Diese Woche haben sich die eidgenössischen Räte mit zwei finanzpolitisch brisanten Themen befasst: der Verlängerung der befristeten (sic!) Subventionierung von familienergänzender Kinderbetreuung einerseits und den Deckungsbeiträgen des Bundes an den regionalen Personenverkehr anderseits. Die Fragwürdigkeit der Bundesstützung für Krippenplätze würde bereits in einem früheren Blogbeitrag beleuchtet. Finanzpolitisch nicht minder problematisch ist jedoch die Defizitdeckung des regionalen Personenverkehrs (RPV) durch den Bund.

Der RPV umfasst die Angebote des öffentlichen Verkehrs (Bahn und Bus), die nicht dem Fernverkehr (in Verantwortung des Bundes) oder dem Ortsverkehr (in Verantwortung von Kantonen und Gemeinden) zugeordnet werden. Sein Betrieb ist immer noch als Verbundaufgabe ausgestaltet. Die Bestellung des ÖV-Angebots wird alle zwei Jahre vom Bund und den Kantonen gemeinsam durchgeführt, wobei die Federführung bei den Kantonen liegt. Die ungedeckten Kosten werden dann allerdings vom Bund und den Kantonen gemeinsam getragen (Art. 30 Abs. 1 PBG).

Bedingung für die Mitfinanzierung durch den Bund ist eine Erschliessungsfunktion (Art. 6 Abs. 1 Zif. a ARPV). Diese ist bereits gegeben, sobald eine Ortschaft mit mindestens hundert Einwohnern an ein übergeordnetes Netz angeschlossen wird (Art. 5 VPB). Der Bund zahlt seinen Anteil faktisch an jede noch so kleine regionale Bahn- oder Buslinie – unabhängig von Kosten-Nutzen-Überlegungen.

Hinzu kommt, dass die Beitragsquote des Bundes nicht für alle Kantone gleich ist, sondern nach strukturellen Kriterien abgestuft wird: In Kantonen mit geringer Bevölkerungsdichte übernimmt der Bund einen höheren Anteil der anfallenden Kosten als in solchen mit hoher Bevölkerungsdichte (vgl. Abbildung). Ausgerechnet in den peripher gelegenen ländlichen Kantonen, deren ÖV-Linien oft eine schlechte Auslastung haben und daher nur sehr niedrige Kostendeckungsgrade erreichen, zahlt der Bund den grössten Teil der Unterdeckung.

Kurzfristige Budgetoptimierung statt Effizienz

In der Publikation «Liberales Schattenbudget» schlägt Avenir Suisse vor, die Definition der Erschliessungsfunktion zu verschärfen und den Bundeshaushalt damit zu entlasten. Die jüngsten Beschlüsse von National- und Ständerat zielen nun genau in die entgegengesetzte Richtung. Der Verpflichtungskredit für die Jahre 2018-2021 wurde gegen den Willen des Bundesrates von 3,96 auf 4,1 Mrd. Fr. erhöht und auch direkt freigegeben (der Bundesrat sah eine Überprüfung im Jahr 2019 vor). Effizienzüberlegungen rücken bei diesem warmen Geldregen weiter in den Hintergrund.

Die einzig konsequente Lösung wäre es langfristig ohnehin, Infrastruktur und Betrieb des RPV komplett in die Hände der Kantone zu geben. Nur schon die Bezeichnung «Regionalverkehr» zeigt ja, dass es sich hier um eine Aufgabe handelt, die nicht auf Bundesebene anzusiedeln ist. Die daraus folgenden Investitionsentscheidungen setzen Verteilung über Effizienz, denn sie sind das Ergebnis politischer Verhandlungen statt gesamtwirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Überlegungen. Die Kantone hätten einen deutlich grösseren Anreiz, das ÖV-Angebot im Sinne von Nachfrage- und Effizienzkriterien zu gestalten, wenn sie dessen Infrastrukturkosten und die Kostenunterdeckung im Betrieb allein tragen müssten.

Kantonale Interessen im Konflikt mit nachhaltiger Finanzpolitik

Wie so oft haben sich die Kantone mit ihren Anliegen in der Bundespolitik durchgesetzt. Sie gehören auch zu den Hauptprofiteuren der beschlossenen Stützung der familienergänzenden Kinderbetreuung – dies notabene obwohl sich der Souverän explizit gegen eine entsprechende Bundeskompetenz ausgesprochen hat. Dass der Bundeshaushalt aufgrund der sich abzeichnenden Defizite eigentlich dringend entlastet werden müsste, geht in der Diskussion hingegen völlig unter. Leidtragende sind am Schluss alle: Der Bund, weil die Einhaltung der Schuldenbremse akut bedroht ist, die Kantone, die zusätzliche Einnahmen gegen Selbständigkeit eintauschen, und vor allem die Bürgerinnen und Bürger, die eine vermeintlich solidarische Finanzierung von Bund und Kantonen mit einem ineffizienten Einsatz ihrer Steuergelder bezahlen.