Viele wissenschaftliche Arbeiten zur Ökonomik der Entsorgung und des Recyclings von Haushaltskehricht, Grüngut und Altstoffen gehen der Frage nach, wie Abfallentsorgung und Wertstoffsammlung am besten organisiert sein müssten, damit diese ökonomisch effizient umgesetzt werden können. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Arbeit von Wayne Carroll (1995), die empirisch untersucht, wie sich das Recyclingprogramm einer Gemeinde im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin ausgewirkt hat.

Wir legen ein besonderes Augenmerk auf die Frage der ökonomischen Effizienz, da diesem Kriterium im politischen Alltag wenig Beachtung geschenkt wird (vgl. Recycling oder Entsorgung?). Effizienz beim Thema Entsorgung und Recycling kann mehrere Dimensionen annehmen: Im vorliegenden Fokus stehen einerseits die Kosten-Nutzen-Effizienz bezüglich des Umweltaspekts, anderseits die Kosteneffizienz der Organisation – wobei beide Dimensionen der Effizienz nicht unabhängig voneinander sind.

Es besteht ein zentraler Vorteil des Ex-post-Finanzierungssystems darin, dass es prinzipiell wettbewerblich organisiert werden kann (vgl. Varianten der Abfallfinanzierung). Damit wäre eine kosteneffiziente Organisation der Entsorgung und des Recyclings grundsätzlich sichergestellt. Die Kosten-Nutzen-Effizienz in Bezug auf den Umweltschutz hängt von der Regulierung ab. Eine Abwicklung ohne Staatseingriffe würde den Umweltnutzen (für die Allgemeinheit) zu tief gewichten (vgl. Abbildung), weshalb Vorgaben in Bezug auf Entsorgungspflicht und Umweltstandard der Entsorgungsart notwendig sind. Dies bedingt aber per se noch keine detaillierte zentralstaatliche Regulierungsvorgabe.

Trotzdem kennt die Schweiz ein umfassendes Abfallmonopol – das von den Kantonen grundsätzlich an die Gemeinden übertragen wird (Gemeindeverband 2018) – für Siedlungsabfälle (Haushaltskehricht, Grüngut, Sammlungen von Altstoffen) von Privathaushalten und Firmen. Nur grössere Unternehmen (seit 2019 solche mit mehr als 250 Mitarbeitern) sind hiervon ausgenommen (vgl. Art. 31b USG und Art. 3 VVEA). Statistisch betrifft diese Ausnahme nur 0,3% aller Unternehmen in der Schweiz (BFS – Statent 2020). Das Abfallmonopol kann damit begründet werden, dass bei der Einsammlung von Siedlungsabfällen durchaus relevante Skalenerträge bestehen, es also durchaus effizient sein kann, dass Gemeinden gegenüber Entsorgungs- und Recyclingunternehmen als Kunden auftreten, anstatt dass dies jeder Privathaushalt selbst organisiert.

In der Praxis kann es trotzdem zu überhöhten Abfallgebühren kommen, beispielsweise aufgrund schlechter Verhandlungsergebnisse, durch Quersubventionierungen in den Nicht-Monopol-Bereich (Ecoplan 2015) oder durch Leistungseinkäufe, die nicht den Bedürfnissen der im Monopol gefangenen Haushalte oder Firmen entsprechen.

Aus diesem Grund wäre es denkbar, den betroffenen Haushalten und Firmen zu erlauben, sich aus dem Monopol zu verabschieden («Opt-Out-Möglichkeit»). Eine analoge Idee befindet sich in Bezug auf die Kleinkonsumenten von Elektrizität im parlamentarischen Prozess (Uvek 2019). Zumindest sollte es den Kantonen und Gemeinden stärker als heute erlaubt werden, verschiedene Ansätze auszuprobieren. Dazu müsste die heutige Gesetzgebung auf Stufe Bund flexibler ausgestaltet werden.

Im Gegensatz zu Beobachtungen auf Ebene einzelner Gemeinden und grösserer Städte impliziert das staatliche Abfallmonopol jedoch keine integrierte staatliche Organisation. Denn oft sind die kommunalen Entsorgungs- und Recyclingunternehmen entweder Teil der Verwaltung oder als öffentlichrechtliche Körperschaften bzw. Aktiengesellschaften ausgegliedert (Schnell, Rühli und Müller-Jentsch 2018). Unabhängig von der Organisationsform ist jedoch kein Marktversagen auszumachen, das die Betreibung eigener Entsorgungsunternehmen durch die Kommunen rechtfertigen würde. Die Existenz privater und kompetitiver Firmen in diesem Bereich illustriert dies zusätzlich.

Wie in anderen Bereichen, wo staatliche Unternehmen in Konkurrenz mit Privaten stehen (z.B. Kantonalbanken oder Energieversorgungsunternehmen), besteht auch bei staatlichen Entsorgungsunternehmen die Gefahr von Interessenskonflikten, Wettbewerbsverzerrungen und übermässigen (finanziellen) Risiken zulasten des Steuerzahlers (Rutz 2016).

Anschauungsbeispiel für die entsprechende Problematik bilden die 2015-2019 bekannt gewordenen Probleme bei «Entsorgung und Recycling Zürich» (ERZ), dem Entsorgungsunternehmen der Stadt Zürich (vgl. Box). Deren Leitung versuchte, die Einengung der Organisationsform als Verwaltungseinheit flexibler zu handhaben. Poledna (2019) spricht vom Aufbau einer «Parallelwelt» (S. 203). Interessanterweise stellte sich in der Folge des Bekanntwerdens des «Skandals» keine Diskussion um die eine mögliche Auslagerung oder Privatisierung des ERZ ein. Im Gegenteil: Die Politik verlangt mehr Kontrollen und eine engere Führung (Stadt Zürich 2019). Doch nur durch die institutionelle Trennung von Leistungsbestellern und Leistungserbringern können die wettbewerblichen Vorteile eines Ex-post-Entsorgungssystems zum Tragen kommen.

Die ERZ-Affäre

Die Affäre rund um «Entsorgung und Recycling Zürich» (ERZ) nahm ihren Anfang im Jahr 2015, als bekannt wurde, dass Kostenüberschreitungen für ein Logistikzentrum durch Abrechnungen über falsche Konten kaschiert wurden, anstatt diese dem städtischen Parlament als Zusatzkredit zur Absegnung vorzulegen. Bis dahin galt ERZ als «innovativer und grüner Musterbetrieb», der regelmässig Gewinne in die Stadtkasse spülte. Das war nicht immer so: «Noch in den 90er Jahren befand sich das damalige Zürcher Abfuhrwesen (AWZ) in einem desolaten Zustand mit Schulden in dreistelliger Millionenhöhe.» (Stadt Zürich 2017). Allerdings gingen die Innovationsdynamik und die Agilität von ERZ auch damit einher, dass sich die Führung möglichst nicht den politischen Prozessen unterwerfen wollte, wie sie für einen verwaltungsinternen Betrieb eigentlich vorgesehen wären. Da der Unternehmenserfolg stimmte – Poledna (2019) spricht von Erfolgen, die Vertrauen schufen – und die Beaufsichtigung von Unternehmen solcher Grösse mit Aufwand verbunden ist, liess sie die städtische Politik gewähren.

Im Verlaufe der Jahre führte dies zu bizarren Auswüchsen: So wurden Emus auf einer Wiese von ERZ gehalten und durch Mitarbeiter gepflegt, ein nicht-öffentliches Oldtimer-Museum betrieben (mit Kehrichtwagen und anderen Arbeitsfahrzeugen) und alte Klärbecken zu Freibädern für Mitarbeitende umgebaut. Es wurden aber auch «schwarze Kassen» betrieben, luxuriöse Dienstwagen angeschafft und defizitäre Teilbereiche oder Tochterbetriebe mittels Buchhaltungstricks besser dargestellt. In dieses Bild passt ein weiterer Fall, der anfangs 2020 für Schlagzeilen sorgte (Stäuble 2020): ERZ ist an einer Pionieranlage in Hinwil finanziell namhaft beteiligt, die in industriellem Massstab Metalle wie Aluminium, Eisen, Kupfer, Zink und Gold aus der Schlacke der Kehrichtverbrennungsanlagen herauszieht. So reduziert sich nicht nur das zu deponierende Volumen der abzulagernden Schlacke, sondern durch die Rückgewinnung und dem Verkauf der Metalle können zusätzliche Erlöse generiert werden. Die Millioneninvestitionen von ERZ in das neue Verfahren haben sich bislang nicht ausbezahlt, die Kosten der Anlage sind massiv höher als im Businessplan vorgesehen. Den Einwohnern der Stadt Zürich droht ein weiteres finanzielles Debakel von geschätzten 20 Mio. Fr. Pikant ist, dass private Konkurrenten durchaus interessiert wären, ebenfalls die Schlacke nach Metallen zu durchsieben, aufgrund des staatlichen Engagements jedoch von entsprechenden Grossinvestitionen bisher abgesehen haben.

Compliance, Governance-Vorgaben und Rechnungskontrollen, wie man sie beispielsweise von Aktiengesellschaften kennt, waren in ERZ unterentwickelt, was mit einer möglichen Verletzung des Verwaltungsrechts einhergeht. Erst Hinweise eines «Whistleblowers» und eine darauffolgende Untersuchung haben zur Aufdeckung der Regelverstösse und Probleme bei ERZ geführt. In Zukunft sollen die Kontrollen entsprechend strenger und die Organisationskultur wieder an derjenigen der Stadtverwaltung orientiert sein. Dies wird jedoch das von Poldena beschriebene Grundproblem nicht lösen, wonach ein Zielkonflikt zwischen der Forderung nach «finanziellen, unternehmerischen, ökologischen und technischen Erfolgen einerseits sowie den in der Realität anzutreffenden engeren Vorgaben einer öffentlichen Verwaltung und der demokratischen Abläufe andererseits besteht» (S. 290).

Serie: Recycling

Die Schweiz gilt als Musterland im Umgang mit Siedlungsabfällen und Recycling – trotz jährlich 716 kg Abfall pro Kopf (Bafu). Die Infrastruktur genügt höchsten Ansprüchen, und was als Reststoffe anfällt, wird in hocheffizienten Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) entsorgt. Die entstehenden Schadstoffe werden grösstenteils herausgefiltert und die Abwärme entweder direkt als Fernwärme genutzt oder in Energie umgewandelt und wieder dem Wirtschaftsprozess zugeführt. Doch ein optimales Verhältnis von Kosten und Nutzen wird selten diskutiert. Das Ziel dieser Serie ist es, Ansätze für eine umfassende, volkswirtschaftlich fundierte Entsorgungs- und Recyclingpolitik zu liefern.

 

Links zu allen Blogs dieser Serie:

 

Recycling oder Entsorgung

Staatlicher Eingriff und optimale Recyclingquote

Varianten der Abfallfinanzierung

Trennung von Leistungserbringern und Bestellern

Grenzen des Wettbewerbs bei der Entsorgung

Ziele statt Methoden definieren

Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen