deshalb die Abschaffung des Eigenmietwertes ebenfalls begrüssen.
  • Auf der anderen Seite steht etwa das Renovations- und Unterhaltsgewerbe. Der Wegfall des Unterhaltsabzugs wäre ihm ein Dorn im Auge. Unter den geltenden Bestimmungen werden werterhaltende Unterhaltsaufwände subventioniert. Bei einem geschätzten Grenzsteuersatz auf dem Einkommen von 25% werden diese Leistungen aufgrund der Abzugsfähigkeit vom Einkommen im gleichen Umfang verbilligt, was – bis dato – die Nachfrage stimuliert.
  • Die Finanzbranche fürchtet, dass bei einem Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung neben allem anderen Ungemach nun sogar das risikoarme inländische Hypotheken-Geschäft unter Druck käme, denn der Wegfall des Schuldzinsabzugs würde, mindestens kurzfristig, die Nachfrage nach Hypotheken schmälern. Das Resultat wäre eine geschätzte Verkürzung der Bankbilanzen um 5% bis 10% und ein entsprechender Rückgang der Gewinne.
  • Der Bund und noch mehr die Kantone sorgen sich um ihr Steuersubstrat. Das heutige Nullzins-Umfeld führt dazu, dass der Saldo von Eigenmietwert und Schuldzinsen ungewöhnlich gross ist. Die Reform würde darum zu substanziellen Steuerausfällen führen. Diese Situation ist aber keineswegs in Stein gemeisselt. Anfangs der Neunziger Jahr war dies gerade umgekehrt. Bei Zinsen um die 6% übertraf der Schuldzinsabzug die Eigenmietwerte bei weitem.

Die heterogenen Interessen führen immer wieder dazu, dass das Fuder überladen wird. So will sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag den Unterhaltsabzug beibehalten und so die Hauseigentümer und das Baugewerbe gleichzeitig begünstigen. Im Endeffekt wird es aller Voraussicht nach für längere Zeit beim Status Quo bleiben.

Sowieso fraglicher Reformbedarf

Ein Unglück ist das nicht, denn das geltende System ist steuersystematisch richtig. Ein Grundsatz der Besteuerung lautet, dass das Verhalten und die Lebensentwürfe der Menschen möglichst wenig beeinflusst werden sollten, es sei denn, es gelte ein Marktversagen zu beheben. Von einem solchen kann beim Wohneigentum aber keine Rede sein. Der Entscheid zwischen Miete und Eigentum ist ein rein privater.

Daran ändert auch nichts, dass Hauseigentümer angeblich die glücklicheren Menschen sind, wie eine Studie der Hochschule Luzern  unlängst behauptete. Mit dem gleichem Argument müsste der Staat auch Wellness-Ferien oder Luxusautos fördern. Es gibt keinen Grund, Eigentümer von selbstgenutztem Wohnraum gegenüber Eigentümern von Wertpapieren oder Sparbüchern zu bevorteilen.

Genau dies brächte aber der Verzicht auf die Eigenmietwertbesteuerung mit sich. Die in den eigenen vier Wänden gebundenen Mittel könnten auch anders investiert werden, zum Beispiel in Obligationen oder einem Immobilienfonds. Die Erträge aus dieser Alternativanlage unterliegen selbstverständlich der Einkommenssteuer. Die Wohneigentumsquote sollte also nicht von Steuern bestimmt werden, sondern von den ökonomischen Fundamentaldaten: Einkommen, Zinsen, Mieten und Hauspreise.

Avenir Suisse wird im Januar ein neues Buch mit dem Titel «Steuerpolitische Baustellen. Fiskalische Irrwege und Herausforderungen» veröffentlichen. Darin wird der Besteuerung des Eigenmietwertes ein Beitrag gewidmet sein.