Jedes frischgebackene Elternpaar kennt das Märchen der kleinen Raupe Nimmersatt. Im Bilderbuch des US-amerikanischen Autors Eric Carle frisst sich die aus einem Ei schlüpfende Raupe eine Woche lang unaufhörlich durch allerlei Lebensmittel. Nach sieben Tagen ist sie dick und rund. Doch am Ende verpuppt sich die Raupe und wird zu einem Schmetterling.
Alles andere als ein Happy End zeichnet sich hierzulande dagegen bei der öffentlichen Ausgabenpolitik ab. Die Corona-Pandemie hat eine ausserordentliche Wachstumsdynamik bei den Staatsausgaben ausgelöst, die nach der offiziellen Aufhebung aller pandemiebedingten Restriktionen unvermindert weitergeht. Zwar erklärte der Bundesrat Mitte Februar 2022 die schweizweiten Massnahmen gegen die Corona-Pandemie grösstenteils für beendet, jedoch schlagen im laufenden Jahr die Corona-bedingten Sonderausgaben mit immer noch fast 10 Mrd. Fr. zu Buche. Auch in der Mehrjahresanalyse zeigt sich ein unvorteilhaftes Bild. Innert 30 Jahren ist die Staatsquote um 9,1 Prozentpunkte angestiegen.
Parallel zum Ausgabenwachstum verläuft die Personalausstattung im öffentlichen Sektor. Betrug der Stellenbestand des Bundes im Jahr 2000 noch rund 31’300 Vollzeitstellen, wuchs dieser bis 2021 auf knapp 38’000 Stellen an: ein «stolzes» Wachstum von 21,4 Prozent. Auch das mit Steuergeldern alimentierte Salär lässt sich durchaus sehen: Der Brutto-Jahresdurchschnittslohn pro Bundes-Vollzeitstelle beträgt heute 126’329 Franken, womit kein KMU mehr mithalten kann.
Der Bund besitzt allerdings keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal für extensive Ausgaben- und Personalpolitik: In den Kantonen und Gemeinden zeigt sich vielfach ein ähnliches Bild. Im Kanton Zürich etwa, dem Schweizer Wirtschaftszentrum, wächst der öffentliche Sektor mittlerweile rasanter als die Wirtschaft. Das Stellenangebot ist im Zürcher Privatsektor im letzten Jahrzehnt nur halb so schnell angestiegen wie jenes der öffentlichen Hand.
Die Ausgabenfreudigkeit der Politik führt schweizweit zu absonderlichen Blüten. So finanziert die Aargauer Gemeinde Brunegg unter dem Titel Standortförderung einen Bancomaten mit jährlich 15’000 Franken. 53’000 Franken flossen aus der Bundeskasse für «we&now – Ledertaschen und Accessoires aus biologischer Produktion und transparenter Lieferkette», 94’000 Franken wurden gesprochen für «Adam+Uva – Die freche Schweizer Traubenschorle für mehr Schweizer Trauben auf dem Markt». Ausser Kraft gesetzt werden ökonomische Gesetzesmässigkeiten vorab in der Klima- und Energiepolitik, wo Symbolpolitik den Vorrang vor wirksamer Eindämmung der Treibhausgasemissionen zu geniessen scheint. Mitnahmeeffekte sind hier besonders gross. Gemäss einer Untersuchung von Econcept für die Stadt Zürich würden 80 Prozent der Bezüger von Fördergeldern für Gebäudetechnikmassnahmen diese auch ohne Subventionen umsetzen.
Neuerdings liebäugelt der Bund gar mit der Schaffung eines Innovationsfonds für die Finanzierung von Startups, nachdem er sich noch letztes Jahr dagegen ausgesprochen hat. Es sollte daran erinnert werden: Innovation kann nicht vom staatlichen Bürokratenschreibtisch angeordnet werden, sondern entsteht multi-faktoriell. Anstelle ähnlich wie die Raupe Nimmersatt sich weiter aufzublähen, sollten sich Politik und Verwaltungsführung wieder auf das Primat der wirtschaftlichen und wirksamen Aufgabenerfüllung fokussieren – immerhin der weiterhin gültige finanzpolitische Leitsatz des Bundes.