Die Schweiz im Spannungsfeld der globalen Trends - Inhaltsübersicht
CH 1995 2035
CH 1995 2035: Den Herausforderungen ins Gesicht schauen
Der Schweiz geht es nach wie vor gut. Die Kaufkraft der Löhne ist hoch, die Arbeitslosigkeit liegt tief, die Lebenserwartung steigt weiter und gleichzeitig ist das Alter kein Armutsrisiko mehr. All dies bestätigen auch die Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Lebensqualität der Städte. Doch so viel Erfolg kann den Blick trüben oder gar zu Selbstzufriedenheit führen. Verdrängt wird zum Beispiel, dass das qualitative Wachstum, gemessen an der Arbeitsproduktivität, seit längerem unterdurchschnittlich verläuft und die Investitionsquote rückläufig ist. Ein wenig wird man an die Zeit nach dem Zusammenbruch des Kommunismus erinnert, jene grosse Zeitenwende des letzten Jahrhunderts, in der die Schweiz plötzlich zurückzufallen drohte. Zu lange hatte sie den korporatistischen «Sonderfall Schweiz» zelebriert, statt sich marktwirtschaftlichen Reformen zu verschreiben, wie es die aufsteigenden Länder Südostasiens und später die ehemaligen kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas mit Überzeugung und Verve taten. Nach der Ablehnung des EWR-Beitritts durch die Stimmbevölkerung 1992 verharrte die Schweiz in einer zermürbenden wirtschaftlichen und politischen Stagnation. Das Reformmanifest «Mut zum Aufbruch» drei Jahre danach, in der Öffentlichkeit zwar heftig umstritten und kontrovers diskutiert, war ein erster marktwirtschaftlicher Wink mit dem Zaunpfahl. Es kam in den folgenden Jahren zumindest in Ansätzen zu einer marktwirtschaftlichen Erneuerung und mit dem Beschreiten des bilateralen Wegs mit der EU gingen einige Liberalisierungen einher, deren Früchte die Schweiz vor allem im letzten Jahrzehnt ernten konnte.
Doch der Elan von einst hat sich verflüchtigt. Weil es unserem Land (noch) besser geht als unseren europäischen Partnern, leistet man es sich, Probleme kleinzureden oder zu verwalten, statt sie beherzt anzupacken. Die politischen und intellektuellen Energien werden zunehmend dafür eingesetzt, den scheinbar vom Himmel fallenden Überfluss anders zu verteilen anstatt die Grundlagen dieses Wohlstands den neuen Notwendigkeiten anzupassen. Diese Grundlagen geraten damit immer mehr in Vergessenheit. Entsprechend sorglos sieht man zu, wie die Säulen des Erfolgs bröckeln. Zentrale Erfolgspfeiler der Prosperität für weite Kreise der Bevölkerung waren und sind die unternehmerische Innovationskraft und staatliche Rahmenbedingungen, die dies ermöglichten, Offenheit gegenüber der Welt, der föderalistische Systemwettbewerb, das bevölkerungsnahe Politisieren dank Milizsystem und halb-direkter Demokratie, aber ebenso die politische Stabilität, einhergehend mit innen- und aussenpolitischer Berechenbarkeit sowie die ausgeprägte Internationalisierung von zahlreichen Unternehmen.
Es ist Zeit, sich diese Pfeiler in Erinnerung zu rufen und sich auf liberale Werte, die Vorteile flexibler Märkte und die institutionellen Errungenschaften der Willensnation zu besinnen. Sie haben nicht nur den bisherigen Erfolg der Schweiz getragen. Vielmehr gilt es, sie weiter zu entwickeln, wenn diese Nation auch in 20 Jahren zu den Ländern zählen will, in denen Wohlstand für den überwiegenden Teil der Bevölkerung Realität ist.
In den nächsten zwei Monaten wird Avenir Suisse auf ihrer Website aufzeigen, wo die Schweiz heute steht und mit welchen wichtigen Herausforderungen sie in den zwanzig Jahren bis 2035 konfrontiert sein wird und wie sie diese in den letzten zwanzig Jahren gemeistert hat (oder auch nicht). Den Analysen zur Schweiz liegen die grossen globalen Trends zugrunde: Die weltweite Vernetzung steigt, einhergehend mit der Globalisierung schreitet die Urbanisierung voran, die Menschen werden immer älter, ihre Lebensgestaltung individueller. Die Unsicherheiten und Verwerfungen der letzten Jahre lassen vielfach den Ruf nach mehr Staat ertönen. Der Mittelstand fühlt sich angesichts geringerer Aufstiegsperspektiven unter Druck. In den Augen vieler ist der «globale Fussabdruck» nicht nachhaltig, und im technischen Fortschritt, zumal in der Digitalisierung, sehen viele Menschen mehr Gefahren als Chancen. Die Zahlen und Fakten der verschiedenen Kapitel skizzieren vor allem die Herausforderungen. Dazu werden aber immer auch Reformmöglichkeiten dargelegt, die der Sicherung einer prosperierenden und freiheitlichen Schweiz dienen. Damit schliesst diese Online-Publikation gedanklich an zwei frühere Schriften an. Das erwähnte Weissbuch «Mut zum Aufbruch» einer Gruppe von Wirtschaftsführern, das 1995 veröffentlicht wurde. Und das erste eigentliche Teamwerk von Avenir Suisse, «Ideen für die Schweiz – 44 Wege, die Zukunft zu gewinnen» vom Januar 2013, nahm diesen frühen Reformimpetus wieder auf.
Für die vorliegende Publikation wird eine digitale Herangehensweise in Etappen gewählt, welche die Zusammenhänge in Grafiken visualisiert. Jedes der acht Kapitel steht für einen globalen Trend, der zum Auftakt mit einer Schlüsselgrafik veranschaulicht und in kurzen Worten beschrieben wird. Aus jedem globalen Trend leiten sich Herausforderungen für die Schweiz ab. Wo die Daten verfügbar sind, wird die Entwicklung zwischen 1995 und 2015 visualisiert und wo Prognosen bzw. Szenarien existieren oder sich Extrapolationen anbieten, werden mögliche Entwicklungen bis 2035 weitergezeichnet. Kurze Texte erläutern die wichtigsten Aussagen der Grafiken und helfen, die Entwicklungen, die Aussichten und den Handlungsbedarf besser zu verstehen. Insgesamt sollen so 24 Herausforderungen in ihren verschiedensten Facetten beleuchtet werden. Nach globalen Trends gebündelt werden zudem liberale Antworten auf die Herausforderungen übersichtlich zusammengefasst präsentiert. Den Anfang machen die beiden globalen Trends «Globalisierung» und «Alterung», danach wird jede Woche ein weiteres Kapitel aufgeschaltet.
Auch wenn diese Publikation ihr Entstehen fast dem ganzen Team von Avenir Suisse verdankt, muss doch ein Kollege besonders erwähnt werden. Lukas Rühli, Senior Fellow bei Avenir Suisse, war der spiritus rector hinter dieser Arbeit, er hat geplant, geschrieben, koordiniert, in unermüdlicher Kleinarbeit die vielen Grafiken zusammengestellt und immer wieder neu um leicht verständliche, aber doch nicht banale Darstellungen gerungen.
Die in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Avenir-Suisse-Publikation richtet sich nicht in erster Linie an die Experten in den jeweiligen Fachgebieten, sondern an alle, denen das wirtschaftliche und gesellschaftliche Wohlergehen der Schweiz am Herzen liegt. Sie will, ohne in Alarmismus zu verfallen, faktenorientiert und nüchtern, aber doch mit Nachdruck aufrütteln und den Reformbedarf aufzeigen. Die Kürze der Texte erlaubt es zwar nicht, beliebig in die Tiefe zu schürfen, aber da die Problemanalysen mitunter auch auf früheren Avenir-Suisse-Studien basieren, in denen die Sachverhalte genauer behandelt werden, handelt es sich oft um eine aktualisierte und kompakte Verdichtung bestehenden Wissens. Dieses Kondensat der Avenir-Suisse Arbeit bietet auf ansprechende Weise «food for thought». Es ist eine Publikation für Beunruhigte, für Wissensdurstige, für Lesemuffel, für Grafikfreunde, für Eilige und für Ungeduldige.
Wir wünschen eine anregende Lektüre.
Peter Grünenfelder (Direktor) und Patrik Schellenbauer (Chefökonom)
Impressum
Projektverantwortlicher:
Lukas Rühli
Autoren:
Dominik Hauri,Lukas Rühli,Tobias Schlegel, Marco Salvi,Tibère Adler, Patrik Schellenbauer
Lektorat:
Silvio Borner, Peter Grünenfelder,
Harold James, Verena Parzer-Epp, Jean-
Pierre Roth, Gerhard Schwarz
Gestaltung:
Stefan Fraefel, www.stefanfraefel.ch
Webkoordination:
Verena Parzer-Epp, Simone Hofer Frei
Webdesign:
Ronny Ellefsen, www.tapeinteractive.com
Programmierung:
Roman Kanuka