In der Schweiz gibt es nicht weniger als 200 Musikfestivals. Unser Land weist damit im europäischen Vergleich die höchste Anzahl von Clubs und Festivals mit Livemusik pro Einwohner auf. Gemessen an der Wohnbevölkerung ist dabei die Romandie überproportional versorgt: Mit 120 Festivals finden hier 60% aller Veranstaltungen in der Schweiz statt – in einem Sprachgebiet, das laut Bundesamt für Statistik gerade einmal 23% der Bevölkerung abdeckt. Über 60 dieser Musikevents – also mehr als jedes zweite – liegen an den Ufern des Léman.

Cash-Cow «Montreux»

Auch wenn die Festivalökonomie gesamthaft undurchsichtig ist, weil eine grosse Mehrheit der Veranstaltungen keiner kommerziellen Logik folgt und wichtige finanzielle Parameter wie die Gagen der Künstler intransparent sind, verfügen die Festivals über eine grosse direkte wirtschaftliche Bedeutung für die Region. Die 35 Mitglieder der Swiss Music Promoters Association (SMPA), die 80% der Billetverkäufe in der Schweiz generieren, erzielen einen Umsatz von 354 Mio. Fr. Alleine das Montreux Jazz Festival generiert gemäss Professor Francis Scherly (HEC Lausanne) 50 bis 55 Mio. Fr. zusätzlichen Umsatz an der Riviera. Eine jüngst erschienene Studie schätzt demgegenüber die wirtschaftlichen Auswirkungen des Paléo in Nyon auf 41 Mio. Fr. und auf 94’000 Fr. für das kleinere JVAL Openair in Begnins, dessen Organisationkomitee ehrenamtlich tätig ist.

Der Arc lémanique rockt. (freestocks.org, unsplash)

Die Musikfestivals in der Schweiz werden grösstenteils eigenfinanziert und erhalten nur minimale Subventionen. Die 69 Veranstaltungen des Verbands Petzi profitieren gesamthaft von höchstens 3,2 Mio. Fr. Während in Europa 2014 Clubs und Festivals mit nichtkommerzieller Ausrichtung zu 41% subventioniert wurden, waren es in der Schweiz gerade einmal 29%. Dabei profitieren hierzulande die grössten Festivals von den meisten Subventionen – eine schweizerische Besonderheit. So erhalten beispielsweise die grossen Veranstaltungen des Verbandes Petzi mit durchschnittlich 88’000 Fr. doppelt so viel wie die kleinere Konkurrenz mit nur 39’000 Fr.

Die Organisatoren sind daher gezwungen, zusätzliche Geldquellen zu erschliessen. Das Budget des Cully Jazz wird beispielsweise zu 40% durch Bars und Restaurants, zu 30% durch Billetverkäufe und laut einem Interview in «Le Temps» 2015 zu nur je 15% durch Sponsoring und Subventionen gedeckt. Die Musikfestivals sind also Teil einer lokalen Wirtschaftsdynamik, die einen Wettbewerb auslöst zwischen den Festivals auf Sponsorensuche und den Sponsoren, die einen exklusiven Auftritt an attraktiven Events suchen.

Florierendes Festival-Biotop

Das reichhaltige Angebot an Festivals am Arc lémanique, die idyllische Landschaft der Region und vor allem die gute Erreichbarkeit – eine sehr wichtige Voraussetzung für die Besucherzahlen – führten zu einem florierenden Festival-Biotop mit variierenden Playern, die mit den Grossveranstaltungen «Montreux», Paléo oder dem Caribana in Crans-près-Céligny koexistieren. Dabei erweist sich das Angebot als sprunghaft:  Jedes Jahr erscheinen neue Festivals, andere verschwinden nach wenigen Ausgaben sang- und klanglos wieder. Daraus entsteht ein System von Etablierten und neuen, oft kurzlebigen (Mikro-) Festivals.

Dieser Beitrag wurde erstmals in der Publikation «Einzigartige Dynamik des Arc lémanique» publiziert.