Der postalische Service public in der Schweiz sieht vor, dass für alle Bevölkerungsgruppen eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung gewährleistet wird. Zu diesem Zweck wurde der Post je ein Grundversorgungsauftrag für Postdienste und für Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs erteilt:

  • Landesweite Zustellung von adressierten Briefen und Paketen an mindestens fünf Wochentagen.
  • Landesweite Zustellung von abonnierten Zeitungen und Zeitschriften an sechs Wochentagen.
  • Betrieb eines flächendeckenden Poststellen- und Postagenturennetzes.
  • Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs, namentlich Eröffnen eines Kontos, Überweisungen sowie Ein- und Auszahlungen. 

Jährliche Kosten von beinahe 400 Mio. Fr. für die Grundversorgung

Dieser postalische Service public kostet jährlich 350 bis 400 Mio. Fr., wobei die Post keine Subventionen oder Abgeltungen für die Erbringung der Grundversorgungsleistungen vom Staat erhält. Die Finanzierung der Grundversorgung ist von der Post eigenwirtschaftlich zu erbringen. Dafür wurde ihr das Monopol für Inlandsbriefe bis 50 Gramm überlassen, mit dem die Kosten der Grundversorgung heute jedoch nur noch teilweise gedeckt werden können. Und gegeben das kontinuierlich sinkende Briefvolumen, dürfte die Bedeutung dieser Finanzierungsquelle in Zukunft weiter abnehmen. Der überwiegende Teil der Grundversorgungskosten muss also heute schon mit Einnahmen aus anderen Bereichen der Post gedeckt werden.

Der Briefmarkt ist jedoch auch ausserhalb des «Restmonopols» rückläufig, und von einer Steigerung des Betriebserlöses im Paketmarkt darf – trotz zunehmender Volumen – nicht ausgegangen werden, da der Wettbewerbs- und Margendruck im vollständig liberalisierten Paketmarkt stetig zunimmt. Auch von Postfinance, der ehemaligen Cash Cow der Schweizerischen Post, sollte keine Rettung erwartet werden. Die anhaltend tiefen Zinsen bewirken, dass die Gewinne von Postfinance – die keine Kredite und Hypotheken vergeben darf – zusehends wegbrechen. Ohne Reformen droht sie früher oder später in die Verlustzone abzurutschen. Definitiv nicht zu den Cash Cows gehören überdies die Postautos. Wie spätestens seit dem «Postautoskandal» einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dürfen in dieser Geschäftssparte keine Gewinne erwirtschaftet werden.

Notwendiger Rückbau der Grundversorgung

Die sich insgesamt verschlechternde wirtschaftliche Lage der Post gefährdet zusehends die eigenwirtschaftliche Finanzierung der Grundversorgung. Soll diese langfristig gesichert werden, sind grundsätzlich drei Massnahmen denkbar:

  1. Eine Erhöhung der Preise für Postdienstleistungen,
  2. Wachstum der Post durch eine Expansion in neuer Märke im In- und Ausland oder
  3. eine Reduktion der postalischen Grundversorgung.

Ob eine Erhöhung der Preise die gewünschte Wirkung entfalten würde, ist fraglich. Dies könnte nämlich die E-Substitution (weiter) beschleunigen, also die Kunden dazu bewegen, noch weniger postalische Dienstleistungen nachzufragen. Damit würde die Finanzierung der Grundversorgung nicht gestärkt, sondern geschwächt. Auch ein «Blankocheck» für die Expansion der Post in neue Märkte und ins Ausland ist aus ordnungspolitischer Sicht nicht wünschenswert. Die Expansion von Staatsunternehmen ist immer mit (finanziellen) Risiken verbunden, die letztlich vom Steuerzahler zu tragen sind.

Letztlich wird kein Weg um eine Debatte führen, wieviel postalische Grundversorgung wir uns in Zukunft leisten wollen und können. Anhaltspunkte, wie eine postalische Grundversorgung im digitalen Zeitalter aussehen könnte, finden sich im umliegenden Ausland.  Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick, welche Produkte die postalische Grundversorgung im Bereich der Briefe, Zeitschriften und Pakte in der Schweiz und in ausgewählten europäischen Ländern heute noch umfasst.

Auffallend ist, dass die Schweiz die umfassendste Grundversorgung aller betrachteten Länder aufweist. Zwar ist auch in Norwegen, Frankreich und Österreich die Grundversorgung vergleichsweise gut ausgebaut, aber Länder wie Dänemark, die Niederlande und Schweden haben längst auf die Entwicklungen im Postmarkt reagiert und die Grundversorgung auf das in einer digitalen Welt Notwendige beschränkt. Insbesondere zeigt sich, dass es – mit Ausnahme von Österreich – kein anderes der betrachteten Länder heute noch für nötig oder angebracht hält, einen Grundversorgungsauftrag für Pakete als Massensendungen sowie für Zeitungen und Zeitschriften zu aufrechtzuerhalten.

Die Schweiz sollte sich an den nordischen Ländern ein Beispiel nehmen und die Grundversorgung auf ein vergleichbares Niveau absenken. Bedenkenswert wäre sogar, – anstatt wie heute noch in vielen Ländern die prioritären Briefe – nur die nicht-prioritären Briefe in der Grundversorgung zu belassen, was einer erheblichen kostenseitigen Entlastung gleichkäme. Auch der Grundversorgungsauftrag im Bereich des Zahlungsverkehrs ist in Zeiten des E-Bankings ein Anachronismus, der ohne Konsequenzen abgeschafft werden könnte. Er stellt ein internationales Unikum dar und umfasst ohnehin nur Dienstleistungen, die heute standardmässig von jeder Geschäftsbank angeboten werden.

Technologieneutralität und Ausschreibungen

Parallel ist eine Flexibilisierung der gesetzlichen Vorgaben bezüglich Zustellung und Erreichbarkeit notwendig. Zu fordern ist in erster Linie eine technologieneutrale Formulierung des Grundversorgungsauftrags, die nur das «Was» (z.B. flächendeckende Zugangspunkte zum Postnetz) und nicht – wie heute – das «Wie» vorgibt (z.B. die Art und Weise, wie der Zugang konkret auszugestalten ist). Anstatt des kostenintensiven Betriebs eines dichten und von immer weniger Menschen benutzten Poststellennetzes könnte das Ziel der Erreichbarkeit etwa mithilfe eines Hauslieferdienstes oder durch mobile Poststellen erreicht werden. Die physische Zustellung von Briefen könnte, wo sinnvoll, durch ein elektronisches Postfach ersetzt werden, und statt der Hauslieferung von Paketen gäbe es die Möglichkeit von «Service Hubs» (d.h. Automaten, die es erlauben, Pakete rund um die Uhr abzuholen und zu versenden).

Die skizzierten Massnahmen würden die Kosten der Grundversorgung erheblich senken. Trotzdem ist unklar, ob sie ausreichen würden, um deren Finanzierung durch die Post langfristig zu sichern. Nicht zuletzt aus diesem Grund drängt sich eine Neuorganisation der Finanzierung der Grundversorgung auf, die folgende zwei Elemente umfasst:

  1. Abschaffung des «Restmonopols»: Das heutige eigenwirtschaftliche Finanzierungssystem erweckt in der Öffentlichkeit den Eindruck einer kostenlosen Grundversorgung. Mit der Abschaffung des «Restmonopols» und einer staatlichen Abgeltung der Kosten für die postalische Grundversorgung würde diese ein «Preisschild» erhalten. Gleichzeitig würde der Schweizer Postmarkt, wie in allen anderen europäischen Ländern, vollständig liberalisiert.
  2. Öffentliche Ausschreibung der postalischen Grundversorgung: Der neudefinierte und technologieneutral formulierte Grundversorgungsauftrag wäre öffentlich auszuschreiben. Dass ausser der Schweizerischen Post zurzeit möglicherweise kein anderes Unternehmen in der Lage wäre, einen Grundversorgungsauftrag zu übernehmen, spricht dabei nicht gegen Ausschreibungen. Diese wirken wie ein «Damoklesschwert» und schaffen Anreize, die Leistungen und Kostenstruktur stets kritisch zu überprüfen und zu verbessern, um potenzielle Mitbewerber möglichst von einer Teilnahme an einer nächsten Ausschreibung abzuhalten. 

Weiterführende Informationen finden Sie in der Studie «Postalische Grundversorgung im digitalen Zeitalter».