Nachgelagerte Studiengebühren – eine Idee, die polarisiert. Zugegeben: der Name ist ungünstig gewählt, denn wer bezahlt schon gerne Gebühren? Wer ein Auge fürs Politmarketing hat, würde sie wohl in «bedingungslose Studiendarlehen» umtaufen. Denn im Grunde genommen geht es bei dieser fundamentalen Reform der Bildungsfinanzierung, die Avenir Suisse in einer neuen Publikation untersucht hat, genau darum.
Rückzahlung nach dem Studium ab einem Mindesteinkommen
Studiendarlehen stünden sämtlichen Studierenden offen, unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund und – im Unterschied zu klassischen Studiendarlehen – ob sie Kreditsicherheiten einbringen können. Zu einer Rückzahlung käme es erst nach dem Studium, und nur dann, wenn ein gewisses Mindesteinkommen erwirtschaftet wird. Auf der anderen Seite wären die Studiengebühren kostendeckend – anders als der heutige Obolus, der nicht einmal 10 Prozent der für den Staat anfallenden Studienkosten deckt.
Was sich nach Utopie anhört, ist in Tat und Wahrheit ein erprobtes Instrument, das in vielen Ländern erfolgreich eingesetzt wird; im Pionierland Australien gar schon seit über dreissig Jahren. Dort wurde das System stetig weiterentwickelt, und inzwischen existieren sogar finanzielle Anreize, damit angehende Studierende einen Studienbereich wählen, in dem Fachkräftemangel herrscht.
So weit müsste man in der Schweiz nicht gleich gehen. Die Einführung von nachgelagerten Studiengebühren, verbunden mit einer verursachergerechten Kostenbeteiligung, wäre der entscheidende erste Schritt. Dieser würde die wichtigen Anreize setzen; etwa zur Wahl des Studiums und für eine kürzere Studienzeit. Oft wird heute das erste Uni-Jahr als «Schnupperlehre» verwendet. So wechseln gemäss dem kürzlich veröffentlichten Bildungsbericht jeweils rund 20 Prozent der Studierenden den Fachbereich innerhalb der ersten beiden Studienjahre.
Auch die momentan hochdiskutierte Teilzeitproblematik könnte mit den bedingungslosen Darlehen etwas entschärft werden, indem ein stärkeres Bewusstsein für die tatsächlichen Kosten des Studiums geschaffen wird. Komplett lösen lässt sie sich damit aber nicht, denn die Wahl des Arbeitspensums hängt von vielen Faktoren ab. Zusätzliche Massnahmen wie die Individualbesteuerung wären da zielgenauer, um insbesondere den Beschäftigungsgrad von Frauen zu erhöhen.
In mehrfacher Hinsicht gerechter als heute
Doch etwas muss man klarstellen: Mit nachgelagerten Studiengebühren wäre die Chancengerechtigkeit gestärkt. Im Gegensatz zu einer allgemeinen Erhöhung der Studiengebühren ohne begleitende Massnahmen schreckt sie deutlich weniger von einem Studium ab. Sie könnten gar die Bildungsmobilität erhöhen, wie eine Studie für England gezeigt hat, da angehende Studierende weniger Kosten im Vorfeld sowie während des Studiums selbst tragen müssen.
Auch die Chancengerechtigkeit gegenüber Absolvierenden einer Berufslehre würde erhöht. Diese berappen nämlich nach wie vor den grössten Teil ihrer Ausbildungskosten selbst. Bei der Hochschulbildung hingegen mehren sich die Hinweise, dass die fiskalische Rendite (die das Verhältnis zwischen höherem Steuerertrag und staatlichen Bildungskosten ausdrückt) wegen des wachsenden Anteils der Teilzeitbeschäftigten tendenziell abnimmt.
Wie bei jeder fundamentalen Reform fehlen die praktischen Einwände nicht. Eine der häufigsten Kritiken betrifft das Risiko, dass Absolventen ins Ausland abwandern würden, um der Rückzahlung zu entgehen. Der Einwand ist weit hergeholt: Er erwartet eine unrealistisch starke Verhaltensanpassung der Erwerbstätigen auf eine alles in allem bescheidene Erhöhung der Steuerprogression.
Was in der gesamten Diskussion nicht vergessen werden darf: Ein Studium bringt der Gesellschaft mehr als nur Fiskalrendite. Mit einem höheren Bildungsstand sind positive Nebeneffekte verbunden. Gerade in Bezug auf Forschung und Innovation ist eine starke Hochschullandschaft unerlässlich. Damit diese nicht in Gefahr gerät, muss aber sichergestellt werden, dass die Kosten der Ausbildung auch von denjenigen getragen werden, die den grössten Nutzen daraus ziehen.