Das Bundesparlament hat im März die Reform der Ergänzungsleistungen (EL) verabschiedet. Neu erhält nur Leistungen, wer Vermögen unter einer Obergrenze von 100’000 Franken hält. Die neue Regelung ist ein wichtiges Element, um die Akzeptanz der EL als Sozialversicherung und nicht als Erbschutz zu verankern.
Die Obergrenze berücksichtigt allerdings das Vermögen in Form selbstbewohnten Wohneigentums nicht. Im Todesfall müssen neu die an Wohneigentümer ausgerichteten EL jedoch aus der Erbmasse zurückbezahlt werden, sofern die Verstorbenen ein Vermögen von mehr als 40 000 Franken hinterlassen. Dies erspart den Rentnern den Stress, im angeschlagenen Zustand die eigene Wohnung verkaufen zu müssen, ohne dass die Allgemeinheit für wohlhabende Senioren aufkommen muss.
Die Regelung reduziert auch die Ungleichbehandlung zwischen Mietern und Wohneigentürmern. Heute müssen Mieter, die in einer «zu teuren» Wohnung leben, ihre Vermögen verbrauchen oder umziehen, bevor sie Ergänzungsleistungen erhalten. Die Mieter selber profitieren von der neuesten Reform insofern, als die anrechenbaren Mietzinsmaxima erhöht wurden.
Diese Maxima reichen jedoch nach wie vor nicht, um das Leben in sogenannten betreuten Wohnungen zu finanzieren. Für viele leichtpflegebedürftige EL-Bezüger, die oft Spitex- und Betreuungsleistungen benötigen, ist deshalb das Verbleiben zu Hause nicht mehr möglich. Für sie ist aus finanziellen Gründen ein Pflegeheimeintritt nötig, weil dort die Pflege-, aber auch die Hotelleriekosten vom Staat finanziert werden. Ein Verbleiben in betreuten Wohnungen wäre jedoch oft medizinisch hinreichend und insgesamt kostengünstiger. Höhere Mietzinsmaxima für betreutes Wohnen würden deshalb eine Lösung bieten, die mehr Autonomie für die Betroffenen garantiert und die Staatsfinanzen entlastet.
Das Bundesparlament hat sich gegen solche schweizweit gültigen Maxima für betreutes Wohnen entschieden. Das ist richtig so! Nicht weil die Idee per se schlecht ist, sondern weil eine für die ganze Schweiz gültige Lösung den kantonalen Unterschieden nicht gerecht würde. Ein einheitlicher Satz wäre vermutlich im Kanton Uri viel zu hoch und im Kanton Genf nicht ausreichend. Es heisst aber nicht, dass die Kantone diese Idee nicht verfolgen sollten – im Gegenteil. Jura und Graubünden haben solche Beiträge in ihrer kantonalen Gesetzgebung bereits aufgenommen, in anderen Kantonen werden entsprechende Modelle geprüft.
Weil Ergänzungsleistungen in Pflegeheimen mit kantonalen Steuermitteln finanziert werden, sollten die Kantone selber entscheiden, ob und wie zusätzliche Beiträge für betreutes Wohnen zu entrichten sind. Wo viele EL-Bezüger mit tiefem Pflegebedarf in Pflegeheimen wohnen, ist das Einsparpotenzial mit einer solchen Lösung tendenziell grösser.
Gleichzeitig darf angenommen werden, dass viele Pflegebedürftige nicht erst im hohen Alter in eine betreute Wohnung einziehen möchten, sondern bevor sie stark pflegebedürftig sind und ein Heimeintritt ausausweichlich wird. Die Einsparungen durch die Verzögerung des Heimeintritts um Monate müssen deshalb mindestens die Ausgaben eines früheren Aufenthalts von oft mehreren Jahren in einer betreuten Wohnung kompensieren. Die richtige Balance zu finden ist wichtig und von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Es lohnt sich, die Kantone als Versuchslabore wirken zu lassen und der Versuchung nationaler Vorgaben zu widerstehen.
Dieser Text ist am/in der Ausgabe Mai 2019 der Zeitschrift «Schweizer Versicherung» erschienen.