Die ständische Ordnung der Stadt Zürich und ihrer Untertanengebiete im Spätmittelalter war geprägt von einer extensiven Verbotskultur und strengen Sittenmandaten. Der Landbevölkerung wurde unter anderem das Tanzen an Hochzeiten verboten, und auch die maximale Höhe des Wertes des Hochzeitsgeschenkes war streng reglementiert.
Initiiert durch die städtischen Zünfte wurde unter anderem auch ein Handwerksverbot ausserhalb der Stadt Zürich erlassen. Das Zürcher Überlegenheitsverständnis gipfelte 1488 im sogenannten «Hundemassaker». Da der städtische Adel Symbole der Jagd für sich alleine in Anspruch nahm, wurde das Töten sämtlicher Hunde der Bauernschaft angeordnet.
Dieser durchgreifende Ordnungsanspruch scheint sich auch heute noch im Kanton Zürich in vielen Bereichen bemerkbar zu machen. Im Kantonsranking des Avenir-Suisse-Freiheitsindexes reiht sich der Kanton bei den zivilen Freiheiten auf dem zweitletzten Platz ein. Bei einer Vielzahl an Indikatoren ist eine höhere Regulationsdichte ziviler Freiheiten zu beobachten als in anderen Kantonen. Beim Nichtraucherschutz etwa verschärfte der Kanton die Vorschriften des Bundes und erliess ein Verbot von Raucherlokalen. Ebenso wurde der Zugang zum Richteramt 2016 für einen Grossteil der Bevölkerung eingeschränkt.
Und noch immer scheint das Thema Hunde eine ungebrochene Faszination auszuüben. Als einer von nur vier Kantonen verbietet der Kanton Zürich das Halten bestimmter Hunderassen. Wenn auch aus gänzlich anderen Motiven als im Mittelalter wird die Freiheit von Hundehaltern massiv eingeschränkt. Trotz einer liberalen Grundordnung bürdet der Kanton Zürich seiner Bevölkerung bei den zivilen Freiheiten eine Vielzahl von Einschränkungen und Verboten auf – so viel, wie es sich fast in keinem anderen Kanton beobachten lässt.
Neue Debatte über Freiheit
Der Avenir-Suisse-Freiheitsindex zeigt, dass es im Kanton Zürich dringend einen intensiveren Diskurs über freiheitliche Werte und liberale Grundsätze des Zusammenlebens braucht. Auch wenn es sich bei den Einschränkungen zur Richterwahl, von Veranstaltungen an hohen Feiertagen, beim Nichtraucherschutz oder dem Verbot von Hunderassen nur um einzelne Beispiele handeln mag: In ihrer Kombination und ihrer Vielzahl schränken diese Bevormundungen die individuelle Lebensgestaltung ein. Es kann zwar argumentiert werden, dass in dicht besiedelten städtischen Gebieten das Handeln des Einzelnen viel rascher eine Auswirkung auf die Handlungsmöglichkeiten eines anderen hat als in einer ländlich geprägten Umgebung. Das resultierende grössere Reibungspotenzial kann deshalb zu einer dichteren Regulierung des zivilen Lebens führen. Dies ist jedoch keine generelle Rechtfertigung für die Vielzahl von Verboten, die sich im Kanton Zürich finden.
Bevölkerung von der kurzen Leine lassen
Die im interkantonalen Vergleich überdurchschnittlich ausgeprägte Verbotskultur ist kritisch auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Wie der Avenir-Suisse-Freiheitsindex aufzeigt, führt die schiere Masse an Verboten im interkantonalen Vergleich zu einem der restriktivsten Umfelder in Bezug auf zivile Freiheiten. Will sich der Kanton Zürich als Wirtschaftszentrum der Schweiz langfristig behaupten, sollten zumindest nicht mehr behördliche Verbote erlassen werden als dies andere Kantone tun.
In einem eigentlichen Deregulierungspaket müssten die übergriffigsten Verbote abgeschafft werden. Ergänzend wären auch die einschlägigen Behördenprozesse und Vorschriften daraufhin zu hinterfragen, ob sie noch zeitgemäss sind oder nicht eher ein Hindernis bei der Weiterentwicklung des Kantons darstellen. Und um dem Prinzip der Subsidiarität zu genügen, sind allfällige Regulierungen – wenn immer möglich – lokal und nicht kantonsweit festzuschreiben. Es ist an der Zeit, der Kantonszürcher Bevölkerung ein Mehr an Freiheit zuzumuten und sie von der kurzen Leine zu lassen.