In den vergangenen Jahren sind die Zentralbanken zunehmend zur Projektionsfläche politischer Wünsche geworden – auch in der Schweiz. Je länger die Bilanz der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wurde, desto länger wurde der Forderungskatalog an sie. Die SNB sollte wahlweise Klimaschutz betreiben, die strukturell defizitäre AHV sanieren oder die Pensionskassen entlasten. Glücklicherweise haben sich diverse Ökonomen, Politiker und auch die SNB selbst gegen solche von Partikularinteressen getriebenen Forderungen gestemmt.

Das Ziel einer Zentralbank ist die langfristige Preisstabilität unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung. Genau so ist auch das Mandat der SNB formuliert. Dieses Mandat mit weiteren Zielen anzureichern, würde zwingendermassen die Sicherstellung der Preisstabilität unterminieren. Auch eine hohe Ausschüttung von Gewinnen an Bund und Kantone ist kein primäres Ziel der SNB. Hier waren die Abwehrversuche gegenüber der Politik jedoch weniger erfolgreich.

Vervielfachung der Gewinnausschüttung

Während der Auftrag der SNB bisher unangetastet geblieben ist, wurde die Gewinnausschüttung wegen des steigenden politischen Drucks jüngst massiv erhöht. Die Ungewöhnlichkeit der Situation war zwar augenscheinlich – die Bilanzsumme der SNB war gemessen an der Wirtschaftsleistung noch nie so gross. Aber in der politischen Diskussion waren die zeitweise hohen Gewinne der SNB schlicht zu verlockend.

In der Folge erhielten Bund und Kantone mehr und mehr Geld. In den zwei Dekaden vor 2020 belief sich die Gewinnausschüttung der SNB auf durchschnittlich knapp 2 Mrd. Fr. pro Jahr. Dann wurden plötzlich 4 Mrd. Fr. und schliesslich 6 Mrd. Fr. pro Jahr ausgeschüttet – eine Verdreifachung. Als Grund wurden die hohen Gewinne der vergangenen Jahre angegeben.

Bereits früher hat Avenir Suisse darauf hingewiesen, dass die hohen Gewinne der SNB einer ungewöhnlichen Situation geschuldet waren. Die ausserordentliche Geldpolitik im Nachgang der Finanzkrise von 2008 hat zu einer Bilanzausweitung auf über 140% des BIP Anfang 2022 geführt. In einem freundlichen Umfeld an den Finanzmärkten konnte die SNB mit ihren Vermögenswerten hohe Gewinne erzielen. Es war aber klar, dass sich diese Situation auch umkehren kann. Das hat sich jüngst mit hohen Verlusten an den Anleihen- und Aktienmärkten bewahrheitet.

Über die Gewinne einer Zentralbank

Dass die SNB-Gewinne der Öffentlichkeit zukommen sollen, ist unbestritten. Die Frage ist allerdings, wieviel Gewinn pro Jahr ausgeschüttet werden soll. Die beiden Ökonomen Ernst Baltensperger und Thomas Jordan haben dabei einst zwischen dem klassischen Geldschöpfungsgewinn (Seigniorage) und dem übrigen Notenbankgewinn unterschieden. Die Seigniorage sollte der Theorie nach konstant anfallen und bei Preisstabilität ungefähr mit der Wirtschaftsleistung wachsen. Entsprechend sollte dieser Teil des Gewinns auch ausgeschüttet werden: konstant und der Wirtschaftsleistung entsprechend wachsend.

Notenbankgewinne sind volatil. Wer eine Vervielfachung der Gewinnausschüttung in guten Zeiten verlangt, der muss auch tiefere Ausschüttung in schlechten Zeiten verkraften. (Photoholgic, Unsplash)

Beim übrigen Notenbankgewinn ist die Sachlage etwas komplizierter. Wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, fällt gerade bei einer unkonventionellen Geldpolitik der übrige Notenbankgewinn äusserst volatil aus. Eine Glättung der Ausschüttung bietet sich entsprechend an. Doch auch wenn geglättet, stellt sich die Frage, ob hier eine starke und nachhaltige Gewinnsteigerung über die Zeit möglich ist. Wie in der Publikation «Abstandsregeln zur SNB einhalten» aufgezeigt, ist das wenig wahrscheinlich, denn auch der übrige Notenbankgewinn ist eng mit der Geldpolitik verzahnt.

Ein plötzliches und nachhaltiges Ertragswachstum ohne Auswirkungen auf die langfristige Preisstabilität ist mehr als unwahrscheinlich. Eine Vervielfachung der Gewinnausschüttung schien also von Beginn weg wenig nachhaltig. Trotzdem wurde eine solche vorgenommen. Mit den jüngsten enormen SNB-Verlusten ist es somit folgerichtig, die Ausschüttung nun ganz auszusetzen.

Die Volatilität als Warnung

Eine hohe Volatilität bei der Gewinnausschüttung ist wirtschaftspolitisch nicht wünschenswert – eine Glättung wäre für alle Beteiligten von Vorteil. Doch viele, die derzeit eine Glättung fordern, haben einst am lautesten nach höheren Gewinnausschüttungen gerufen. Das ist inkonsequent. Wer eine Vervielfachung der Gewinnausschüttung in guten Zeiten verlangt, der muss auch tiefere Ausschüttung in schlechten Zeiten verkraften.

Der Verzicht der SNB auf eine Gewinnausschüttung bewirkt damit hoffentlich auch etwas Positives. Indem er nämlich in Erinnerung ruft, dass eine Zentralbank keine allmächtige Institution ist. Die SNB muss sich deshalb auf die Wahrung der Preisstabilität konzentrieren können, denn diese Aufgabe ist herausfordernd genug. Diese Tatsache zu ignorieren ist gefährlich. Wer von einer Zentralbank ein politisches Wunschkonzert verlangt, erhält über kurz oder lang einen geldpolitischen Schwanengesang.