Eine bedeutende Delegation von 40 Wirtschaftsführern besuchte im letzten Monat während ihres Aufenthaltes in der Schweiz auch Avenir Suisse. Während eines halben Tages ergab sich so die Gelegenheit, verschiedene Politikmassnahmen von Neuseeland und der Schweiz zu vergleichen und zu diskutieren. Zurück in Neuseeland präsentiert Roger Partridge – Vorsitzender der New Zealand Initiative und der Delegation – im Artikel («Unusual Business in Switzerland») ein Fazit seines Besuches in der Schweiz.

Als Schweizer kann man sich durch Partridges Überlegungen nur geschmeichelt fühlen. So kommt er zum Schluss, dass Neuseeland in den Politikbereichen Wohnungsmarkt, Regierung und Bildung vieles von der Schweiz lernen kann. Dem kann auch Avenir Suisse zustimmen: Die Schweiz ist sicher, gut organisiert und friedlich. Entsprechend geniesst das Land auch ein hohes Wohlstandsniveau. Doch dieser Erfolg ist keineswegs selbstverständlich, und gerade die Selbstzufriedenheit ist sein grösster Feind. Wie im Sport ist ein Spieler nur so erfolgreich, wie er es im nächsten Spiel ist. Folglich muss sich jedes Land auch für das nächste Spiel vorbereiten. In diesem Sinn werden im Folgenden anhand der drei Politikfelder, die Partridge dargelegt hat, Möglichkeiten für die Schweiz zur Verbesserung aufgezeigt.

Wohnungsmarkt

Roger Partridge ist der Ansicht, dass der Schweizer Wohnungsmarkt – anders als derjenige Neuseelands – trotz beträchtlichem Anstieg der Immigration erfolgreich geblieben ist. So liegt die Inflation der Immobilienpreise dank lokalen Kompetenzen in der Planung und Entwicklung in der Schweiz deutlich unter dem neuseeländischen Niveau.

Wir denken auch, dass lokales Regieren auf lokaler Ebene und Subsidiarität Vorteile mit sich bringen, aber im Schweizer Immobilienmarkt läuft trotzdem nicht alles rund. Wie Patrik Schellenbauer in der Publikation «Wanderung, Wohnen und Wohlstand» darlegt, ist der Mietwohnungsmarkt (die meisten Schweizer leben in Mietwohnungen) enorm reguliert. Grundsätzlich sind die Mieten gesetzlich an die Kosten der Immobilienbesitzer gebunden, was verhindert, dass die Preise einen Indikator für Knappheit darstellen. Dies führt zu einer Aufteilung des Mietwohnungsmarktes in einen Hochpreissektor mit neuen Immobilien und einem stark restringierten Niedrigpreissektor mit den damit einhergehenden Symptomen langer Wartelisten, Unterbesetzung und tiefer Marktliquidität. Darüber hinaus führen restriktive Bauvorschriften in vielen Städten und Gemeinden zu unbeabsichtigten Anreizen, die in Zersiedelung resultieren.

Es ist klar, dass eine erfolgreiche Wohnungsmarktpolitik marktorientierter sein muss. Nur so können die aktuellen Missstände im Wohnungsmarkt behoben und die heutige Verschwendung von ökologisch und ökonomisch wertvollem Land in der Schweiz bekämpft werden.

Regierungsform

Eine dezentrale Regierungsform, die dem Prinzip der Subsidiarität folgt – Kompetenzen und Verantwortung auf der tiefstmöglichen Regierungsstufe – führt zu besseren Resultaten als eine zentralisierte Regierung. Wir stimmen mit Roger Partridges Einschätzung überein, dass eine nach dem Subsidiaritätsprinzip organisierte Regierung die Interessen der Bürger besser wahrnehmen kann. Er argumentiert überzeugend dafür, dass Neuseeland stark davon profitieren könnte, mehr Macht an die Regionen zu übertragen. Es würde insbesondere dem Immobilienmarkt zugutekommen, wenn die Regionen das Recht erhielten, selbst Steuern erheben und ausgeben zu können.

Was die Subsidiarität und den steuerlichen Föderalismus betrifft, ist die Schweiz tatsächlich hervorragend unterwegs. Doch selbst in unserem Land stellt dieses System zunehmend eine vom Aussterben bedrohte Art dar. Lukas Rühli und Natanael Rother zeigen in « NFA 2- Für die Revitalisierung des Schweizer Föderalismus» ein Geflecht von Fiskaltransfers, welche zwischen den Kantonen und dem Bund hin und her fliessen. Darüber hinaus ist dieses System unter ständigem Beschuss vom Zentralisierungsbestreben verschiedener Interessensparteien. Eine solche Zentralisierung verursacht unbeabsichtigte Anreize zu Budgetüberschreitungen bei gewissen staatlichen Dienstleistungen – zum Beispiel grosse Infrastrukturprojekte – und zu Minderausgaben bei anderen.

Durch die Rückgabe von Aufgaben und die Pflicht zu deren Finanzierung hin zu den Kantonen könnte der Schweizer Föderalismus wiederbelebt werden. Der bestehende nationale Finanzausgleich – ein insgesamt ökonomisch sinnvolles Instrument – sollte dann vollumfänglich und ausschliesslich die Disparitäten bezüglich Ressourcen und Lasten zwischen den Kantonen angehen.

Höhere Bildung

Für Roger Partridge bringt das neuseeländische Bildungssystem, insbesondere der tertiäre Bereich, im Vergleich zur Schweiz einige Nachteile mit sich. Auch hier stimmen wir überein, dass unser duales Bildungssystem erfolgreich sicherstellt, dass der Zugang zu höherer Bildung nicht nur für Mittelschulabsolventen, sondern auch für Absolventen einer Berufsausbildung offen steht. Jeder intelligente Kopf kann von einer produktivitätsfördernden tertiären Ausbildung profitieren.

Die Schweiz hat bereits beträchtlich in dieses System investiert. Der Bund und die Kantone unterstützten die Fachhochschulen mit jährlich mehr als 1.8 Mia. Fr., die öffentlichen Universitäten zusätzlich mit 6.8 Mia. Fr. Grundsätzlich ist jeder Franken für das Bildungssystem eine sinnvolle Investition. Aber holen wir aus dem Betrag auch das Optimum heraus? In «Mehr Konzentration der Kräfte im Hochschulraum Schweiz» stellt Patrik Schellenbauer fest, dass nicht weniger als 62 Schweizer Städte Institutionen höherer Bildung aufweisen und dies in einem Land von knapp 40’000 Quadratkilometer und einer Bevölkerung von 8.5 Mio. Zudem sind die Angebote an den einzelnen Institutionen wenig ausdifferenziert und hinterlassen den Eindruck, dass alle darum kämpfen, die volle Bandbreite an Studiengängen anzubieten.

Diese Doppelspurigkeiten legen nahe, dass man durch Spezialisierung und Skaleneffekte mehr aus den grosszügigen Ressourcen im tertiären Bereich machen könnte. Die Ausbildung der nächsten Generation ist ein so wertvoller Rohstoff, dass kein Franken verschwendet sein darf.

Agrarpolitik

Schafherde in Neuseeland. (Wikimedia Commons)

Zusätzlich zu Roger Partridges Überlegungen lässt sich sagen, dass Neuseeland im Bereich der Agrarpolitik herausragende Leistungen erbringt. In diesem Sektor bewegt sich die Schweiz leider eher am Ende der Rankings. Die Schweizer Landwirtschaft hält den unbestrittenen Rekord unter den OECD-Staaten, was staatliche – Unterstützung – einschliesslich stark marktverzerrende – anbelangt Neuseeland hatte nicht immer eine solch leistungsfähige Landwirtschaft. Wie in anderen OECD-Ländern wurde auch die neuseeländische Landwirtschaft stark durch den Staat gestützt. Dennoch hat es Neuseeland geschafft, seine Landwirtschaft von einem «Klotz am Bein» in einen wettbewerbsfähigen und höchst profitablen Sektor zu verwandeln. Wie die New Zealand Initiative an ihrer Präsentation bei Avenir Suisse aufzeigte, war dies keineswegs naheliegend. Aber vieles erscheint unmöglich, bis man es schliesslich umsetzt.

Die Schweizer Landwirtschaft muss nicht der Neuseeländischen entsprechen. Aber es gibt auch keine Notwendigkeit, ein Weltmeister im Bezug teurer und verzerrender Staatshilfen zu sein.

Abschliessend stimmen wir zu, dass die Schweiz ein grossartiges Land ist. Doch dies ist lediglich das Resultat der letzten, erfolgreich gespielten Spiele. Statt unsere Hände selbstzufrieden in den Schoss zu legen, muss die Schweiz sich für die nächsten Herausforderungen wappnen. Nur so bleibt sie ein wohlhabendes und herausragendes Land. Die oben diskutierten Politikfelder bieten, neben anderen, eindeutig Raum zur Verbesserung.

(Übersetzung aus dem Englischen: Mattias Ruchti)