Das Handelsregister ist eine umfassende Datenbank zur Schweizer Wirtschaft. Darin sind unter anderem alle Kapitalgesellschaften mit verschiedenen Informationen aufgelistet. Auf den ersten Blick wäre das Handelsregister somit prädestiniert, zu einem zentralen Informationspunkt für jegliche geschäftliche Interaktionen zu werden. Dem ist aber nicht so.

Die Informationen im Handelsregister haben meist keine Relevanz für den Geschäftsalltag in der Schweiz. Vielmehr kommen gerade bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen private Dienstleister zum Zug. Diese unterhalten eigene Datenbanken mit relevanten Informationen, insbesondere Indikatoren zur Bonität.

Neben diesem beschränkten Nutzen kommt hinzu, dass die heutige Ausgestaltung des Handelsregisterwesens mit unnötigen Kosten verbunden ist. Der Gang aufs Handelsregisteramt stellt für die meisten Firmen eine mühsame bürokratische Übung dar. Teilweise sind daran sogar noch zusätzliche Bedingungen wie eine öffentliche Beurkundung geknüpft. Die Interaktion ist also komplex, zeitraubend und noch viel zu oft auf Papier basierend.

Geringer Nutzen und hohe Kosten: Warum hat sich das Handelsregisterwesen in der Schweiz bisher kaum weiterentwickelt? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick in die Geschichte.

Einst als Kontrollinstrument eingeführt

Das Handelsregisterwesen hat seinen Ursprung in Zeiten, die weit vor dem Entstehen der modernen Schweiz liegen. Entsprechend war die Entwicklung stark kantonal geprägt. In Zürich, dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich bedeutendsten Kanton der Schweiz, spielten etwa bei der Entwicklung des Handelsregisters die Zünfte eine zentrale Rolle.

Schon auf dieser historischen Postkarte des Zürcher Sechseläutens aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts war die Herrschaft der Zünfte über die Wirtschaft der Stadt Geschichte. (Wikimedia Commons, Graphische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich)

Bis ins 18. Jahrhundert lag in Zürich sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Macht in den Händen verschiedener Zünfte. Mit der aufkommenden Proto-Industrialisierung geriet dieses System unter Druck, doch die Zünfte versuchten ihre Kontrolle über die Wirtschaftsbeziehungen ins neue Zeitalter zu retten. So wurde etwa mit dem Zürcher Fabrikgesetz von 1717 eine Pflicht zum An- und Abmelden von «fabrizierenden» Bürgern und deren «Associés» eingeführt. Die Einträge wurden in sogenannten «Ragionenbüchern» festgehalten.

Das Führen von Registern mit Handeltreibenden und Fabrizierenden (sog. «Ragionenwesen») wurde in dieser Zeit ebenfalls in anderen Städten der Eidgenossenschaft eingeführt. Ähnliche Register entstanden beispielsweise 1698 in Genf, 1712 in St. Gallen und 1719 in Basel – der aus dem Italienischen abgeleitete Begriff «Ragionen» tauchte im deutschsprachigen Raum erstmals 1685 in Augsburg auf.

Das erste Zürcher Ragionenbuch wurde von der Staatskanzlei geführt, es war jedoch auch mit dem kaufmännischen Direktorium und damit den Zünften verknüpft. Die liberale Verfassung von 1831 führte dann zu grundlegenden Veränderungen und verbesserte die Wirtschaftsfreiheit im Kanton. Ab 1836 war die Registrierung von Firmen in jedem Bezirk möglich, die Ragionen erschienen neu im Amtsblatt, und die Ragionenbücher wurden öffentlich einsehbar.

Zusammen mit dem gesamtschweizerischen Obligationenrecht wurde Ende des 19. Jahrhunderts schliesslich die heute bekannte Handelsregistrierung eingeführt. Lange Zeit änderte sich wenig. Erst mit dem Aufkommen von Informatiksystemen und dem Internet war man gezwungen, gewisse Prozesse zu überdenken – leider wurde das aber nicht konsequent gemacht.

Die Krux mit der Digitalisierung

Im Jahr 2008 trat eine vollständig revidierte Handelsregisterverordnung in Kraft, die erstmals nicht mehr von Papier als Grundmedium ausgeht, sondern von elektronischen Daten und Schnittstellen. Mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren sollte auf eine rein elektronische Führung des Handelsregisters umgestellt werden. Soweit die Theorie – die Praxis sieht derweil anders aus. So musste die Eidgenössische Finanzkontrolle zehn Jahre nach der Reform feststellen: «Die Gesuche für einen Eintrag im Handelsregister erfolgen heute immer noch vorwiegend auf Papier.»

Erst kürzlich wurde die Handelsregisterverordnung zwar leicht angepasst, um gewisse Prozesse zu harmonisieren und zu vereinfachen, mehr aber nicht. Wer in diesem Bereich etwas Innovatives erwartet, wurde bisher stets enttäuscht. Obwohl sich in den nächsten Jahren umfassende Veränderungen aufdrängen, lassen sowohl Gesetz- als auch Verordnungsgeber die Vision einer vollständig digitalen Geschäftsführung mit entsprechenden Schnittstellen zum Staat sowie zur Öffentlichkeit vermissen.

Den Zünften ging es noch darum, mit der Registrierung die Kontrolle über die wirtschaftliche Entwicklung zu bewahren. Mit der Errungenschaft der Wirtschaftsfreiheit ist diese Funktion glücklicherweise weggefallen. Dessen ungeachtet hat man am Konzept des Handelsregisters festgehalten. Mehrheitlich wurde das mit dem Gläubigerschutz erklärt. In der Tat kann eine Datenbank wie das Handelsregister mehr Transparenz schaffen, und damit den Gläubigerschutz erhöhen.

Insofern ergibt das Grundprinzip einer öffentlichen Datenbank auch im digitalen Zeitalter durchaus Sinn. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Organisation und Verwaltung der Datenbank sowie die Art der eingetragenen Daten in der derzeitigen Form zielführend sind – vieles deutet darauf hin, dass dem nicht so ist:

  • Erstens bietet sich an, bei einer umfassenden Revision des Handelsregisters die Rechtsgrundlagen und die damit verknüpften Anforderungen an die Eintragung zu überdenken – vgl. dazu den früheren Beitrag «Minimales Gründungskapital – wozu eigentlich?».
  • Zweitens gilt es, die Schnittstellen zum Handelsregister komplett zu digitalisieren. Das wurde teilweise bereits umgesetzt und gewisse Grundlagen dafür sind vorhanden. Allerdings führt gerade die Vorschrift der öffentlichen Beurkundung für eine Reihe von Mutationen dazu, dass in der Praxis die elektronische Interaktion eine untergeordnete Rolle spielt – deshalb wurde jüngst auch im Parlament ein Vorstoss lanciert, dies rasch anzupacken.

Die zentrale Datenbank der Schweizer Wirtschaft neu denken

Eine konsequente Digitalisierung der Schnittstelle zum Handelsregister könnte auch einer Standardisierung und Automatisierung Bahn brechen. Firmen könnten dann beispielsweise die Möglichkeit erhalten, gewisse Steuer- oder Bankdaten wie die Höhe der gesetzlichen Reserven oder der liquiden Mittel automatisch im Handelsregister zu veröffentlichen, um ihre Position im Geschäftsverkehr zu verbessern.

Zentral dabei wäre einerseits, dass die Echtheit der Daten elektronisch verifiziert werden kann, und andererseits, dass der Datenschutz im Fall von freiwillig veröffentlichten Daten gewahrt bleibt: Firmen müssen die volle Kontrolle darüber haben, für wen solche Daten einsehbar sind – Anschauungsunterricht zur Funktionsweise solcher Schnittstellen bietet das Bankwesen im Europäischen Wirtschaftsraum mit der neuen Zahlungsdienstrichtline PSD2.

Beim Handelsregisterwesen der Zukunft sollte somit das Beste aus zwei Welten kombiniert werden: die Dynamik der Privatwirtschaft beim Ergänzen der Daten und die Leitplanken des Staates bei der Sicherstellung der Integrität der Daten sowie des Datenschutzes. Das Handelsregister oder auf dessen Schnittstellen aufbauende private Plattformen könnten sich dann mehr und mehr zu vertrauenswürdigen «Corporate-Media» entwickeln.

Damit würde das Potenzial einer umfassenden Datenbank zur Schweizer Wirtschaft gehoben. Aus ökonomischer Sicht verbesserte die erhöhte Transparenz den Gläubigerschutz im Vergleich zu heute markant. Gleichzeitig reduzierten sich mit der konsequenten Digitalisierung die Kosten auf Seiten sowohl der Behörden als auch der Firmen.

Wer viel mit Tech-Unternehmen und Startups zu tun hat, würde diese Vision eines modernen Handelsregisterwesens wohl schon fast als alten Tubak abtun. Wer aber die Prozesse und Vorgänge in den 28 kantonalen Handelsregisterämtern[1] der Schweiz kennt, weiss, dass diese Vision des Handelsregisterwesens noch ferne Zukunftsmusik ist.

Wie kann diese Diskrepanz am schnellsten und effizientesten überwunden werden?

Alles auf einmal zu lösen wäre wohl eine Überforderung. Deshalb hat Avenir Suisse jüngst die Einführung einer neuen Rechtsform vorgeschlagen. Mit einer «digitalen Mini-GmbH» würden erste Erfahrungen mit einer vollständig digitalisierten Behörden-Interaktion gesammelt. Das könnte den längst fälligen und grundsätzlichen Wandel im Verständnis des Handelsregisterwesens einläuten. Die vollständige Publikation dazu finden Sie hier.

Teile dieses Beitrags sind der am 7.9.21 veröffentlichten Studie «Eine digitale Mini-GmbH für die Schweiz» entnommen.

[1] Im Kanton Wallis gibt es drei kantonale Handelsregisterämter. Zu den 28 kantonalen Handelsregisterämter kommen noch auf Bundesebene das Eidgenössischen Amt für das Handelsregister (Ehra) mit dem zentralen Register des Bundes, sowie das vom Seco herausgegebene Schweizerische Handelsamtsblatt (Shab).