Anfang Jahr hat das Stimmvolk einen Ausbau der Medienförderung abgelehnt. Doch Politiker von links bis rechts wollen die Medien weiterhin stärker unterstützen, weshalb in Bern derzeit an einem «Leistungsschutzrecht für journalistische Medien» gearbeitet wird. Die neue Vorlage hat es in sich. Medienfirmen sollen künftig eine Gebühr erhalten von jenen, die im Internet auf ihre Inhalte wie Artikel oder Videos verweisen. Im Fokus stehen soziale Netzwerke, News-Aggregatoren und Suchmaschinen, die sogenannte «Snippets» anzeigen – das sind Textanrisse mit Bild und einem Link auf einen Medieninhalt.

Ein dankbares Ziel

Ein Leistungsschutzrecht ist realpolitisch attraktiv. Es kann mit Geld von ausländischen Tech-Firmen die inländische Medienbranche alimentiert werden. Das Vorgehen wird deshalb auch als «Google-Steuer» bezeichnet und ist keineswegs eine Schweizer «Erfindung».

Bereits vor rund zehn Jahren haben Deutschland und Spanien Anstrengungen in dieselbe Richtung unternommen. Die ersten Vorstösse in Sachen Leistungsschutzrecht brachten allerdings nicht die erhofften Erfolge. Gleichwohl hat 2019 auch die Europäische Union (EU) ein Leistungsschutzrecht verabschiedet, das nun von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wird – allerdings nur zögerlich. Auch in anderen Staaten wurden solche Massnahmen diskutiert und teilweise auch implementiert.

Die Entwicklungen im Ausland haben auch in der Schweiz die Diskussion wieder angeregt. Die Debatte wurde bereits 2019 im Parlament geführt. Damals ist ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage gescheitert. Keine drei Jahre später hat der Bundesrat aber das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, eine neue Vorlage bis Ende 2022 zu erarbeiten.

Dass ein Link oder ein Snippet im Internet eine Kopie darstellen soll, ist eine abenteuerliche Argumentation. (Philipp Katzenberger, Unsplash)

Verweise sind keine Kopien – und medienpolitisch sogar förderungswürdig

Als gesetzliche Grundlage soll offenbar das Urheberrechtsgesetz (URG) dienen. Das URG schützt Medieninhalte vor ungerechtfertigter Vervielfältigung. Dieser Schutz gilt aber nicht absolut. Die bedeutendste Ausnahme ist das Zitate-Recht. So erlaubt das Gesetz die Verwendung geschützter Inhalte «zur Erläuterung, als Hinweis oder zur Veranschaulichung.»

Das Zitate-Recht erleichtert das Thematisieren, Einordnen und Kommentieren von Informationen. Es ist damit gerade für den Journalismus zentral. Das URG hält zudem fest: «Zum Zweck der Information über aktuelle Fragen dürfen kurze Ausschnitte aus Presseartikeln sowie aus Radio- und Fernsehberichten vervielfältigt, verbreitet und gesendet oder weitergesendet werden». Ein Leistungsschutzrecht würde sowohl diesem Verbreitungsanspruch als auch dem Zitate-Recht entgegenlaufen.

Fünf Gedankenschritte, weshalb das Leistungsschutzrecht keine gute Idee ist

Die Befürworter eines Leistungsschutzrechts dürften sich dieses Problems bewusst sein. Sie scheinen daher die Verweise im Internet kurzerhand in Kopien umdeuten zu wollen. So sollen offenbar Verwertungsgesellschaften beim Einzug der neuen Gebühr zum Zug kommen. An diese müssen schon heute Abgaben für Leerträger wie Festplatten oder auch für die gewerbliche Nutzung von Kopiergeräten entrichtet werden, um Urheber für die erstellen Kopien zu entschädigen.

Dass ein Link oder ein Snippet im Internet eine Kopie darstellen soll, ist jedoch eine abenteuerliche Argumentation. Das kann in fünf einfachen Gedankenschritten dargestellt werden:

  1. Das Setzen eines Hyperlinks stellt schlicht keinen Akt des Kopierens dar. Vielmehr ist es ein Hinweis auf ein Original und fällt damit unter das Zitate-Recht des URG.
  2. Dass bei den Tech-Konzernen die kritisierten Snippets angezeigt werden, kann mit nur ein paar Klicks verhindert werden.
  3. Interessanterweise verzichten Medienfirmen nicht nur auf die in Punkt 2 erwähnte «Opting Out»-Option, sondern unternehmen vielmehr grosse Anstrengungen in die gegenteilige Richtung. Sie beschäftigen ganze Teams, die Snippets optimieren, so dass ihre Beiträge im Internet möglichst viel Aufmerksamkeit erhalten. Oft publizieren sie die Verweise sogar selber auf den kritisierten Plattformen.
  4. Alle diese Anstrengungen in Punkt 3 unternehmen die Medienfirmen deshalb, weil ein Link oder ein Snippet eben keine wertmindernde Kopie, sondern ein wertsteigernder Hinweis ist – auf diesen komplementären Charakter weisen auch wissenschaftliche Arbeiten hin. Folgt ein Nutzer dem Link, gibt es diverse Möglichkeiten, die Medieninhalte zu monetarisieren – etwa durch Werbung oder über eine Bezahlschranke.
  5. Die Befürworter des Leistungsschutzrechts argumentieren derweil, dass die Medienfirmen zum Vorgehen unter Punkt 3 gezwungen werden, da die jeweiligen Plattformen marktmächtig seien und ihre Stellung ausnützen würden. Doch genau dagegen gäbe es bereits alle notwendigen staatlichen Institutionen: das Wettbewerbsrecht und die Wettbewerbskommission (Weko). Dessen ungeachtet scheinen Schweizer Medien bisher nicht von ihrem Klagerecht Gebrauch gemacht zu haben.

Ein medienpolitisches Eigengoal

Ein Leistungsschutzrecht schliesst somit keine rechtliche Lücke und adressiert auch kein allgemeines Problem. Vielmehr dient es den Partikularinteressen hiesiger Medienfirmen; es ist schlicht eine Medienförderung durch die Hintertür. Um an etwas Geld für die heimischen Medien zu kommen, scheint man mittlerweile willens, die Rechtslogik von bewährten Gesetzen zu brechen.

Das ist gerade aus medienpolitischer Sicht bedenklich. Das Zitate-Recht und der explizite Verbreitungsanspruch des URG sind beide zentral für das Funktionieren des Mediensystems. Das Leistungsschutzrecht ist deshalb ein denkbar ungeeignetes Instrument zur Medienförderung. Die Debatte darüber zeigt einmal mehr, welche Orientierungslosigkeit in der Schweizer Medienpolitik derzeit herrscht.

Dieser Artikel ist in gekürzter Form unter dem Titel «Medienförderung durch die Hintertür» am 17.10.2022 in der «Neuen Zürcher Zeitung» erschienen.