Die Covid-19-Pandemie befeuert Ängste vor Mangellagen, vielerorts wird deshalb eine Rückverlagerung von Produktionsstätten in die Schweiz gefordert. Bei einer Re-Nationalisierungsstrategie hätte die Schweiz jedoch viel zu verlieren. Mit einer Aussenhandelsquote von 96% ist die internationale Verflechtung Grundlage des hiesigen Wohlstands. Die Autoren der neuen Studie ziehen mehrere wirtschafts- und gesundheitspolitische Lehren aus der aktuellen Pandemie, und sie setzen zur Vermeidung zukünftiger Mangellagen auf das Prinzip Versorgungssicherheit statt Selbstversorgung. Versorgungssicherheit kann mit einer breiten Diversifikation der Bezugsquellen garantiert werden, wäh-rend selbst bei einem hohen Selbstversorgungsgrad die Schweiz immer noch auf die Importe von Hilfsstoffen angewiesen wäre.

Auch wenn die Forderungen nach «De-Globalisierung» immer lauter werden: Eine Re-Nationalisierung von Wertschöpfungsketten ist keine geeignete Strategie zur erfolgreichen Bewältigung der aktuellen und keine Vorsorge für künftige Pandemien – Viren werden nicht durch Güter übertragen. Als «Globalisierungsweltmeisterin» und grösste Nutzniesserin des EU-Binnenmarkts hätte die Schweiz wirtschaftlich viel zu verlieren. Seit 2002 – dem Inkrafttreten der Bilateralen I – ist die Aussenhandelsverflechtung um über 15 Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt profitieren rund 1.9 Millionen Beschäftigte direkt vom Zugang zu ausländischen Märkten, zusammen mit den indirekten Effekten dürfte es jeder zweite Beschäftigte in der Schweiz sein.

Zur befürchteten Mangellage an Gütern des täglichen Bedarfs ist es trotz temporär leerer Regale nicht gekommen. Nun den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen – wie oft gefordert – führt in die Irre, denn der Import von Hilfsstoffen in der Lebensmittelproduktion würde weiter zunehmen. Besser ist es, in die Versorgungssicherheit zu investieren. Sie ist dann am besten garantiert, wenn die Bezugsquellen breit diversifiziert sind, beispielsweise durch den Abbau von Handelshemmnissen mittels entsprechender Abkommen.

Die Diversifikation auf Beschaffungs- wie Absatzseite stärkt die Resilienz einzelner Unternehmen wie der Volkswirtschaft insgesamt. Auch für essenzielle Güter wie Strom oder Produkte der Gesundheitsversorgung sollte die Strategie nicht Abschottung und Autarkie, sondern Offenheit heissen. Im globalen oder zumindest europäischen Kontext lassen sich die Herausforderungen besser meistern. Das Strom- sowie das Gesundheitsabkommen mit der EU bilden dazu wichtige Grundlagen.

Aus der aktuellen Pandemie sind folgende wirtschafts- und gesundheitspolitischen Lehren zu ziehen:

Offener Aussenhandel:

  • Stärkung des Multilateralismus: Exportrestriktionen verschärfen die Folgen der Pandemie. Die Schweiz sollte sich gegen Hürden bei der Ausfuhr und für den Multilateralismus einsetzen.
  • Unilaterale Abschaffung der Zölle: Importe sollten dauerhaft finanziell und administrativ entlastet werden durch eine unilaterale Abschaffung der Schweizer Zölle.
  • Verzicht auf Investitionskontrollen: Sie tragen weder zur nationalen Sicherheit noch zur Versorgungssicherheit bei.
  • Umsetzung des Prinzips der Versorgungssicherheit: Statt eines möglichst hohen Selbstversorgungsgrads sollte Versorgungssicherheit angestrebt werden. Dazu gehört die Diversifikation der Bezugsquellen essenzieller Güter.

Stärkung der Gesundheitsversorgung:

  • Abschluss eines Gesundheitsabkommens mit der EU: Die Schweiz sollte sich aktiv um den Abschluss und die Implementation eines bilateralen Gesundheitsabkommens mit der EU bemühen.
  • Personenfreizügigkeit sicherstellen: Die Personenfreizügigkeit ist beizubehalten. Grenzgänger und die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte – insbesondere solche aus der EU – stützen die Schweizer Wirtschaft.
  • Optimierung der Pflichtlagerbewirtschaftung: Die Bewirtschaftung der Pflichtlager muss optimiert werden und soll sich auf die wirklich lebensnotwendigen Güter beschränken. Dazu gehören u.a. Produkte für die Gesundheitsversorgung und Lebensmittel.