Das vorliegende «avenir debatte» ist ein typisches Produkt interkultureller Zusammenarbeit. Es entstand quasi im Zuge der Übersetzungsarbeit für unser im Januar 2015 auf Deutsch publiziertes Buch «Bürgerstaat und Staatsbürger», in dem Andreas Müller unter anderem für eine Belebung des Milizsystems durch einen «Bürgerdienst für alle» wirbt – für Frauen genauso wie für niedergelassene Ausländer.

Unser Team in der Romandie fragte sich in diesem Zusammenhang, wie es eigentlich um den Einbezug der ausländischen Wohnbevölkerung in die Milizaufgaben auf lokaler Ebene steht. Es traf dabei auf eine äusserst spärliche Informationslage, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Verwaltung. Grundsätzlich haben ausländische Staatsbürger auf Bundesebene keinerlei politische Rechte, doch sind die Kantone bei der Regelung dieser Frage frei. Bisher kennen 600 Gemeinden in sechs Kantonen das passive Wahlrecht für Ausländer. Eine kurzfristig organisierte Umfrage unter diesen Gemeinden – schweizweit die erste ihrer Art – brachte Interessantes zutage:

  1. Die absolute Zahl der politisch aktiven Ausländer ist noch relativ gering. In den 317 Gemeinden, die die Umfrage beantwortet haben, sind aktuell 148 Legislativ- und 19 Exekutivpolitiker aktiv. Dies kann, zumindest zum Teil, auch auf die ungenügende Informationslage zurückgeführt werden. Die politischen Rechte von Ausländern sind vielen unbekannt und werden kaum beworben.
  2. In den Gemeinden, die das passive Wahlrecht für Ausländer eingeführt haben, überwiegt die Zufriedenheit. Keine einzige der von Avenir Suisse befragten Gemeinden denkt darüber nach, das Ausländerwahlrecht wieder abzuschaffen.

Noch ist das passive Wahlrecht für Ausländer ein regionales Phänomen: Von den erwähnten 600 Gemeinden liegen 575 in der Westschweiz, 22 in Graubünden und 3 in Appenzell Ausserhoden. Es ist zu hoffen, dass sich auch in anderen Teilen der Deutschschweiz und im Tessin Nachahmer finden. Die Fürsprecher einer solchen Ausweitung der politischen Rechte von Ausländern müssen aber geduldig sein und auf eine Politik der kleinen Schritte setzen: Viele Volksabstimmungen zu diesem Thema sind mit Zweidrittelmehrheit oder noch höher abgelehnt worden. In der Praxis aber hat sich das passive Wahlrecht bewährt.

Gemeinden sollen selbst entscheiden dürfen

Für Avenir Suisse sind die Schlussfolgerungen klar. Das Stimmrecht für Ausländer auf lokaler Ebene ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn es ist ein Zeichen, dass die Zuwanderer im Einwanderungsland Schweiz als wichtige Glieder der Gesellschaft wahrgenommen werden. Unsere Botschaft lautet deshalb: Gemeinden, die wollen, sollen ihren ausländischen Wohnbürgern die Wahl in politische Ämter ermöglichen dürfen. Die ausländischen Bürger erhielten die Chance, ihre Wurzeln an ihrem Wohnort zu festigen. Und mit ihrem Engagement könnten sie zugleich zur Stärkung des politischen Milizsystems beitragen.