Nach der Diskussion des Ex-post-Systems im Bereich Entsorgung und Recycling – etwa einer Sackgebühr – fokussieren wir im vorliegenden Beitrag auf das Ex-ante-System, wie es etwa eine vorgezogene Entsorgungsgebühr darstellt. Es ergeben sich darin mehrere Organisationsmöglichkeiten. Gerade in der Schweiz, wo für viele Güter solche Systeme existieren, sind unterschiedliche Ansätze in der Praxis zu beobachten, wie einige Beispiele zeigen sollen:

Individuelle Selbstorganisation

Die einfachste Organisationsform eines Ex-ante-Finanzierungssystems besteht darin, dass der jeweilige Hersteller (bzw. Importeur) und damit Verkäufer des Produkts hierfür selbst verantwortlich ist. Gebühr und Art der Entsorgung bzw. des Recyclings innerhalb der regulatorischen Vorgaben liegen in seiner Obhut. Man könnte auch von einer wettbewerblichen Organisation sprechen, denn die individuellen Entsorgungskosten werden damit Teil des Produktpreises. Dies ist auch gleich der grösste Vorteil eines solchen Systems, denn der Anreiz zu einer kostengünstigen und effizienten Umsetzung ist sehr hoch. Auch können durch überzeugende Nachhaltigkeitskonzepte Wettbewerbsvorteile generiert werden (Dobson 2007). Dazu kommt, dass relativ wenige regulatorische Vorgaben genügen, was die Bürokratiekosten grundsätzlich tief hält.

Allerdings stösst das reine Wettbewerbsprinzip in einem Ex-ante-System an seine Grenzen, weil den Konsumenten in der Regel relativ hohe Transaktionskosten entstehen, indem das zu entsorgende Produkt an den entsprechenden Hersteller zurückgegeben werden muss. Das Netz an Rückgabepunkten ist im Vergleich zu anderen Organisationsformen meistens klein. Um trotzdem Anreize zu setzen, das Produkt nicht über den Haushaltkehricht zu entsorgen, wäre in der Konsequenz ein relativ hohes Depot nötig. Dies verzerrt jedoch die Preise relativ zu anderen Produkten und es wird ein hoher Anreiz für Umgehungen geschaffen, z.B. für Käufe im Ausland.

In der Konsequenz könnten hohe Bürokratiekosten zur Überwachung der Hersteller anfallen. Auf Herstellerseite wäre der finanztechnische Umgang mit hohen Depots eine Hürde, denn diese würden als Schuld – unter Umständen für eine sehr lange Zeit – in den Büchern bleiben, was Verwaltungskosten nach sich zieht und im schlimmsten Fall sogar Kapital zwecks Reserve bindet. In der Regel ist damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis der individuellen Selbstorganisation der Hersteller tiefer als bei einem Ex-post-System.

Wer nimmt den alten Fernseher? Verschiedene Ex-post-Systeme bieten unterschiedlich effiziente Lösungen. (Michał Lis, Unsplash)

Freiwillige Branchenlösung

Es ist deshalb naheliegend, dass sich Hersteller einer spezifischen Produktkategorie zur Organisation der Entsorgung und des Recyclings freiwillig für ein (Rücknahme-) System zusammenschliessen, typischerweise innerhalb ihrer Branchenverbände. In der Schweiz kennt man diese Lösung vor allem von elektronischen Geräten (vgl. Box). Zentrales Charakteristikum ist dabei, dass jede Verkaufsstelle Produkte der gleichen Kategorie zurücknimmt.

Dadurch sinken die Transaktionskosten der Konsumenten markant, die Anreizkompatibilität ist im besten Fall ohne Zusatzmassnahmen gegeben. Auch bleibt die Organisation der Entsorgung in solchen Systemen relativ schlank und kostengünstig, liegt dies doch im Interesse der jeweiligen Mitglieder. Im besten Fall können sogar Skalenerträge realisiert werden, sodass die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten tiefer ausfallen als bei einer individuellen Selbstorganisation. Dazu kommt, dass die Vertretung gegenüber der Regulierungsbehörde meist aus einer Hand erfolgt, was meist eine schlankere Regulierung erlaubt.

Allerdings ist der tendenziell eingeschränkte Wettbewerb ein Problem, denn die faktisch zentrale Organisation (es werden sich – gerade in kleineren Ländern – kaum mehrere freiwillige Systeme für die gleiche Produktegruppe herausbilden) bedingt auch die einheitliche Festlegung von Standards und Vorgehensweisen. Zwar wird das System aufgrund des Drucks durch die Mitglieder immer offen für Innovationen und Effizienzsteigerungen sein, allerdings fehlt das klassische «trial and error»-Prinzip, wie es in stark wettbewerblichen Systemen zu beobachten ist. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass ein gewisser Anreiz zum Trittbrettfahren besteht. Damit gemeint sind Hersteller, die sich nicht der Branchenlösung anschliessen, von der zur Verfügung gestellten Entsorgungsinfrastruktur aber gleichwohl profitieren – dies gilt prinzipiell auch für Auslandeinkäufe durch die Konsumenten selbst. Zwar kann dieses Problem theoretisch durch Kennzeichnungen gelöst werden, doch scheinen die administrativen Kosten gerade bei Massenprodukten im Verhältnis zum potenziellen Nutzen dafür zu hoch zu sein.

EAG-Recycling als Beispiel einer freiwilligen Branchenlösung

Die freiwillige Ex-ante-Finanzierung der Entsorgung durch Branchenverbände ist nicht nur ein theoretisches Konstrukt, sondern in der Realität beobachtbar. In der Schweiz ist das Recycling von Elektro-Altgeräten (EAG) das wohl bekannteste Beispiel. Die entsprechenden freiwilligen Systeme entstanden auf Initiative von Branchenverbänden ohne unmittelbare regulatorische Vorgaben. Ein wichtiger Anreiz dazu gab die Wertstoffrückgewinnung bzw. die Erträge daraus, die die Recyclingkosten zum Teil kompensieren. Die zwei heute relevanten Akteure Swico und Sens entstanden auf Initiative von verschiedenen, auf Produktgruppen basierenden Branchenverbänden. Zwar wurden die Bedingungen zur Entsorgung von EAG 1998 in einer Verordnung (VREG) formalisiert, sie widerspiegelt jedoch einfach das gewachsene freiwillige System. Heute erfolgt die Weiterentwicklung der Entsorgungsstandards unter Führung des Bundesamtes für Umwelt (Bafu), die Akteure des Rücknahmesystems können an der Revision der Standards mitarbeiten.

Die Rücklaufquote für EAG in der Schweiz ist – gerade im Vergleich zum Ausland – hoch. Ein Grund hierfür ist die Rücknahmepflicht des Handels, womit eine hohe Dichte an Rückgabestellen sichergestellt wird. Dies hält die Transaktionskosten für Konsumenten tief. Später sind auch Sammelstellen von Gemeinden dazugekommen. In einem Finanzierungssystem mit freiwilliger Branchenlösung ist eine Beteiligung der öffentlichen Hand aber nicht zwingend. Es ist Aufgabe des Entsorgungssystems, ein genügend grosses Netz an Rückgabestellen zu etablieren. Gemeindesammelstellen oder private Anbieter von Rückgabestellen können komplementär eine Rolle spielen. Es liegt an den Betreibern der Entsorgungsstellen und dem Branchenverband, sich auf die Vertragsbedingungen – insbesondere die Abgeltungen – zu einigen. Ein staatlicher, regulatorischer Eingriff ist nicht notwendig, auch wenn eine der Vertragsparteien eine Gemeinde sein sollte.

Leider ist das EAG-Recycling in der Schweiz auch ein Beispiel für die Relevanz der Trittbrettfahrer-Problematik. Besonders Online-Shopping setzt die gewachsenen Solidaritäten unter Druck. Auch wenn es für grössere Importe Lösungswege geben würde, so lässt sich die Problematik beim Konsum von Massenprodukten durch Endkunden nicht negieren. Allerdings scheinen bis jetzt die relevanten Ausfälle nicht so hoch zu sein, um das gesamte System ins Wanken zu bringen.

Zwangsverbund

Vor dem Hintergrund der Trittbrettfahrer-Problematik scheint es für den Regulator ein naheliegender Schritt, die Organisation innerhalb der Branche für obligatorisch zu erklären. Auch diese Organisationsform ist in der Schweiz bekannt, so wird das das Recycling von Glas (Vetroswiss) oder von Batterien (Inobat) durch einen Zwangsverbund betrieben, wobei die Gebühren in einer Verordnung des Uvek festgelegt werden. Sofern die Branche und ihre Vertreter immer noch Einfluss nehmen, bleibt auch ein gewisser Anreiz zur effizienten Organisation bestehen.

Allerdings ist dieser Anreiz wesentlich reduziert. Die verantwortliche Branchenorganisation ist faktisch ein staatlich sanktionierter Monopolist, der in erster Linie dem Regulator verpflichtet ist. Das sogenannte «Principal-Agent-Problem»verstärkt sich, d.h. die Verpflichtung des Zwangsverbundes gegenüber seinen Mitgliedern, bzw. gegenüber den Konsumenten wird tendenziell kleiner. Als Konsequenz wären eine hohe (evtl. auch nur implizite) Regulierungsdichte zu erwarten und damit eine ineffizientere Organisation der Entsorgung.

Staatliche Organisation

Vom staatlich sanktionierten Zwangsverbund ist es ein kleiner Schritt zur staatlichen Organisation. Die zentrale Steuerung des Entsorgungs- und Recyclingprozesses kann durchaus Vorteile haben. Die umfassende Kontrolle erlaubt eine einfache Umsetzung politischer Vorgaben, was besonders bei detaillierten Regulierungen von Vorteil ist. Der Koordinationsaufwand mit Verbänden entfällt, was die gesamtwirtschaftlichen Kosten sogar senken kann. Ähnlich wie beim Zwangsverbund ist zudem die Trittbrettfahrer-Problematik eliminiert.

Allerdings neigen staatliche Organisationen aufgrund ihrer Nähe zum Regulator eher zu bürokratischen Abläufen und zu geringerer Marktdynamik. Noch wichtiger ist, dass ein Anreiz zur Steigerung der Kosteneffizienz nicht besteht, da ihre primäre Orientierungsgrösse die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist. Daran werden sie korrekterweise auch regelmässig gemessen. Die Distanz zur ökonomischen Realität der betroffenen Branche ist ebenfalls problematisch, Anpassungen an sich ändernde Präferenzen der Konsumenten oder technologische Trends sind langwierig. Kann eine staatliche Organisation die Tarife bestimmen, ist auch politisches Lobbying nicht auszuschliessen. Schliesslich tendieren staatliche Gebühren oft dazu, Steuercharakter zu erhalten. Im Falle der Entsorgung würde das beispielsweise bedeuten, dass die Gebühren nicht am Entsorgungsaufwand, sondern z.B. am Produktpreis oder den staatlichen Einnahmezielen bemessen werden. Fiskalisch motivierte Ansätze haben aus ökonomischer Sicht nichts bei der Organisation von Entsorgung und Recycling zu suchen.