«Panorama»: Bringt das schweizerische Berufsbildungssystem Ihrer Meinung nach die Fachkräfte mit den richtigen Kompetenzen hervor?

Patrik Schellenbauer: Eine austarierte Mischung aus Praxis und Allgemeinwissen ist auf dem Arbeitsmarkt mehr denn je ein grosses Plus, die duale Berufsbildung hat hier einen grossen Vorteil gegenüber rein schulisch ausgerichteten Systemen. Daneben vollbringt die Berufslehre durch die betriebliche Sozialisierung eine unschätzbare Integrationsleistung. Allerdings sind viele Berufsbilder sehr spezifisch ausgestaltet. Dies erschwert die berufliche Mobilität. Zudem hat sich der Mix der angebotenen Lehrstellen in letzter Zeit vom Arbeitsmarkt entfernt. Es fehlen vor allem Lehrstellen in den modernen Dienstleistungen und der IT, teilweise aber auch in anspruchsvollen Industrieberufen. Darum sind Berufswechsel nach der Lehre häufig und ein flexibler Arbeitsmarkt, der dies ermöglicht, bleibt zentral.

Was müsste sich in der Berufsbildungspolitik oder -praxis ändern?

Heute enthält die Hälfte der Curricula keine Fremdsprache. Grundsätzlich sollte in jeder Berufslehre eine Fremdsprache Platz haben. Das muss nicht immer und ausschliesslich in der Schule stattfinden, denn in einem vielsprachigen Land müssten mehr kreative Lösungen möglich sein. Als Vorbild kann hier die englischsprachige KV-Lehre in Zug gelten. Die kurzfristige Renditeorientierung mit der Erwartung, dass die Lehre sich für den Betrieb schon während der Lehrzeit lohnen muss, setzt den Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der dualen Bildung oft enge Grenzen, denn weniger Zeit im Betrieb senkt die Rendite. Die Berufsmatura befindet sich in diesem Spannungsfeld. Das Lehrstellenmarketing sollte darum wieder vermehrt die Langfristigkeit der Investition in junge Menschen betonen. Zu überlegen wäre, ob Lernende nach dem EFZ eine gewisse Zeit an den Betrieb gebunden werden könnten, um die Anreize für die Lehrbetriebe zu erhalten.

Wie beurteilen Sie den verbundpartnerschaftlichen Prozess, mit dem Ausbildungsbestimmungen erarbeitet werden?

In der verbundpartnerschaftlichen Ausgestaltung der Curricula kommt das korporatistische Element der Berufslehre zum Ausdruck. Zum einen verleiht dies dem System Stabilität und Legitimation. Zum anderen macht es nötige Veränderungen zu einer anspruchsvollen Aufgabe und senkt die Reformdynamik.

Dieses Interview erschien im «Panorama» vom 19.02.2014.
Mit freundlicher Genehmigung des «Panorama».