Die Postfinance steckt in der Bredouille. Stellte sie in der Vergangenheit einen wichtigen Ertragspfeiler der Schweizerischen Post dar, macht ihr das politisch auferlegte Kredit- und Hypothekarverbot immer mehr zu schaffen. Weil die Kundengelder nicht als Kredit oder Hypotheken vergeben werden dürfen, müssen diese an den internationalen Finanzmärkten angelegt werden. Aufgrund der tiefen Zinsen (Stichwort: Negativzinsen) schrumpfen die erzielbaren Erträge jedoch stetig, und mit einer Erholung an der Zinsfront ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen.

Dass die Zeichen auf Sturm stehen, zeigen auch die von der Postfinance ergriffenen Massnahmen: So wurde im Sommer 2018 angekündigt, dass infolge der rückgängigen Erträge und der beschränkten Wachstumsmöglichkeiten 500 Arbeitsplätze gestrichen werden müssen. Dies entspricht rund 15% der Angestellten.

Teilprivatisierung der Postfinance ist nicht zielführend

Auch der Bundesrat hat die missliche Lage der Postfinance erkannt. Im Herbst 2018 hat er vorgeschlagen, das Kredit- und Hypothekarverbot abzuschaffen und das Aktionariat für Private zu öffnen. Eine vollständige Privatisierung der Postfinance schloss er jedoch aus. Die Post – und damit deren Eigentümer, der Bund – soll nach wie vor Mehrheitsaktionär der Postfinance bleiben. Ist die vorgeschlagene Abschaffung des Kredit- und Hypothekarverbots zu begrüssen, geht der Vorschlag einer Teilprivatisierung der Postfinance zu wenig weit. Bleibt Postfinance nämlich mehrheitlichen im Eigentum des Bundes, wird damit faktisch – zusätzlich zu den 24 bereits heute bestehenden Kantonalbanken – eine weitere vollwertige Staatsbank geschaffen.

Münzen haben noch längst nicht ausgedient, der Grundversorgungsauftrag im Bereich des Zahlungsverkehrs hingegen schon. (Claudio Schwarz, Unsplash)

Nebst dem, dass es keine vernünftigen Argumente dafür gibt, weshalb es im Bankenland Schweiz überhaupt Staatbanken braucht, würde der Vorschlag des Bundesrates auch das «Too big to fail»-Problem nicht lösen: Zwar wurde die offizielle Staatsgarantie 2017 abgeschafft, aber solange der Bund Mehrheitsaktionär der Postfinance bleibt, besteht für diese noch immer eine implizite Staatsgarantie (vgl. dazu etwa Postfinance ist reif für eine Privatisierung).

Mit einer (vollständigen) Privatisierung der Postfinance könnten also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Einerseits würde das Problem der impliziten Staatsgarantie entschärft, die sich – gegeben die heutigen Zinsaussichten und das Kreditvergabeverbot – immer mehr zu einem Risikofaktor für den Steuerzahler entwickelt. Andererseits würde der Postfinance die nötige politische Unabhängigkeit und unternehmerische Flexibilität zugestanden, die sie dringend benötigt, um sich in der sich rasant verändernden Finanzbranche zu behaupten.

Keine Gefährdung des Service public

Aber gibt es nicht auch Argumente, die dafür sprechen, die Postfinance im Staatseigentum zu behalten? Aus historischer Perspektive mögen Staatbanken tatsächlich eine gewisse Berechtigung gehabt haben. So kam etwa den Kantonalbanken in ihrer Gründungszeit eine gewisse Rolle bei der Schliessung von regionalen Kreditlücken zu. In der heutigen Zeit gibt es aber kaum mehr überzeugende Argumente, weshalb der Bund und die Kantone als Banker tätig sein sollten. Das Schweizer Finanzsystem ist hoch entwickelt und die privaten Institute können sämtliche Bankaufgaben genauso gut und sicher erfüllen wie eine Staatsbank. Mit den beiden Grossbanken, der genossenschaftlich organisierten Raiffeisen-Gruppe – die in der Schweiz mit über 900 Geschäftsstellen über das dichteste Filialnetz verfügt – und rund 60 Regionalbanken besteht in der Schweiz seit langem keine Gefahr einer lokalen Unterversorgung mit Krediten mehr.

Im Fall der Postfinance kann die Kreditversorgung aufgrund des Kreditvergabeverbots so oder so kein Argument darstellen. Fraglich ist hingegen, ob es einer bundeseigenen Bank bedarf, um die Grundversorgung im Bereich des Zahlungsverkehrs sicherzustellen. Immerhin ist die Post gesetzlich dazu verpflichtet, eine landesweite Grundversorgung mit den folgenden Dienstleistungen sicherzustellen:

  • Eröffnen und Führen eines Zahlungsverkehrskontos
  • Überweisung vom eigenen Konto auf das Konto eines Dritten
  • Bareinzahlung auf das eigene Konto
  • Bargeldbezug vom eigenen Konto
  • Überweisung von Bargeld auf das Konto eines Dritten

Ohne Zweifel verfügt Postfinance über eine beeindruckende Stellung im Zahlungsverkehr: Sie zählt 2,9 Mio. Kunden und tätigt jährlich rund 1,1 Mrd. Transaktionen im In- und Ausland. Letzteres entspricht rund 3 Mio. Transaktionen pro Tag. Damit beläuft sich der Marktanteil von Postfinance im Zahlungsverkehrsmarkt auf gut 60%. Die anderen 40% der Transaktionen werden über das Swiss Interbank Clearing (SIC) System, das im Auftrag der SNB betrieben wird, abgewickelt. In der Schweiz bestehen also zurzeit zwei effizient funktionierende Zahlungsverkehrssysteme, und es wäre mitnichten zu befürchten, dass bei einer Abschaffung des Grundversorgungsauftrags der Zahlungsverkehr beeinträchtigt würde oder gar zum Erliegen käme.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Grundversorgungsauftrag im Bereich des Zahlungsverkehrs ein internationales Unikum darstellt. Ein solcher Auftrag besteht – mit Ausnahme von Liechtenstein – in keinem einzigen anderen europäischen Land. Auch die entsprechende gesetzliche Grundlage der EU, die sogenannte Postrichtlinie, enthält keine Vorschriften zum Zahlungsverkehr. Dass der Grundversorgungsauftrag überflüssig ist, zeigt sich auch daran, dass heute alle festgeschriebenen Dienstleistungen von jeder Geschäftsbank standardmässig angeboten werden; es lässt sich kein eigentliches Marktversagen feststellen, das durch eine staatliche Intervention behoben werden müsste.

Funktionierende Bargeldversorgung

Vor allem auch aufgrund der starken Fokussierung auf das Bargeld muss der heutige Grundversorgungsauftrag in einer Welt, die zunehmend bargeldlos funktioniert, als anachronistisch bezeichnet werden: Wurden zu Beginn der 2000er Jahre noch etwa 850 Mio. Transaktionen pro Jahr bargeldlos abgewickelt, waren es 15 Jahre später bereits ca. 1800 Mio. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von knapp 6% von Transaktionen, die mit Debit- und Kreditkarten, Lastschriftverfahren, Überweisungen via E-Banking, Mobile Payment Systeme etc. getätigt werden.

Dies bedeutet nicht, dass dem Bargeld keine Bedeutung mehr zukommt – Bargeld ist nach wie vor ein wichtiges und beliebtes Zahlungsmittel in der Schweiz. Der Wegfall des Grundversorgungsauftrags im Zahlungsverkehr würde aber kaum zu Engpässen führen: Die Schweiz weist im internationalen Vergleich nach wie vor eines der dichtesten Bankfilialnetze der Welt auf. Gemäss dem BFS verfügten die Kantonal-, Gross-, Raiffeisen- und Regionalbanken 2016 insgesamt über beinahe 2600 Geschäftsstellen in der Schweiz. Im Durchschnitt gab es 2016 in jeder Schweizer Gemeinde 1,15 Bankfilialen und mehr als drei Bankomaten.

Weiterführende Informationen finden Sie in der Studie «Postalische Grundversorgung im digitalen Zeitalter».